SPIEGEL: Die Bundesregierung will die Länder der Euro-Zone durch Abgeordnete des Europaparlaments kontrollieren lassen. Was haben Sie dagegen?

Roth: Bislang ist die Euro-Zone eine reine Regierungsveranstaltung. Deshalb ist es richtig, die Europaabgeordneten zu beteiligen. Das reicht aber nicht. Wir brauchen ein Parlament für die Euro-Zone, in dem die Hälfte der Abgeordneten aus den nationalen Volksvertretungen kommt.

SPIEGEL: Sie trauen Ihren Kollegen in Straßburg nicht?

Roth: Doch, aber die Währungsunion muss zwingend um eine Wirtschaftsund Sozialunion ergänzt werden. Die Zuständigkeiten beispielsweise für Beschäftigung oder Gesundheitsversorgung wandern ja nicht komplett nach Brüssel, sondern sollen von der EU und den Mitgliedstaaten gemeinsam wahrgenommen werden. Und solange Gelder für die Bürgschaften und Hilfspakete in erster Linie aus nationalen Steuergeldern bezahlt werden, ist es undenkbar, dass allein das Europäische Parlament entscheidet. Die Alternative lautet nicht: nationale Abgeordnete gegen europäische Abgeordnete, Es geht darum, ob wir ein Europa der Parlamente wollen oder ob die Räte der Staats- und Regierungschefs allein Bestimmen. Ich bin jedenfalls gegen eine Räterepublik a la Merkel.

SPIEGEL: Worüber sollte ein Euro-Parlament entscheiden?

Roth: Es sollte aus der Mitte der EU-Kommission einen europäischen Finanzminister wählen, der die Haushalte der EU-Länder überwacht. Es sollte die politischen Leitlinien für die Etats in den Mitgliedstaaten festlegen. Das Parlament könnte zum Beispiel bestimmen, in welchem Korridor sich die Besteuerung von Unternehmen bewegen muss. Und es müsste für den Fall Sanktionen definieren, wenn ein Land gegen die Schuldenregeln verstößt.

SPIEGEL: Das heißt, Sanktionen wären wieder dem politischen Spiel überlassen.

Roth: Politik ist ja nichts Schlimmes. Wenn wir so massive Eingriffe in die Rechte der Nationalstaaten wollen, dann müssen wir sie demokratisch legitimieren.