SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verwies in der Debatte darauf, dass Deutschland eine humanitäre Führungsrolle übernommen habe. Denn seit Monaten gebe es hier eine große Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen freundlich zu begegnen. „Aber viele Bürgerinnen und Bürger sind auch verunsichert, weil so viele Flüchtlinge in so kurzer Zeit kommen“, sagte Oppermann. Die Menschen glaubten zwar, dass 800.000 oder eine Million Menschen aufgenommen und integriert werden könnten, doch sie fragten sich, ob im nächsten Jahr wieder so viele Flüchtlinge kämen und wie unsere Gesellschaft dies verkraften werde. Diese Angst müsse ernst genommen werden.

Hilfe für Nachbarländer Syriens

Es komme jetzt darauf an, Fluchtursachen zu bekämpfen. Dazu müsse die Lage der Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens verbessert werden. Die Menschen lebten dort unter erbärmlichen Bedingungen und hätten keine Zukunftsperspektive. Der SPD-Fraktionschef begrüßte die Entscheidung des Treffens der europäischen Staats- und Regierungschefs, 1 Milliarde Euro für das Welternährungsprogramm und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zur Verfügung zu stellen, um den Nachbarländern Syriens zu helfen. Allerdings sei dies nicht ausreichend. Deshalb sei es notwendig, dass die USA und die Golfstaaten diese Summe verdoppelten, forderte Oppermann. Zudem müssten Russland und die USA gemeinsam mit den Europäern sowie den Regionalmächten im Nahen Osten Gespräche aufnehmen, um für Syrien eine Lösung zu finden, betonte Thomas Oppermann. Dabei werde man auch an Syriens Machthaber Baschar al-Assad nicht vorbeikommen.

Flüchtlinge in Europa fair verteilen

Ebenso zeigte sich der SPD-Fraktionschef zufrieden mit der Entscheidung des Europäischen Rats, die EU-Außengrenzen besser zu sichern und dort so genannte „Hotspots“ zur Registrierung der Flüchtlinge einzurichten. „Zudem müssen wir Möglichkeiten der legalen Zuwanderung schaffen. Diese muss klar begrenzt und definiert werden“, unterstrich Oppermann. Anders werde man nicht in der Lage sein, den Schleusern das Handwerk zu legen. Dass das Grundrecht auf Asyl weiterhin bestehen müsse, sei für ihn selbstverständlich.

Europa müsse seine Verpflichtung für Kriegsflüchtlinge aus der Genfer Konvention erfüllen. „Aber das geht nur, wenn die Flüchtlinge in ganz Europa fair verteilt werden“, machte Oppermann deutlich. Die am 22. September auf EU-Ebene beschlossene Verteilung von 120.000 Flüchtlingen sei ein erster Schritt. Doch es gebe noch immer EU-Staaten, die eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge ablehnten. Dabei hätten gerade diese osteuropäischen Staaten viel finanzielle Unterstützung erfahren. „Wer so viele Vorteile von der EU hat, der muss auch anpacken, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen, um eine humanitäre Krise abzuwenden“, forderte der SPD-Fraktionschef.

Finanzhilfe vom Bund muss Anzahl der Flüchtlinge entsprechen

Mit Blick auf das Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder äußerte Oppermann, dass die Finanzhilfe des Bundes zu Entlastung der Kommunen und der Länder der tatsächlichen Anzahl der Flüchtlinge entsprechen müsse und zwar auf Dauer. Es gehe um die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt. Als alternde Gesellschaft bestehe hier eine Chance für Deutschland. Der Forderung, den Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen erteilte Oppermann eine klare Absage. Denn dies sei ein Weg, der unsere Gesellschaft spalte.

Der SPD-Fraktionschef warnte davor, die Flüchtlinge aus Syrien pauschal als Islamisten hinzustellen. Die meisten von ihnen hätten „die Nase gestrichen voll“ von selbst ernannten Gotteskriegern. Damit dies so bleibe, müsse unbedingt alles dafür getan werden, „dass die radikalen Salafisten nicht die Betreuung der Flüchtlinge übernehmen“. So gesehen sei die Gastfreundschaft und gute Integrationspolitik auch eine Investition in die innere Sicherheit.

Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen

Bei der VN-Generalversammlung in New York an diesem Wochenende – dem zweiten Gegenstand der Debatte – sollen 17 nachhaltige Entwicklungsziele („Sustainable Development Goals“, SDG) als Kern der so genannten „Post 2015-Agenda“ beschlossen werden. Diese sollen die im Jahr 2000 beschlossenen Millenniumsentwicklungsziele („Millennium Development Goals“, MDG) ablösen. Zu den 17 Zielen gehören neben den entwicklungspolitischen Kernaufgaben Armutsbekämpfung und Ernährungssicherheit auch die Verbesserung von Hygiene und Gesundheitsversorgung, menschenwürdige Arbeit, der Zugang zu Bildung, Geschlechtergerechtigkeit und der Zugang zu bezahlbarer und nachhaltiger Energie. Es geht darum, die Ungleichheit „innerhalb und zwischen“ den Staaten zu verringern. Weitere Schwerpunkte sind die Bekämpfung des Klimawandels, der Schutz und die nachhaltige Nutzung von Landökosystemen und Meeren sowie der Erhalt der Artenvielfalt.

Der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats für Nachhaltige Entwicklung, Lars Castellucci (SPD) sieht darin ein globales Programm zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Er forderte ein, dass das nationale Nachhaltigkeitsprogramm auf die Strategie der Vereinten Nationen abgestimmt werden müsse.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Bärbel Kofler machte darauf aufmerksam, dass „wir unser Verhalten in unseren Handelsbeziehungen“ ändern müssten: „Wir brauchen verbindliche Standards in unseren Handelsverträgen mit unseren Partnern, mit denen wir Transparenz bei Rohstoffentnahmen, die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzrechten und Kernarbeitsnormen und das Verbot von Kinderarbeit einfordern“. Das müsse sanktionierbar und in all unseren Handelsverträgen verbindlich sein.

Der nachhaltigkeitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Träger, wies darauf hin, dass Deutschland bei den Umweltanstrengungen nicht nachlassen dürfe. So seien der Einsatz von Stickstoff und Phosphor nach wie vor eine ernsthafte Bedrohung für die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft, und auch bei der Luftverschmutzung durch Feinstaub müsse unser Land vorankommen.

Anja Linnekugel