Sieben Jahre nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union greift zum 1. Mai 2011 für acht mittel- und osteuropäische Länder die so genannte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn haben dann das uneingeschränkte Recht, auch in Deutschland zu arbeiten und zu leben. Bulgarien und Rumänien folgen Anfang 2014.

„Wir freuen uns auf den 1.5.,“ sagte Kramme am Donnerstag in der Debatte zur abschließenden Beratung des von der SPD eingebrachten Mindestlohngesetzes – auch weil mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit ein „ein klein wenig eiserner Vorhang weggeräumt“ wird. Allerdings dürften die Folgen für den Arbeitsmarkt nicht völlig ausgeblendet werden.

Rede von Anette Kramme MdB, arbeitsmarktpolitische Sprecherin, vom 14.04.2011

Lohn- und Sozialdumping verhindern

Wie sich die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf den deutschen Arbeitsmarkt konkret auswirken wird, ist noch weitgehend unklar. Erfahrungen aus anderen EU-Staaten, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht eingeschränkt hatten, zeigen allerdings, dass klare Regeln zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen wichtig sind, um Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden.

Deutschland ist aus Sicht der SPD-Fraktion auf die neuen Regelungen nicht ausreichend vorbereitet. „Wir haben keinen generellen Mindestlohn, der für zugewanderte und entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen gelten würde. Möglicherweise gilt nicht einmal die Schranke der Sittenwidrigkeit,“ sagte Kramme. Der auf Druck der SPD eingeführte Mindestlohn in der Leiharbeit werde möglicherweise durch Dienst- und Werkverträge umgangen – zu Lohnbedingungen der Herkunftsländer. Auch bestünde die Gefahr, „dass die beschränkten Mindestlohnregelungen, die wir in Deutschland haben, durch Scheinselbständigkeit oder durch falsche Tätigkeitsbezeichnungen umgangen werden.“

Schwarz-Gelb bleibt untätig

Heftige Kritik übten die Rednerinnen und Redner der SPD an der schwarz-gelben Bundesregierung.  SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sagte, wo Tarifverträge fehlten oder die Gewerkschaften nicht stark genug seien, müsse sich der Staat einmischen, „weil wir dafür zuständig sind, dass Menschen von ihrer Arbeit in Deutschland immer leben können, egal ob es einen Tarifvertrag gibt oder nicht.“ Union und FDP warf Gabriel vor, die Tarifvertragsfreiheit aufs Spiel gesetzt zu haben.

Rede von Sigmar Gabriel MdB, Vorsitzender der SPD, vom 14.04.2011
 

Anette Kramme erinnerte an die Verhandlungen zur Reform der Grundsicherung. Hier hatte die SPD versucht, mit Union und FDP einen generellen Mindestlohn sowie den Grundsatz der Lohngleichheit für Leiharbeitskräfte und Stammbelegschaften zu vereinbaren, was allerdings am Widerstand von Schwarz-Gelb gescheitert war.

Regeln notwendig

Kramme nannte vor allem folgende „Regelungen, die wir ganz zwingend benötigen“: den gesetzlichen Mindestohn, die Verankerung des Grundsatzes „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Leiharbeit, wirksame Sanktionsregeln zur Durchsetzung und Kontrolle des eingeführten Mindestlohns in der Leiharbeit, eine angemessene Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie eine umfassende Information und Beratung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den osteuropäischen Ländern.

„Wir werden mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun haben, die schlechte Kenntnisse über das Rechtssystem in Deutschland haben“, so Kramme. „Was wir nicht zulassen können ist, dass diese Menschen in Deutschland ausgenutzt und ausgebeutet werden.“

  

  

  

Union und FDP lehnen Mindestlohngesetz der SPD ab      

Der von der SPD eingebrachte Entwurf eines Mindestlohngesetzes sieht die Einführung eines allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohns vor, der bei Vollzeitbeschäftigung ein existenzsicherndes Einkommen gewährleistet. Die absolute Untergrenze soll bei 8,50 Euro pro Stunde liegen. Darüber hinaus schlägt die SPD einen Mechanismus vor, der es erlaubt, die Höhe des Mindestlohns jährlich durch Rechtsverordnung nach oben anzupassen.

Mit den Stimmen von Union und FDP hat der Bundestag den Gesetzentwurf am Donnerstag abgelehnt.