Die Bundesregierung geht im laufenden Jahr von einem Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent aus. 2012 erwartet sie ein Wachstum von 1,8 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 3,6 Prozent. Dies geht aus dem neuen Jahreswirtschaftsbericht hervor, der am Donnerstag im Bundestag beraten wurde.

SPD-Fraktionschef Steinmeier betonte in der Debatte, diese Entwicklung sei nicht das Verdienst von Schwarz-Gelb. Viele hätten zum Aufschwung beigetragen, nur nicht die schwarz-gelbe Koalition. Vor allem der FDP und Wirtschaftsminister Brüderle warf Steinmeier vor, bislang keinen Beitrag für den gegenwärtigen Aufschwung geleistet zu haben. Der Aufschwung sei vielmehr maßgeblich Folge der mutigen Reformpolitik von Rot-Grün und des klugen Krisenmanagements der Großen Koalition – einer Politik also, die die FDP 11 Jahre lang als Opposition verdammt habe.

Dass der Aufschwung nicht der Erfolg der FDP ist, zeige sich auch daran, dass sich die Wachstumsrate und die Umfragewerte der FDP „irgendwo zwischen drei und vier Prozent treffen“.

 

Rede von Frank-Walter Steinmeier

 

 

„Lottokönig“ Brüderle

Statt nun die Weichen richtig zu stellen, um die Chancen für einen dauerhaften Aufschwung richtig zu stellen, komme von Wirtschaftsminister Brüderle und der FDP jetzt nur wieder „die alte Leier“, nämlich Forderungen nach Milliarden-Steuersenkungen. Brüderle komme ihm vor, „wie ein Lottokönig, der sich freut über den neuen Reichtum und ihn verjuxt, als gäbe es kein Morgen in diesem Land“, sagte Steinmeier. „Sie sind nicht wirklich in der Verantwortung als Regierungsfraktion angekommen – das ist das Problem.“

Eindringlich warnte Steinmeier die Koalitionsparteien davor, den Aufschwung durch wirtschaftspolitische Untätigkeit zu verspielen. „Wenn das so bleibt, findet der nächste Aufschwung nicht in Deutschland statt“, mahnte der SPD-Politiker. Seine Forderung: Statt den gegenwärtigen Aufschwung zu feiern, müsse Wirtschaftsminister Brüderle den nächsten Aufschwung organisieren. „Das ist Ihre Aufgabe.“

Auch SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil warf der Bundesregierung vor, keine Antworten auf die Frage zu geben, wie sie aus dem Aufschwung dauerhaften Fortschritt machen möchte.

 

Rede von Hubertus Heil

 

 

SPD fordert Infrastrukturkonsens

Für die SPD steht fest: Wirtschaftspolitik muss den Anspruch haben, die Modernisierung des Landes aktiv voranzubringen. Als Innovationsland müsse Deutschland gerade jetzt investieren wie nie zuvor, mahnte Fraktionschef Steinmeier. Er forderte ein Infrastrukturkonzept für den Ausbau der Netze in den Bereichen Verkehr, Energie und Kommunikation. Es sei falsch, das Land in eine Dafür- und eine Dagegen-Republik einzuteilen. Notwendig sei stattdessen ein neuer Infrastrukturkonsens. Außerdem müssten die Finanzmärkte stabilisiert werden.

Steinmeiers Stellvertreter Hubertus Heil forderte eine Strategie zur Sicherung des Fachkräftebedarfs, eine Bildungsoffensive und die Einführung des Mindestlohns. Es dürfte nicht sein, dass der Staat Jahr für Jahr Billiglöhne mit 11 Milliarden Euro subventionieren muss, die an erwerbstätige Hartz-IV-Empfänger gezahlt werden, nur weil der Lohn nicht zum Leben reicht.

Das einzige, was Wirtschaftsminister Brüderle bislang mit auf den Weg gebracht habe, sei die Steuerermäßigung für Hotels und die Verlängerung der Atomlaufzeiten zugunsten der großen Stromkonzerne – und damit zu Lasten des Wettbewerbs. „Das ist die Bilanz Ihrer Wirtschaftspolitik“, so Heil.

 

Unehrlichkeit in der Euro-Krise

Unehrlichkeit warf Fraktionschef Steinmeier der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Schuldenkrise in Europa vor. „An der Frage Europa wird sich entscheiden, wie die Zukunft unseres Landes aussehen wird“, sagte er. Die Regierung betreibe aber, wenn es um Maßnahmen zur Stärkung des Euros gehe, ein Versteckspiel.

Steinmeier erinnerte an seine Vorhersage vom Dezember, die Regierung werde von ihrer Ablehnung einer Erweiterung des Euro-Schutzschirmes und von europäischen Anleihen noch abrücken. „Sie werden mit den beiden Themen noch kommen“, prophezeite der SPD-Fraktionsvorsitzende. „Wer verschweigt, was nun notwendig ist, und erst später Schritt für Schritt mit der Wahrheit herauskommt, der betreibt ein gefährliches Spiel.“