„Wir sind in den letzten Jahren zwei kommunale Kernprobleme angegangen mit der Entlastung bei den Sozialausgaben und der Förderung von Investitionen“, sagte Bernhard Daldrup, Kommunalexperte der SPD-Fraktion. Daldrup weiter: „Aber wir wollen mehr Geld in Prävention stecken, und zwar gezielt in strukturschwachen Kommunen. Deshalb haben wir durchgesetzt, dass der Bund dort in Schulsanierungen investiert. Bei der Arbeitsmarktpolitik, vor allem für einen sozialen Arbeitsmarkt, bremst die Union seit Jahren. Dabei kann jeder ausrechnen, dass die Vermeidung sozialer Notlagen durch einen vorsorgenden Sozialstaat auch langfristig die Sozialausgaben senkt.“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann stellte mit Bezug auf den aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fest, dass der Befund sozialer Ungleichheit sich auch in der räumlichen Dimension widerspiegele. Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen dürfe nicht weiter auseinandergehen: „Es darf nicht von meinem Wohnort abhängen, welche Lebenschancen ich habe. Der Bund hat laut Verfassung den Auftrag, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.“ Der vorsorgende Sozialstaat sei insbesondere dort gefragt, wo sich Problemlagen ballten. Neben der finanziellen Unterstützung müsse aber auch gefragt werden, was sich strukturell ändern müsse.
Die kommunalen Projekte aus Kiel, Mannheim, Passau, Gelsenkirchen und Leipzig, die sich bei der Konferenz vorstellten, zeigten beispielhaft, wie vielfältig und gezielt Kommunen den vorsorgenden Sozialstaat gestalten. Mit einer genauen sozialräumlichen Analyse werden Bildungschancen teilweise straßenzugsgenau ermittelt; kommunale Präventionsketten gibt es mittlerweile in vielen Gemeinden. Sie setzen bereits während der Schwangerschaft an und wollen Chancengleichheit von Anfang an ermöglichen. Sie begleiten Menschen auch bei den Übergängen auf der Bildungsleiter bis zum Berufseinstieg.
Problem der strukturellen Unterfinanzierung
Bestimmte Maßnahmen aber, so schilderte es der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, könne er nicht umsetzen, obwohl die Erfahrung zeige, dass sie richtig wären. Hauptproblem sei einerseits eine strukturelle Unterfinanzierung. Gerade in der Arbeitsmarktpolitik gebe es aber auch Bedarf, umzudenken.
Der Arbeitsmarktexperte Stefan Sell regte an, das derzeitige Förderrecht für den sozialen Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Notwendig seien Instrumente von der therapeutischen Arbeitsgelegenheit bis hin zu Lohnkostenzuschüssen im ersten Arbeitsmarkt. Sell und Kämpfer betonten die sehr unterschiedlichen individuellen Problemlagen bei Langzeitarbeitslosen, denen man mit zu engen Vorgaben in Förderprogrammen nicht gerecht werden könne.
Präventionsketten aufbauen
Eine langfristige Strategie, die schon in frühester Kindheit ansetzt, präsentierte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. „Kein Kind zurücklassen“ heißt das Vorsorge-Programm, das in NRW bereits deutliche Erfolge zeigt. Es unterstützt Kommunen dabei, Präventionsketten aufzubauen. Besonders hob Hannelore Kraft hervor, dass althergebrachte „Komm-Strukturen“ durch nachweislich erfolgreichere „Hol-Strukturen“ ersetzt worden seien. Eine aktive Begleitung benachteiligter Kinder habe z. B. in Arnsberg zu einer klaren Verbesserung bei Schulabschlüssen, der Zahl der Gymnasiasten, der Verringerung von Inobhutnahmen durch das Jugendamt, Hilfen zur Erziehung und der Sprachdefizite bei Kindern geführt.
Eine ähnliche Strategie verfolgt die Stadt Mannheim, erläuterte die stellvertretende Bürgermeisterin Ulrike Freundlieb. Mannheim habe zunächst einen kleinräumlichen Bildungsbericht erstellt und alle Maßnahmen kritisch evaluiert. Was sich als wirkungslos erwies, wurde eingemottet. Zudem habe es eine grundlegende Neuausrichtung der Verwaltung gegeben, die nur gelingen könne, wenn sie vor Ort zur Chefsache gemacht werde.
Hier sind Fotos der Konferenz zu finden:
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