Wenn Unterstützungen des Bundes nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedürftigkeit geleistet werden sollen, wenn das Ziel gleichwertiger Lebensbedingungen in Deutschland verfolgt werden soll, hängt das maßgeblich davon ab, wie die Bund-Länder-Finanzbeziehungen in Zukunft gestaltet werden. Darauf wies Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion bei der Konferenz hin. Rund 150 kommunale Mandatsträger und Interessierte diskutierten mit ihm und den Referenten Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg und Apostolos Tsalastras, Kämmerer der Stadt Oberhausen und Spitzenkandidat für die Wahl des Oberbürgermeisters.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann betonte eingangs in seiner Begrüßung, dass die SPD-Fraktion sich als ein Hauptziel gesetzt habe, den Kommunen Finanzkraft zurückzugeben. Gelebte Demokratie ließe sich kaum positiv vermitteln, wenn Kommunalpolitiker nur noch entscheiden könnten, wo als nächstes gekürzt werden müsse. Auch aus demokratietheoretischer Sicht habe der Bund also ein vitales Interesse an starken Kommunen. Daher sei bereits eine ganze Reihe von entlastenden Maßnahmen für die Kommunen getroffen worden. Als Beispiele nannte Oppermann die vollständige Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter durch den Bund, die jährliche Entlastung um 1 Milliarde Euro im Vorgriff auf die Entlastung bei der Eingliederungshilfe, die Aufstockung der Mittel für Kinderbetreuungseinrichtungen, Städtebauförderung sowie der Aufnahme von Flüchtlingen.

Modelle für den Soli

Vor dem Hintergrund des auslaufenden Länderfinanzausgleichs und Solidarpakts sowie dem Inkrafttreten der Schuldenbremse für die Länder von 2020 an müssen nun die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geregelt werden. Die wichtigsten Herausforderungen, für die Lösungen gefunden werden müssten, benannte Olaf Scholz: die Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung, weitere Unterstützung für die höchstverschuldeten Länder, aber auch die Belastung der Geberländer. Für die zukünftige Verwendung der Mittel aus dem Solidarbeitrag würden unterschiedliche Modelle diskutiert: Zinszahlungen für die Altschulden der Länder, Überweisung an die Länder im Rahmen der Einkommensteuer oder direkte Förderprogramme für bedürftige Kommunen. In jedem Fall sei die Neuordnung eine Riesenaufgabe. Scholz appellierte an alle Beteiligten, sich nicht auf unrealistische Forderungen zu versteifen, sondern einen klugen Kompromiss zu finden. Letztlich werde es darauf ankommen, dass kein Land schlechter dastehe als vorher.

Wie der Alltag einer überschuldeten Kommune aussieht, die durch einen strukturellen Wandel ein Drittel ihrer sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze verloren hat, berichtete schließlich Apostolos Tsalastras aus Oberhausen. Die Stadt könne nicht einmal mehr die Hälfte der nötigen Investitionen aufbringen, die sie für den Erhalt ihrer Infrastruktur bräuchte. Angesichts so enger Gestaltungsspielräume plädierte er für ein Investitionsprogramm, mit dem Kommunen unter die Arme gegriffen werde. Das 10- Milliarden-Investitionsprogramm sei im Hinblick auf einen Investitionsstau von 118 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichend.

Infrastruktur finanzieren

In der nachfolgenden Diskussion ging es auch um die Fragen der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung sowie der Bundesbeteiligung an Sozialausgaben. Vertreter von Kommunen forderten, dass der Bund z. B. an der Ausgabendynamik bei der Eingliederungshilfe beteiligt werden müsse, da sie sonst in fünf Jahren wieder vor demselben Problem stünden wie heute. Die Aufgaben im Bereich Asyl und Arbeitsmarkt seien den Kommunen vom Bund auferlegt worden, insofern müsse er auch die Kosten übernehmen. Zudem sei darauf zu achten, dass die Länder und Landkreise die Entlastungen durch den Bund an die Kommunen weiterreichten und nicht für ihre eigenen Haushaltslöcher nutzten, wie es z. T. bei den Mitteln für die Grundsicherung geschehen sei.

Bernhard Daldrup resümierte schließlich, dass selbst die einzelnen Teilbereiche des Projekts „Bund-Länder-Finanzbeziehungen“ noch erheblichen Klärungs- und Diskussionsbedarf aufwiesen. Bei einem solch komplexen Vorhaben, bei dem Konfliktlinien nicht nur zwischen Parteien, sondern auch zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen verliefen, könne man keine einfachen Lösungen erwarten. Die SPD-Bundestagsfraktion werde aber den Dialog mit den Kommunen zu diesem Thema weiter fortsetzen und darauf achten, dass ihre Perspektive in den Verhandlungen be-rücksichtigt werde.