Sieben Jahre nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union greift zum 1. Mai 2011 für acht mittel- und osteuropäische Länder die so genannte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn haben dann das uneingeschränkte Recht, auch in Deutschland zu arbeiten und zu leben. Bulgarien und Rumänien folgen Anfang 2014.
Diese Freiheit bietet große Chancen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa. Aber sie muss politisch begleitet werden, um allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland Schutz und Sicherheit zu bieten.
Lohn- und Sozialdumping verhindern
Wie sich die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf den deutschen Arbeitsmarkt konkret auswirken wird, ist noch weitgehend unklar. Erfahrungen aus anderen EU-Staaten, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht eingeschränkt hatten, zeigen allerdings, dass klare Regeln zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen wichtig sind, um Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden.
Da nach wie vor Einkommensunterschiede zwischen alten und neuen EU-Mitgliedsländern bestehen, dürften Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern grundsätzlich bereit sein, auch zu schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen in Deutschland zu arbeiten. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert daher klare Regelungen, um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
In einem aktuellen Antrag fordert die SPD-Fraktion konkrete Regelungen in den Bereichen Arbeitsbedingung und Entlohnung, Kontrolle, Mitbestimmung sowie Information und Beratung, um die Voraussetzungen für die Arbeitsnehmerfreizügigkeit ab Mai 2011 zu schaffen.
Um einer Ausweitung von unsicherer Beschäftigung und Niedriglöhnen vorzubeugen, muss die Maxime "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" durchgesetzt werden. Das ist auch deshalb besonders wichtig, um Lohn- und Sozialdumping vor allem in der grenzüberschreitenden Leiharbeit zu verhindern.
Außerdem verlangen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Alle Branchen müssen zudem in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden, damit Mindestlohntarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Nur so kann gewährleistet werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland bei uns zu den gleichen Mindestlöhnen beschäftigt werden wie ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll an zusätzliche Voraussetzungen wie die Einhaltung einer Lohnuntergrenze und der Trariftreue gebunden werden.
Mehr Mitbestimmung, bessere Beratung
Außerdem fordert die SPD, besser zu kontrollieren, ob beispielsweise Tarifverträge in Branchen eingehalten werden, die in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen wurden. Betriebsräte sollen ein Mitbestimmungsrecht bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen von entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhalten. Zudem sollen mehrsprachige Beratungsstellen für Arbeitsmigrantinnen und -migranten eingerichtet werden.
Eine soziale Fortschrittsklausel in der EU
Die Entsenderichtlinie der EU muss reformiert werden, damit sie wieder das leistet, was sie leisten soll: nämlich arbeitsrechtliche Mindeststandards festzulegen.
Schließlich fordern die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, eine soziale Fortschrittsklausel ins EU-Recht aufzunehmen. Eine solche Fortschrittsklausel muss verbindlich klarstellen, dass die Europäische Union nicht nur dem wirtschaftlichen, sondern auch dem sozialen Fortschritt verpflichtet ist - und dass soziale Grundrechte im Zweifel wichtiger sind als wirtschaftliche Grundfreiheiten.