Der frühere US-Geheimdienstspezialist Edward Snowden hat auch in Deutschland Asyl beantragt. Wie sollte sich die Bundesregierung verhalten, was rät der ehemalige Außenminister?

Der Asylantrag ist aus meiner Sicht ein Nebenaspekt, solange Herr Snowden sich nicht in Richtung Deutschland bewegt. Sollte er nicht in den anderen Staaten, in denen er auch Asyl beantragt hat, Aufenthalt suchen sondern in Deutschland, dann wird sein Asylantrag hier entsprechend geprüft. Viel mehr Sorgen muss uns aber der Vorfall an sich machen. Die Abhörmaßnahmen der Amerikaner und Briten übersteigen alle unsere Vorstellungen. Hier ist das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit völlig außer Kontrolle geraten.

Sehen Sie das Verhältnis von Europa und den USA belastet?

Die Abhörmaßnahmen gegenüber offiziellen Einrichtungen der europäischen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission sind in der Tat eine Belastung. Das sind Methoden, die sich im 21. Jahrhundert unter Verbündeten nicht mehr gehören. Geradezu hilflos ist es, wenn sich der Innenminister dieses Landes eine öffentliche Debatte mit dem Hinweis verbittet, jedes öffentliche Wort dazu sei ein Ausdruck von Antiamerikanismus. Es spricht auch Bände für den Zustand dieser Bundesregierung, dass Frau Merkel nur ihren Regierungssprecher vorschickt und im übrigen schweigt.

Was ist nötig?

Wir brauchen ein klares Signal aus den USA. Als erstes müssen sämtliche Abhörmaßnahmen gegenüber den europäischen Botschaften und den Einrichtungen der europäischen Kommission beendet werden. Als zweites muss schnellstmöglich Transparenz über den Umfang der Abhörmaßnahmen hergestellt werden. Wir brauchen volle Informationen über das Volumen der abhörten Daten wie auch über den Zweck der Abhörmaßnahmen. Die Amerikaner müssen bereit sein, mit den Europäern über das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit zu reden.

Glauben Sie an die Bereitschaft der Amerikaner zur Herstellung von Transparenz?

Präsident Obama hat jedenfalls signalisiert, dass er mit den Europäern über das Thema sprechen will. Ob das auch die Bereitschaft zur Herstellung von Transparenz ist, wie wir sie fordern, werden wir sehen.