Das Jahr 2015 ist ein Jahr großer entwicklungspolitischer Weichenstellungen, da drei UN-Konferenzen zur Neuausrichtung der internationalen Klima- und Entwicklungspolitik anstehen. Bereits im Juli findet die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba, Äthiopien statt, gefolgt vom UN-Gipfel in New York zur neuen Nachhaltigkeitsagenda, die im September das alte Rahmenwerk der Millenniumsziele ablösen wird. Im Dezember endet das Gipfeljahr mit der internationalen Klimakonferenz in Paris, auf der ein großer Erfolgsdruck lastet.

Rückblick auf das G7-Treffen in Elmau

Daher war auch das Treffen der G7 in Elmau dieses Jahr geprägt von klima- und entwicklungspolitischen Themen. Die Beschlüsse von Elmau greifen die globalen Herausforderungen in den Bereich der Armutsbekämpfung, der Nachhaltigkeit und des internationalen Klimawandels auf, allerdings bleibt die Frage der Finanzierung weitgehend offen.

Begrüßenswert ist die Erneuerung des Versprechens, die Klimamittel zur Vermeidung und Anpassung an den weltweiten Klimawandel für ärmere Länder bis zum Jahr 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar jährlich anzuheben sowie bis Mitte dieses Jahrhunderts den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu betreiben. Die nationalen Minderungsziele Deutschlands lassen aber bisher nicht erkennen, wie der versprochene Ausstieg erreicht werden soll. Zumindest hat Deutschland einen Vorstoß bei der Frage der Finanzierung gemacht und die Klimamittel bis 2020 verdoppelt. Zu hoffen bleibt, dass die anderen G7 Staaten dieser Initiative Deutschlands folgen werden.

Für andere Bereiche der nachhaltigen Entwicklung bleibt nach Elmau die Finanzierungsfrage leider erst recht ungeklärt. Gut ist zwar, dass sich die G7 zu Zielen bekannt haben, wie Gesundheitssysteme weltweit stärken, Arbeitsstandards und Menschenrechte in internationalen Lieferketten gewährleisten, Steuerflucht international bekämpfen und nationale Steuersystem stärken.

Ebenso die Zusage, 500 Millionen Menschen von Hunger und Mangelernährung zu befreien, weist in die richtige Richtung. Doch ist das Versprechen der G7 bisher durch keine greifbare finanzielle Zusage unterlegt. Von extremer Armut betroffen sind nach Schätzungen der UN allerdings zwischen 800.000 bis zu 1,2 Milliarden Menschen. Daher wird zurecht als oberstes Ziel der neuen Nachhaltigkeitsagenda vorgeschlagen, extreme Armut bis zum Jahr 2030 zu überwinden.

Mehr Mittel für Entwicklungsfinanzierung zusätzlich zu den versprochenen Klimamitteln sind also dringend erforderlich, um den zukünftigen Aufgaben gerecht zu werden.

Das ursprünglich bereits bis 2015 zugesagte Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsfinanzierung zur Verfügung zu stellen, ist zwar in die Abschlusserklärung des Gipfels in Elmau aufgenommen worden, es soll aber erst im Jahr 2030 erreicht werden. Das ist ein kraftloses Versprechen angesichts der Tatsache, dass wir genau in diesem Jahr dieses Ziel bereits erreichen wollten. Zumindest braucht es einer verbindlichen Zeitschiene, die den finanziellen Aufwuchs bis 2030 glaubhaft darstellt. Denn Glaubwürdigkeit erreichen wir gegenüber den Entwicklungsländern nicht mit der reinen Erneuerung eines Versprechens, welches wir in diesem Jahr bereits verfehlt haben.

Die Zukunft der Entwicklungsfinanzierung

Glaubwürdigkeit ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der UN-Konferenz in Addis Abeba, bei welcher es die Weichen für die Entwicklungsfinanzierung der kommenden 15 Jahre zustellen gilt und die in ihrem Ergebnis maßgeblich für den Erfolg der beiden folgenden UN-Gipfel in diesem Jahr sein wird. In Addis muss es gelingen, einen Konsens zu finden zur Verantwortung aller Länder für eine nachhaltige globale Entwicklung. Entscheidend ist dabei ein fairer Lastenausgleich zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern, der auf dem Gerechtigkeitsprinzip einer gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung beruht.

Ein zuverlässiger Aufwuchs der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung ist dafür Voraussetzung und kann auch nicht ersetzt werden durch private Investitionen, so dringend wir diese als Ergänzung zu den Haushaltsmitteln auch benötigen. Der aktuelle Europäische Entwicklungsbericht der Europäischen Kommission vom Mai dieses Jahres trägt den Titel „Entwicklungsfinanzierung - Die Mischung macht ‘s“ und betont, dass es eines neuen Konzepts für Entwicklungsfinanzierung bedarf, um der sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension von nachhaltiger Entwicklung zu genügen. Bisher seien inländischen Steuereinnahmen der Entwicklungsländer nicht hinreichend berücksichtig worden und auch private Finanzierung sei zukünftig stärker einzubeziehen.

Die Stärkung nationaler Steuersysteme ist ohne Frage ein wichtiges Thema, das unbedingt auf die Agenda der Konferenz in Addis gehört. Erik Solheim, Vorsitzender des Entwicklungsausschusses der OECD, stellte in einem Interview im Mai 2015 zutreffend fest, dass eine Erhöhung der Steuereinnahmen aller Entwicklungsländer um nur 1 Prozent einer Verdoppelung der derzeitigen öffentlichen Entwicklungsfinanzierung entspräche.

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass ein funktionierendes Steuersystem ohne entsprechende Aufbauleistung nicht zu erreichen ist. Gerade dafür bedarf es aber aufwachsender öffentlicher Mittel, denn private Investitionen sind mit dem Aufbau von staatlichen Strukturen schlecht vereinbar. Nach aktuellen Schätzungen der UN gehen derzeit jährlich 500 Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidung von transnationalen Unternehmen den Steuerbehörden weltweit verloren. Das ist eine unglaubliche Summe, das müssen wir ändern.

Auch im Kampf gegen extreme Armut sollten wir die Relevanz von privaten Investitionen nicht überhöhen. Ein besonderes Problem stellt aktuell die Tendenz dar, dass die ärmsten Länder dieser Welt weniger öffentliche Entwicklungsfinanzierung erhalten als früher. Ein politischer Trend, den es umzukehren gilt. Für die ärmsten Länder sind dabei öffentliche Entwicklungsgelder meist die einzige Finanzierungsquelle, da für private Investoren die Märkte der Mitteleinkommensländer und Schwellenländern oft interessanter sind.

Schon im vergangenen Jahr hat daher UN-Generalsekretär Ban Kimoon auf der Grundlage eines Expertenberichts zur Entwicklungsfinanzierung die zuverlässige Bereitstellung von mehr öffentlicher Entwicklungsfinanzierung angemahnt, wies aber zugleich darauf hin, dass die Mobilisierung von privatem Kapital zwar notwendig sein wird, allerdings nur solche Investitionen für eine Land hilfreich sind, die neben ökonomischen auch soziale, menschenrechtliche und ökologische Kriterien berücksichtigen.

Wichtig ist daher auch der Appell zur Entwicklungsfinanzierung der zivilgesellschaftlichen Kampagne „Beyond 2015“, der gemeinsam mit dem entwicklungspolitischen Dachverbands CONCORDE einige Empfehlungen an die EU und ihre Mitgliedstaaten formuliert und insbesondere die bessere Nutzung von innovativen Finanzierungsquellen anmahnt. Die Finanztransaktionsteuer ist eine der möglichen Quellen; ihre Einnahmen können unter anderem einen wichtigen Beitrag zur Entwicklungsfinanzierung leisten.
Ebenso wichtig ist aber die Forderung nach Reformen der Handelspolitik und der Finanzinstitutionen. Denn Entwicklungsfinanzierung wird erst dann erfolgreich sein können, wenn wir Politikkohärenz ernst nehmen. Ein wichtiges Thema für die Konferenz in Addis ist daher auch die Verbesserung der internationalen Steuerkooperation.

Neue UN-Agenda mit 17 Nachhaltigkeitszielen

Gelingt es bei der UN-Konferenz in Addis Abeba diese Themen voranzubringen und einen verlässlichen Finanzierungspfad für Entwicklung aufzuzeigen, so ebnet das den Weg für die folgenden beiden UN-Gipfel. Bei der UN-Konferenz in New York wird es um nichts Geringeres gehen, als ein neues internationales Rahmenwerk für nachhaltige Entwicklung. Die neue Agenda soll die noch unvollendeten Bereiche der auslaufenden Millenniumsentwicklungsziele aufgreifen und zugleich neue Ziele setzen, um den zukünftigen globalen Herausforderungen Rechnung tragen zu können.

Mit 17 Nachhaltigkeitszielen hat die UN einen überzeugenden Katalog für die neue Agenda vorgeschlagen, der im September zur Verhandlung kommt. Ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Entwicklungsfragen wird durch das Prinzip der Universalität aller Ziele angelegt und neue globale Themen wie den Abbau von inner- und zwischenstaatlicher Ungleichheit, menschenwürdiger Arbeit und nachhaltiger Produktion, Urbanisierung sowie Klima und Energie, Frieden und Sicherheit werden die neue Agenda prägen.

Das Gelingen der neuen Agenda hängt davon ab, dass alle vorgeschlagenen 17 Ziele verabschiedet werden. Hinzukommen muss aber auch eine Einigung auf einen unabhängigen Mechanismus zur Überprüfung der Umsetzungsarbeit. Hier stehen sich im Moment noch unterschiedliche Ansätze gegenüber. Während die EU und ihre Mitgliedstaaten den Review-Mechanismus auf UN Ebene auch mit einem Monitoring und Rechenschaftspflichten sowie einer integrierten Überprüfung der Entwicklungsfinanzierung verbinden wollen, so sehen die G77 und China Rechenschaftspflichten und Überprüfung nicht als Gegenstand des Review-Mechanismus an.

Einigkeit besteht aber weitgehend über die Prinzipien, die den Review-Prozess leiten sollen: Universalität, nationale Verantwortung, Transparenz, Orientierung an Best-Practise-Beispielen und Erfahrungsaustausch, beweis- und datenbasiertes Vorgehen und Einbeziehung einer Vielzahl von relevanten Interessengruppen. Ein wesentlicher Aspekt ist in meine Augen aber auch, die Rolle der Parlamente bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu beleuchten. Bisher mag dieser Aspekt etwas zu kurz gekommen sein.

Erneuerung des Kyoto-Protokolls

Mit der alljährlichen internationalen Klimakonferenz endet im Dezember das Gipfeljahr 2015. Auch für diese Konferenz sind die Erwartungen hoch, denn es geht um die Erneuerung des Kyoto-Protokolls. Der jüngste Bericht des IPCC macht deutlich, wie dringend wir einen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern brauchen.

Jedoch geht es nicht nur um Vermeidung von Klimawandel, auch die Frage nach Anpassungsstrategien an die bereits eingetretenen Klimaschäden und Entschädigungsfragen brauchen glaubwürdige Antworten, zumal Entwicklungsländer in besonderem Maße von den schädlichen Klimafolgen betroffen sind, diese aber keine historische Verantwortung für den heutigen Klimawandel trifft.

Die drei UN-Konferenzen in diesem Jahr bieten eine historische Chance, um die richtigen Weichen für nachhaltige Entwicklung zu stellen. Wir dürfen sie nicht versäumen.