Fuest: Finanzmarkt regulieren und mehr finanzpolitische Disziplin

Clemens Fuest betonte in seinem Statement den Zusammenhang von Finanzmärkten und Staatsfinanzen. Aktuelle beruhe das Finanzsystem auf der Annahme, dass Staatsanleihen kein Risiko hätten. Dies gelte aber nur für Staaten mit eigener Zentralbank, die nicht bankrott gehen könnten, also nicht für die Eurozone. Deshalb müsse man diesen Widerspruch auflösen. Entweder fiskalisch mit der Europäischen Zentralbank als „lender of last resort“ oder einem fiskalpolitischen europäischen Zentralstaat (zentrale Schuldenaufsicht). Alternativ könne der Finanzmarkt so umgebaut werden, dass er unsichere Staatsverschuldung (und damit möglicherweise Staatsbankrotte) aushalte. Dazu müsse jedoch der Finanzsektor viel stabiler werden, etwa durch mehr Eigenkapital und mehr Diversifizierung.

In Bezug auf die Rating-Agenturen verortete Fuest das Problem weniger bei Staatenratings als vielmehr bei Bankenratings. Das Verbot des Ratings von Krisenstaaten sei keine Lösung, aber man müsse Ratingurteile weniger wichtig machen. Eine öffentliche Ratingagentur sei keine grundsätzlich falsche Idee, aber sie müsse ihre Reputation wahrscheinlich durch harte Ratings erarbeiten.

Fuest plädierte zudem für mehr fiskalische Verantwortlichkeit. Einen Beitrag dazu könne ein parlamentarisches Budgetbüro leisten, das unabhängig sei und dem Parlament Expertisen in  Fragen der Finanzpolitik liefere. In anderen Staaten existierten diese Büros und unterstützten die Glaubwürdigkeit der Fiskalpolitik.

Horn: Austerität macht Staaten schwach

Wie zuvor auch Clemens Fuest wies Gustav Horn darauf hin, dass Finanzmärkte und Staatsfinanzen nicht isoliert betrachtet werden dürften. Der Staatssektor sei immer Teil des gesamtwirtschaftlichen Systems. Wer spare bräuchte immer einen Partner, der sich verschuldet. Es sei ein Problem der derzeitigen Situation, dass reale Investitionen weniger profitabel als Finanzinvestitionen seien. Um die Realwirtschaft zu stärken, müssten die Renditen der Finanzinvestitionen wieder unter diejenigen der Realinvestitionen fallen.
Horn unterstrich, dass im Euroraum der Euro für alle beteiligten Länder eine Auslandswährung sei, da es keine nationale Zentralbank gäbe. Es sei daher eine politische Entscheidung ob es eine prinzipielle Sicherung gegen einen Staatsbankrott gäbe oder nicht. Daneben gäbe es auch politische Grenzen von Verschuldung, nämlich die Akzeptanz von Verschuldung und Besteuerung. Allerdings würde die Politik (auch der Bundestag) politische Verantwortung für die Verschuldung zunehmend abgeben, in dem sie Regeln wie die Schuldenbremse oder den Fiskalpakt einführe. Eine Alternative zur Schuldenbremse sei das Modell eines Ausgabenpfads, der stets zu Beginn einer Legislatur festgelegt würde.

Horn plädierte dafür die Staatsverschuldung auf Dauer zurückzuführen. Dies solle aber in einer Weise geschehen, die die Gesamtwirtschaft nicht schädige. Austeritätspolitik hingegen mache die Länder schwach und verbaue ihnen Wege aus der Krise, wie sie z.B. Deutschland 2008 und 2009 unternommen habe. Horn mahnte zudem zu Vorsicht bei Schuldenschnitten einzelner Staaten, weil diese zu Zinserhöhungen bei anderen Staaten führen könnten. Besser sei ein Schuldentilgungsfond wie ihn der Sachverständigenrat vorgeschlagen hatte, allerdings mit einer verlängerten zeitlichen Perspektive.

Bulmahn: Finanzpolitik spiegelt Wertentscheidungen wider

In der anschließenden Diskussion lobte SPD-Sprecherin Edelgard Bulmahn die Tatsache, dass beide Sachverständige den politischen Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Finanzmärkte und der fiskalpolitischen Institutionen in der EU veranschaulicht hatten. Beide hätten klar gemacht, dass es politisch entschieden werden müsse, wie man diesbezügliche Widersprüche auflöst. Dies müsse aber auch für nationale Ebene gelten, auch dort würde Finanzpolitik von politischen Wertentscheidungen abhängen. Wer bestimmte Aufgaben öffentlich organisieren wolle, müsse die entsprechende Staatseinnahmen generieren. In der Vergangenheit wurde jedoch während des Aufschwungs die Verschuldung nicht zurückgeführt, weshalb die Schuldenstandsquote gestiegen sei.

Bulmahn, die auch Vorsitzende der zuständigen Projektgruppe 4 ist, sprach sich dafür aus die Überlegungen zu vertiefen ob und wie man eine öffentliche Ratingagentur organisieren könnte. Sie stellte unter anderem die Frage nach den Vorteilen eines Trennbankensystems (Fuest sprach sich eher für „Testamente“ von Banken als für eine Trennbankensystem aus) und der Meinung der Sachverständigen zum Vorschlag eines Altschuldentilgungsfonds für die Eurozone (Horn eher optimistisch, Fuest dagegen).
Die Anhörung brachte die Komplexität der Beziehung zwischen Finanzpolitik und Finanzmärkten gerade unter den besonderen Bedingungen einer Währungsunion zu Tage. Diese Erkenntnisse werden die weitere Arbeit der Projektgruppe „Nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik“ der Enquete-Kommission unterstützen.

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Hier finden Sie auch die Links zu den Vortragsunterlagen von Prof. Dr. Clemens Fuest und Prof. Dr. Gustav Horn.

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