Die SPD-Fraktion hat mit großer Mehrheit für das Paket gestimmt, in der schwarz-gelben Koalition gab es dagegen eine hohe Zahl an Abweichlern, die gegen die Hilfen stimmten. Zum ersten Mal hat die Kanzlerin damit die so genannte Kanzlermehrheit verfehlt – ein weiteres Indiz, dass die Koalition zerfasert und von Misstrauen durchzogen ist. Erstmals bekommt das nun auch Angela Merkel drastisch zu spüren.

Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Fraktion, konstatierte. „Die Kanzlerin hat in einer der zentralen Abstimmungen dieser Legislaturperiode keine Kanzlermehrheit mehr und ist damit politisch gescheitert. Das ist der Beginn der Kanzlerdämmerung. Die Bundeskanzlerin bekommt diese Krise seit zwei Jahren nicht in den Griff. Heute hat Frau Merkel von den eigenen Leuten die Quittung dafür bekommen.“

In der Aussprache nach der Regierungserklärung Merkels sagte Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesfinanzminsiter, dass Merkel ihrer Aufgabe nicht nachgekommen sei, sich inhaltlich zu den Einlassungen ihres Innenministers Friedrich (CSU) zu äußern, der Griechenland den Austritt aus der Euro-Zone nahegelegt hatte.

Auf dünnes Eis gesetzt

Zu der Regierungspolitik der Kanzlerin bemerkte Steinbrück: „Dieses Hilfspaket ist auf dünnes Eis gesetzt, vieles steht noch nicht fest“. Dazu zählte er auch die künftigen Entscheidungen der Troika und das Sondergremiun des Bundestages zu Abstimmung über ESM- und EFSF-Maßnahmen. Dieses Gremium wurde nun in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt.Steinbrück prophezeite der Bundesregierung ein drittes Hilfspaket für 2014. Denn das Land könne sich auch dann noch kein eigenes Geld auf dem Kapitalmarkt beschaffen. „Das hat offenbar nur Herr Schäuble erkannt“, sagte Steinbrück. Er erklärte: „Die Strategie der Regierung, immer nur Zeit zu kaufen, ist gescheitert. Sie hatten zwei Jahre Zeit. Aber was Sie machen ist immer zu wenig, zu spät und zu ungefähr“. Er forderte die Kanzlerin auf, den Menschen die Wahrheit über die Rettungsschirme ESM und EFSF zu sagen, nämlich dass weitere Aufstockungen wohl unausweichlich seien. Zudem solle sie zugeben, dass durch die EZB-Politik das Haftungsrisiko für alle steige. Doch Merkels raison d’être ihrer EU-Politik sei immer nur innenpolitisch bzw. koalitionspolitisch motiviert gewesen.

Laut Steinbrück hat der Groll der Menschen zugenommen gegenüber der Politik, aber auch die Zerrbilder würden schlimmer; da sei das Bild des faulen Griechen auf der einen und das Bild des hässlichen Deutschen auf der anderen Seite.

"Es geht um das ganze Europa"

Peer Steinbrück erklärte, die SPD-Fraktion stimme dem Griechenland-Paket zu aus Verantwortung für Europa, aus wirtschaftlichen Gründen für Deutschland. Steinbrück. „Es geht um das ganze Europa“. Dies bedeute aber keine Zustimmung zum Grundkurs der schwarz-gelben Koalition.

In einem Entschließungsantrag zur Regierungserklärung von Angela Merkel fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung u. a. auf,

  • - sich dafür einzusetzen, dass die Wirtschafts- und Währungsunion zu einer stabilitäts- und wachstumsorientierten Wirtschafts- und Fiskalunion ausgebaut wird. Hierzu bedarf es neben den Spar- auch Wachstumsprogramme für die überschuldeten Mitgliedstaaten.
  • - sich für ein wirtschaftliches Aufbauprogramm für die notleidenden Staaten einzusetzen, das auf einer Analyse der jeweiligen Chancen vor Ort beruht. Dieses kann beispielsweise durch die Besteuerung von Spekulationen an den Finanzmärkten durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer finanziert werden;
  • -  sich für eine europaweit koordinierte, zukunftsorientierte Industriepolitik einzusetzen. Die Stärkung der industriellen Basis unseres Kontinents, einhergehend mit einer Inititiative für grünes Wachstum ist der Schlüssel für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Europas;
  • - sich für ein sozial ausgewogenes Vorgehen einzusetzen, denn der Erfolg des europäischen Wirtschaftsmodells basiert auf der Verknüpfung von Wachstum, Solidarität und sozialer Sicherheit. Die Konsolidierung der Haushalte darf nicht alleine mittels rigider Sparvorgaben sowie massiver Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen erfolgen, denn diese gefährden den sozialen Zusammenhalt und damit den Erfolg von Reformprogrammen und Strukturreformen;
  • - sich insbesondere für konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einzusetzen.