Zahlreiche Gäste und Experten aus Politik, Medien, Wissenschaft und Gesellschaft waren zur fünften und letzten Dialogveranstaltung im Rahmen der Projektgruppe in das Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages eingeladen. Moderiert wurde die Runde von der SPD-Abgeordneten Svenja Stadler, Mitglied der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend und zuständige Berichterstatterin für den Bereich Jugendmedienschutz.
In seiner Begrüßung gab Lars Klingbeil, der netzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, einen Einblick in die aktuelle Debatte und formulierte die Leitfragen: wie kann der Jugendmedienschutz weiterentwickelt werden, um Kindern und Jugendlichen eine sichere Teilhabe an digitalen Medien zu ermöglichen? Wie erreichen wir eine Kohärenz unabhängig vom Verbreitungswege? Und wie können die Strukturen im Jugendmedienschutz modernisiert werden? Schnell entwickelte sich eine rege Diskussion, in der das gemeinsame Ziel der Anwesenden deutlich wurde: Kinder und Jugendliche müssen die Chancen des Netzes optimal nutzen können und zugleich online wie offline besser vor Gefahren und Gefährdungen bei der Mediennutzung geschützt werden.
Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte für Medien und Digitales in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, erläuterte die Sicht der Länder und skizzierte die Inhalte des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Ziel dieses Länder-Staatsvertrages ist der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die Novelle soll im Oktober in Kraft treten und enthält Neuerungen wie etwa neue Online-Kennzeichen. Ein erster Schritt für die weitergehende Reform des Jugendmedienschutzes.
Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, erklärte, ein guter und lebendiger Jugendmedienschutz müsse stets „auf der Höhe der Zeit“ sein. Beide Staatssekretärinnen verwiesen auf die vereinbarten Eckpunkte der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz und den Abschlussbericht. Vereinbarter Konsens im Jugendmedienschutz sei die Position, dass die Medieninhalte perspektivisch überall gleich beurteilt werden könnten. Filme, Spiele oder Apps müssten in der Bewertung, Kennzeichnung und den Rechtsfolgen künftig unabhängig davon behandeln, auf welchem Verbreitungsweg er zu Kindern und Jugendlichen gelange. Caren Marks kündigte einen Referentenentwurf für die jugendmedienschutzrechtlichen Regelungen des Jugendschutzgesetzes noch vor der Sommerpause an. Eltern wie Kinder bräuchten eine verlässliche Orientierung. Ziel sei es, die informationelle Selbstbestimmung zu stärken und statt neuer Ge- und Verbote mehr Angebote für Prävention und Medienkompetenz für Kinder und Jugendliche zu bieten. Zu einem Dialog über die nächsten Reformschritte luden beide ausdrücklich ein.
Zu den Anforderungen und Chancen einer konvergenten Medienordnung folgten Statements von Stephan Dreyer, Wiss. Mitarbeiter im Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg, der in dem Prozess trotz der schwierigen Kompetenzüberschneidungen die Chance für eine Paradigmenwechsel im Jugendmedienschutz erkannte. Eine Chance liege auch in der Innovationsfähigkeit der Anbieter, die mithilfe von technischen Schutzlösungen ihren Kunden zielgerechte Programme offerieren würden. Auch Renate Pepper, Stellv. Vorsitzende Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sah die Ausrichtung an den Bedürfnissen der jungen Menschen als zentral und unterstrich die Reformbereitschaft, eine Regelung sei an den Inhalten und nicht am Verbreitungsweg zu orientieren.
Friedemann Schindler, Leiter der Stelle für Jugendschutz im Internet (jugendschutz.net), und Kerstin Heinemann, Referentin im Institut Medienpädagogik in Forschung u. Praxis (JFF), betonten das Recht der Jugendlichen auf informationelle Integrität und bewertete eine Ausweitung des Schutzes dieser Integrität als großen Fortschritt. Zudem diagnostizierten sie eine zunehmende Überforderung von Kindern und der Eltern in einer sich rasch wandelnden komplexen Medienwelt – daher sei Jugendmedienschutz ein wichtiger Teil einer umfassend zu reformierenden Kommunikations- und Interaktionsordnung. Claus Grewenig, Geschäftsführer Verband Privater Rundfunk u. Telemedien VPRT, betonte die Innovationsbereitschaft der Branche und stimmte überein, dass der Dialogprozess für nachhaltige Konzepte möglichst unbürokratisch fortgeführt werden solle.
Felix Falk, Geschäftsführer der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) brachte zudem die Handlungsnotwendigkeit bei Bund und Ländern auf die Formel: Konvergenz, internationale Anschlussfähigkeit sowie Verständlichkeit. Ergänzt wurden die Statements durch ein jugendschutzpolitisches Plädoyer und Anwendungsbeispiele der Jugendmedienbeauftragten von ARD und ZDF (z.B. Prüfsiegel) sowie der Anbieter Google oder Vodafone.
Martin Dörmann und Svenja Stadler zogen das Fazit, dass der zeitgemäße Jugendschutz das wichtige Anliegen aller Beteiligten sei und mit dem Staatsvertrag sowie den angekündigten Änderungen im Jugendschutzgesetz erste Prozesse in Gang gebracht würden. Weitere Gespräche und Reformschritte blieben aber notwendig. Mit dem Abschluss der Bund-Länder-Kommission komme nun auch das begleitende Projekt der SPD-Fraktion in die Endphase. Nach der parlamentarischen Sommerpause werde von der SPD-Bundestagsfraktion eine Veranstaltungs-Reihe unter dem Titel "Medienpolitischer Dialog" angeboten, dass ein Forum für aktuelle Fragen bieten werde.
Die Projektgruppe unter der Leitung von Martin Dörmann und Lars Klingbeil hat in den letzten beiden Jahren die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz begleitet. Mit der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der Bundeskanzlerin am 16. Juni und dem Abschluss der Arbeit der Kommission beendet auch die begleitende Projektgruppe ihre Arbeit.
Den Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission finden Sie hier zum Download.