Davor hatten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier knapp drei Stunden debattiert. 360 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf (Drs. 18/5373) hinter dem neben Kerstin Griese, Eva Högl (SPD), Michael Brand, Michael Frieser, Claudia Lücking-Michel, Ansgar Heveling (alle CDU/CSU), Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak (beide Linke), Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe (beide Grüne) als Initiatorinnen und Initiatoren standen. Der Gesetzentwurf wurde damit beschlossen. Er verfolgt das Ziel, dass der assistierte Suizid nicht zu einer „gesundheitlichen Dienstleistung“ wird.

Video der gesamten Debatte

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Kein Geschäft mit dem Tod von Menschen

In der Debatte hatte Kerstin Griese noch einmal deutlich gemacht, dass eine gesetzliche Regelung notwendig sei, „weil es in Deutschland Vereine und Einzelpersonen gibt, die als ihr Hauptgeschäft die Selbsttötung fördern, unterstützen und durchführen.“ Es sei ein Erfolg der Debatte, wenn in Familien, Freundeskreisen und Vereinen darüber geredet werde, „wie wir über das Sterben denken und wie wir füreinander sorgen können“, sagte Griese. Ein Geschäft mit dem Tod von Menschen dürfe es nicht geben. Der Gesetzentwurf sei ein Weg der Mitte. Die grundsätzliche Rechtsordnung bleibe erhalten. Der Fall, indem ein Arzt im „ethisch begründeten Einzelfall dem Wunsch des Patienten nachkommt und ihm hilft, aus dem Leben zu scheiden bleibt straffrei“, betonte Griese. Unter den Begriff „geschäftsmäßig“ falle nicht die Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten, wie sie in der Hospizarbeit, der Palliativmedizin und der Behandlung von Schwerkranken stattfinde. „Die Anhörung und zahlreiche Stellungnahmen von Juristen, der Bundesärztekammer und den großen Hospiz- und Palliativverbänden haben klar gestellt, dass unser Gesetzentwurf keine Kriminalisierung von Ärzten bewirkt“. Der Staat könne und werde nie alle Facetten des Sterbens regeln können. „Aber wir können als Gesetzgeber klar machen, dass wir den assistierten Suizid als ärztliche Regelleistung oder als frei verfügbares Vereinsangebot nicht wollen“, unterstrich Griese.

Ärzte haben großen Spielraum und Patienten größtmögliche Selbstbestimmung

„Jeder Mensch kann frei entscheiden, sein Leben zu beenden“, sagte Eva Högl. Ärztinnen und Ärzte hätten einen großen Freiraum. Sie müssten den Willen der Patientinnen und Patienten berücksichtigen, und das täten sie auch: „Sie unterlassen Behandlungen, sie nehmen sie gar nicht erst auf. Sie müssen Behandlungen abbrechen, wenn der Patient das nicht mehr möchte, und sie dürfen sogar Behandlungen aufnehmen, die schneller zum Tod führen, als es ohne Behandlung der Fall wäre“, erläuterte Högl. Die Ärzte hätten einen großen Spielraum, und die Patientinnen und Patienten verfügten über eine größtmögliche Selbstbestimmung. „Genau das wollen wir alle erhalten“, stellte sie klar. „Der Beruf des Arztes ist nicht darauf ausgelegt, Menschen den Tod zu bringen“.

„Bis zuletzt gut leben und am Ende gut sterben, das steht im Mittelpunkt der Debatte“, sagte Andrea Nahles (SPD). Dafür sei vieles auf den Weg gebracht worden, wie die Verbesserung der Palliativ- und Hospizversorgung in dieser Woche. Wer als Arzt Leiden lindern will und im „Grenzfall seinem Gewissen folgt und Sterbehilfe leistet, fällt nicht unter das Kriterium der Geschäftsmäßigkeit“, machte Nahles deutlich. Sterbehilfe sei ein Grenzfall, und sie wolle nicht, dass dies zur gewöhnlichen Handlung werde. Sterbehilfevereine würden nachweislich auch Menschen beim Sterben helfen, die einsam seien oder nicht mehr weiter wüssten. „Diese Menschen brauchen Hilfe, aber keine Sterbehilfe“, betonte Nahles.

 

Was steht im Gesetzentwurf

Der Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (Drs. 18/5373) verfolgt das Ziel, dass der assistierte Suizid nicht zu einer „gesundheitlichen Dienstleistung“ wird.

Dadurch, dass zunehmend Einzelpersonen oder Vereine, die Beihilfe zur Selbsttötung durch die Bereitstellung oder Beschaffung eines tödlichen Medikaments regelmäßig anbieten würden, drohe eine gesellschaftliche „Normalisierung“ oder ein „Gewöhnungseffekt“ gegenüber organisierten Formen des assistierten Suizids, heißt es im Gesetzentwurf. Insbesondere alte und/oder kranke Menschen könnten sich gedrängt fühlen, von diesen Angeboten Gebrauch zu machen. Deshalb sollen auch nichtkommerzielle, aber geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte Handlungen strafrechtlich verboten werden. Dafür soll ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch eingeführt werden, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt.

Geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Suizidhilfe, die „im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird“, wird nicht kriminalisiert, unabhängig davon, ob die Suizidhelfer Angehörige, Ärztinnen und Ärzte oder andere Personen sind. Insbesondere sind individuelle ärztliche Entscheidungen am Lebensende auch weiterhin möglich. Ein vollständiges strafbewehrtes Verbot wird abgelehnt, weil es „politisch nicht gewollt“ und mit den „verfassungspolitischen Grundentscheidungen des Grundgesetzes kaum zu vereinbaren“ sei.

So sieht aktuell die rechtliche Situation in Deutschland aus:

Die passive Sterbehilfe (Sterbenlassen durch Unterlassen oder Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen) ist erlaubt, wenn sie dem erklärten Willen des Patienten entspricht.

Indirekte Sterbehilfe (Inkaufnahme eines verfrühten Todes aufgrund einer schmerzlindernden Behandlung im Einverständnis mit dem Betroffenen) ist zulässig.

Assistierter Suizid (Hilfe bei der Selbsttötung etwa durch Bereitstellen eines Mittels, das der Patient selbst zu sich nimmt) ist nicht verboten, kann aber strafbar sein als Mitwirkung an einem nicht freiverantwortlichen Suizid. Ein Strafbarkeitsrisiko besteht zum Beispiel, wenn der Arzt die Rettung eines handlungsunfähig gewordenen Sterbenden unterlässt.

Die aktive Sterbehilfe (Töten auf Verlangen zum Beispiel mithilfe einer tödlichen Substanz) ist als Tötung auf Verlangen strafbar. Sie ist weltweit nur in wenigen Ländern erlaubt, etwa in Belgien.

Anja Linnekugel