Die SPD-Bundestagsfraktion fordert, die Straffreiheit bei Selbstanzeige einer vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung abzuschaffen. Die jüngste Welle von Selbstanzeigen ist weder Ausdruck einer geänderten Mentalität der deutschen Steuerpflichtigen noch ein Beleg für die Wirksamkeit des Paragraphen 371 der Abgabenordnung. Sie ist vielmehr das Ergebnis ei­nes gesetzlichen Fehlanreizes, erklärt Martin Gerster.

 

Mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung der Abgabenordnung (AO) fordert die SPD-Bundestagsfraktion, die Straffreiheit bei Selbstanzeige einer vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung abzuschaffen. Die Rechtsänderung soll erst zum Jahresbeginn 2011 in Kraft treten, um Tätern eine letzte Frist für eine straffreie Rückkehr zur Steuerehrlichkeit einzuräumen.

 

Die Zahl der Selbstanzeigen nach Paragraph 371 AO in Folge der den Finanz- und Strafverfolgungsbehörden von Dritten angebotenen Informationen über mögliche Steuerhinterzieher ist mittlerweile auf mehr als 16.000 gestiegen. Zwar ist die heimliche Freude der Finanzminister von Bund und Ländern über die unerwarteten Mehreinnahmen gerade bei der jetzigen Haushaltslage nachvollziehbar. Tatsache aber bleibt, dass sie auf die ihnen zustehenden Steuern Jahre, mitunter sogar Jahrzehnte warten mussten.

 

Die jüngste Welle von Selbstanzeigen ist weder Ausdruck einer geänderten Mentalität der deutschen Steuerpflichtigen noch ein Beleg für die Wirksamkeit des Paragraphen 371 AO. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines gesetzlichen Fehlanreizes. In der steuerlichen Praxis ist es zur wesentlichen Prämisse von Steuerhinterziehung geworden, dass der Staat bei nachträglicher Steuerentrichtung auf eine Bestrafung verzichtet. Diese Entwicklung stößt selbst bei Vertretern von CDU/CSU und FDP auf Ablehnung.

 

Peer Steinbrück hat mit der deutsch-französischen Initiative im Herbst 2008 den internationalen Paradigmenwechsel im Umgang mit den Steueroasen in aller Welt eingeleitet. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist nachdrücklich aufgefordert, seine Anstrengungen zur Bekämpfung der Steuerkriminalität auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene entschlossen fortzusetzen. Mit jeder weiteren Verbesserung der Ermittlungsmöglichkeiten der deutschen Finanzbehörden im In- und Ausland steigen die Chancen, Steuerstraftaten aufzuklären und die Täter zu überführen. Zugleich stellt sich immer drängender die Frage, mit welcher Berechtigung der deutsche Gesetzgeber am Paragraphen 371 AO festhält.