Häuserkampf im Gazastreifen: Die israelische Offensive weitet sich aus. Welche Chance geben Sie der aktuellen Vermittlungsmission des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon?
Thomas Oppermann: Trotz der wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den israelischen Streitkräften und der Hamas in den letzten Jahren darf die internationale Gemeinschaft vor der aktuellen Katastrophe nicht die Augen verschließen. Es ist bedauerlich, dass die radikalislamische Hamas im Gazastreifen nicht Willens ist, einen Waffenstillstand einzuhalten. Die andauernde Eskalation der Gewalt ist angesichts der hochgradigen Instabilität im Nahen Osten eine äußerst gefährliche Entwicklung, die ich mit Sorge verfolge.
Ägypten hat bereits mehrfach erfolgreich zwischen Israel und der Hamas moderiert und könnte erneut Mittler sein. Ein Zeichen für die Ohnmacht der westlichen Welt?
Es muss darum gehen, möglichst viele Akteure der Region in die Beilegung des Konfliktes einzubeziehen. Nur so kann es eine Chance auf Verhandlungen und Frieden geben. Dies ist ja auch das erklärte Ziel der aktuellen Vermittlungsmission von Ban Ki Moon.
Die USA haben sich kritisch zu Israels Offensive geäußert und 47 Millionen Dollar Hilfe für das Palästinensergebiet angekündigt. Droht Israel in Isolation zu geraten?
Mit militärischen Mitteln wird Israel den Frieden mit seinen Nachbarn nicht erreichen, das geht nur über politische Verhandlungen. Vordringlich sind jetzt eine schnelle Waffenruhe und die Abwendung einer humanitären Katastrophe in Gaza. Die amerikanische Initiative hat das Ziel, das Leid der Zivilbevölkerung im Gasastreifen zu lindern. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.
Israels Botschafter ist unterdessen empört über antisemitische Äußerungen bei Pro-Gaza-Demonstrationen. Teilen Sie seine Sorge?
Die öffentlichen antisemitischen Entgleisungen, von denen ich in den letzten Tagen gehört habe, sind absolut indiskutabel. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass wieder antisemitische Parolen auf unseren Straßen skandiert werden. Hier ist es Aufgabe aller Demokraten, dem entschieden entgegen zu treten.
Anderes Thema: Selbst in der Union herrscht Streit um das Maut-Konzept von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Wird sein Plan vom Tisch gefegt?
Die Maut ist ein Wunschprojekt der CSU. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist eine Maut für Autobahnen verabredet, die europarechts-konform ist und deutsche Autofahrer nicht stärker belastet. An diese Maßgaben fühlen wir uns gebunden. Der CSU-Vorsitzende Seehofer und Verkehrsminister Dobrindt sind gut beraten, die sachlich vorgetragene Kritik aus der eigenen Partei ernst zu nehmen.
Sollten Grenz-Landkreise zu Maut-freie Zonen werden? Eine solche Sonderregel träfe auch unsere Region mit ihren engen Beziehungen zu den Niederlanden, wo sich Protest gegen ein Eintrittsgeld für Deutschland regt…
Die positiven Wirkungen der deutsch-niederländischen Nachbarschaft und des regen wirtschaftlichen Austausches in beiden Richtungen sind uns in der SPD-Bundestagsfraktion sehr bewusst. Verkehrsminister Dobrindt sollte sich mit den Bürgermeistern und Landräten in allen deutschen Grenzregionen, aber auch mit den Innenministern der Länder gründlich auseinanderzusetzen. Deren Bedenken muss der Minister bei seinem Gesetzentwurf zur Maut ausräumen.
Wäre es nicht angezeigt, angesichts weiter ausufernder Bürokratie den Maut-Plan zu begraben?
Ich erwarte eine Lösung, bei der der bürokratische Aufwand minimal ist und die deutschen Autofahrer auch an dieser Stelle nicht über Gebühr belastet werden.
Nach Aussage von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fehlt auch das Personal, um durch Nachbesserung von 50 Millionen Kfz-Bescheiden deutschen Autofahrern die Maut zurückzugeben…
Wenn Herr Schäuble solche Bedenken äußert, ist Herr Dobrindt gut beraten, dies bei der Erarbeitung seines Gesetzentwurfes zu berücksichtigen.
Zum Schluss: Die Staatsanwaltschaft Hannover will den früheren SPD-Politiker Sebastian Edathy vor Gericht bringen und startet damit die juristische Aufarbeitung der Kinderporno-Affäre. Wie will die SPD den Fall aufarbeiten?
Sebastian Edathy hat sein Bundestagsmandat niedergelegt. Das war die richtige Entscheidung. Zu welchem Ergebnis das Parteiordnungsverfahren gegen Sebastian Edathy kommt, wird sich zeigen. Ich werde laufende Verfahren nicht weiter kommentieren.
Im Fall Sarrazin ist die SPD damit schon einmal gescheitert....
Diese beiden Fälle lassen sich nicht miteinander vergleichen. Mit dem Parteiordnungsverfahren befasst sich momentan die Schiedskommission des SPD-Bezirks Hannover. Ich bin mir sicher, dass das Verfahren dort seinen geordneten Gang gehen wird.
Haben Sie Kontakt zu Edathy?
Nein.
Edathy soll sich bis zum 15. August zur Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover erklären. Wird sein Fall ein Sommerloch-Thema, das der SPD Schaden bringt?
Das sehe ich nicht. Der Fall Edathy hat die SPD in der Vergangenheit belastet, doch dies ist inzwischen ausgestanden.