Die Antwort muss in erster Linie eine politische sein: Wir müssen uns entschlossen ge-gen Ausgrenzung stellen und unsere Integrationsanstrengungen auf allen Ebenen ver-stärken. Entscheidend ist aber, das Übel des islamistischen Terrorismus, das Übel des "Islamischen Staats“ (IS), an der Wurzel zu packen, und zwar dort, wo es entstanden ist, im Irak und in Syrien.

Deutschland hat Frankreich seine Solidarität versprochen und wird dieses Versprechen auch einlösen. Der Bundestag hat Anfang Dezember auch mit den Stimmen der SPD-Fraktion entschieden, dass ein Teil davon auch ein militärischer Beitrag zum Kampf gegen den IS ist. Allerdings wissen wir auch: Terrorismus lässt sich nicht mit Bomben besiegen – aber den Sozialdemokraten ist auch bewusst, dass die Bedrohung durch den IS ohne militärische Mittel nicht zu stoppen sein wird und sonst in einem Jahr nichts mehr übrig sein könnte, was noch einer politischen Lösung zugänglich wäre.

Der Konflikt mit dem IS beschränkt sich nicht auf Syrien. Auch der Irak ist seit vielen Jahren den Angriffen des IS ausgesetzt. Die Bilder von verfolgten und ermordeten Jesiden sind uns allen noch in Erinnerung. Im zurückliegenden Jahr ist es zum Glück gelungen, den IS aus ca. 25 Prozent seines Territoriums zu vertreiben. Dennoch: Die schwersten Aufgaben stehen noch bevor. Entscheidend für den Erfolg unserer politischen Strategie sind vor allem drei Dinge: Zum einen die Unterstützung derjenigen, die sich dem IS entgegenstellen. Die Entscheidung im letzten Jahr, die Peschmerga mit Waffen und Munition zu versorgen, war nicht ohne Risiko, aber sie war richtig. Ende November haben die Peschmerga die Stadt Sindschar – in der der IS entsetzliche Massaker an den Jesiden angerichtet hatte – befreit, auch dank deutscher Unterstützung. Fakt ist auch: Der Vormarsch des IS wäre nicht zu stoppen gewesen ohne die Luftschläge der Alliierten.

Zweitens wissen wir aus vergangenen Konflikten, wie wichtig es ist, in den von IS zu-rückeroberten Gebieten das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen. Deshalb investieren wir in die Stabilisierung dieser Regionen, bauen Polizei, Schulen, Strom- und Wasserversorgung wieder auf. Nach der Befreiung der Stadt Tikrit konnten so auch dank deutscher Hilfe mehr als 150.000 Menschen in ihre Häuser zurückkehren.

Das dritte Element ist das schwierigste und zugleich das wichtigste: Denn die politi-schen Konflikte und das Chaos, die die Ausbreitung des IS erst ermöglicht haben, sind mit militärischen Mitteln nicht zu beseitigen. Dauerhaft können wir die Bedrohung durch den IS nur überwinden, wenn alle Bevölkerungsgruppen in Irak und Syrien wieder eine gemeinsame politische Perspektive haben. Im Irak hat Ministerpräsident Abadi mit einem mutigen Reformprogramm die Tür geöffnet, um auch den Sunniten wieder politische Teilhabe zu ermöglichen.

Schwierige Gespräche für Steinmeier

Für Syrien scheint ein solcher politischer Prozess noch in weiter Ferne. Trotzdem müs-sen wir mit aller Kraft darauf hinarbeiten. Kaum einer hat dafür mehr gestritten als die deutsche Außenpolitik unter Frank-Walter Steinmeier (SPD). Er hat allein im letzten Jahr unzählige, oft auch schwierige Gespräche geführt, in Riad und Teheran, in Ankara, Beirut, Amman und Wien.

Auch aufgrund seines unermüdlichen Einsatzes ist es mit den Gesprächen im soge-nannten Wiener Format – das letzte Treffen fand am 18. Dezember in New York statt - erstmals nach fast fünf Jahren Bürgerkrieg gelungen, alle entscheidenden Staaten an den Verhandlungstisch zu bringen und einen Fahrplan für einen Waffenstillstand und einen politischen Übergangsprozess zu vereinbaren. Das ist noch kein Grund zur Euphorie. Aber zum ersten Mal gibt es einen Minimalkonsens für einen Weg zur Lösung des Syrienkonflikts, auf den sich nicht nur Russland und die USA geeinigt haben, son-dern auch Iran und Saudi-Arabien.

Auch mit dem Treffen der syrischen Opposition in Riad Mitte Dezember ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung politischer Lösung des Syrienkonflikts gemacht worden. Mehr als 100 Vertreter der verschiedenen syrischen Oppositionsgruppen haben sich erstmals auf wichtige grundsätzliche Prinzipien für den Dialog mit dem Assad-Regime verständigen können.

Iran-Abkommen als Vorbild

Bis zu einer friedlichen Regelung wird es noch ein langer und mühsamer Weg sein, und ob er gelingt, liegt nicht allein in unserer Hand. Dafür sind die Interessenunterschiede der einzelnen Akteure zu groß. Aber die Komplexität der Lage zu beklagen, ist kein Ersatz für Politik. Und wir dürfen nicht warten, bis sich die Widersprüche und Konflikte der Region von selbst auflösen oder bis es keinen Staat und keine Strukturen mehr gibt, die wir retten könnten.

Dass das gut ist, und beharrliches Verhandeln zum Erfolg führen kann, haben die Ver-handlungen zum iranischen Nuklearprogramm gezeigt. Mehr als zehn Jahre hat es gedauert, aber am Ende stand ein erfolgreiches Abkommen. Auch in Libyen besteht die Chance, unter dem Dach der Vereinten Nationen und mit einem erfahrenen deutschen Diplomaten an der Spitze einen politischen Weg zurück zu einem geordneten Staatswesen zu finden. Die Ergebnisse der Libyen-Konferenz am 13. Dezember in Rom geben Anlass zu vorsichtigem Optimismus.

Außenpolitik muss sich der Wirklichkeit mit ihren Unwägbarkeiten stellen und auch dort Verantwortung für unser Handeln wie für unser Nichthandeln übernehmen, wo es keine Erfolgsgarantien gibt. Umso wichtiger ist es, dass unsere Zielrichtung stimmt. Die Unterwerfung von Territorien durch den IS und die Bedrohung durch den IS-Terror lassen sich nicht verhindern, indem wir in Angststarre verfallen und uns abschotten, sondern mit Beharrlichkeit und einer Gesamtstrategie – in der Sicherheit, humanitäre, zivile und politische Maßnahmen ineinandergreifen.