Ein Jahr lang wurde in Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung kontrovers über Paragraf 371 Abgabenordnung diskutiert. Die SPD forderte seine Abschaffung, die Union die Offenlegung aller begangenen Steuerstraftaten und die Länder schlugen zahlreiche Änderungen vor, während FDP und Bundesregierung kaum verhohlen die Notwendigkeit einer Verschärfung der geltenden Rechtslage verneinten. Die jetzt beschlossene Regelung überdeckt notdürftig die gegensätzlichen Standpunkte der Koalitionsfraktionen.

Ihren Streit über die Neuregelung, namentlich den Strafzuschlag, trugen die Koalitionäre in der Öffentlichkeit aus. Damit letztlich niemand als Verlierer dasteht, musste - ungeachtet der gravierenden fachlichen Kritik der Sachverständigen am Gesetzentwurf - nach der Anhörung des Finanzausschusses ein politisch tragbarer Kompromiss gefunden werden. Der von CDU/CSU medienwirksam propagierte Anspruch auf vollständige Rückkehr der Straftäter in die Steuerehrlichkeit wurde dabei aufgegeben. Abgeschafft wird die Straffreiheit für Steuerhinterziehungen über 50.000 Euro. Der Straftäter hat es in diesen Fällen künftig aber selbst in der Hand, die Strafverfolgung durch die „freiwillige" Zahlung eines fünfprozentigen Zuschlages auf die geschuldete Steuer zu verhindern. Vermögende Steuerhinterzieher können sich ihre Straffreiheit somit erkaufen.

Entscheidende fachliche Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfs, auf die die Sachverständigen im Zuge der Beratungen frühzeitig und nachdrücklich hinwiesen, wurden nicht korrigiert. Diese Defizite werden die künftige Arbeit der Steuerbehörden erheblich erschweren und schaden letztlich der angestrebten Rechtssicherheit. Wenn die schwarz-gelbe Koalition es ernst meinte mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, müsste sie konsequenterweise die Vorschläge der SPD zur Erhöhung des Entdeckungsrisikos aufgreifen und das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige nach einer kurzen Übergangsfrist abschaffen.

Schwarz-Gelb bremst Beratung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz

Zusätzlich haben wir die Regierung mit einem Entschließungsantrag aufgefordert, das 2010 revidierte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz dem Deutschen Bundestag zur Entscheidung vorzulegen. Die Regierungsfraktionen haben dies abgeleht, so dass der deutsche Fiskus auf einen steuerlichen Informationsaustausch mit der Schweiz nach dem Standard des Artikels 26 OECD-Musterabkommen weiterhin warten muss.

Bereits im Oktober 2010 unterzeichneten die Regierungen beider Staaten die völkerrechtliche Vereinbarung. Die zum Inkrafttreten notwendige Ratifizierung sollte - so ausdrücklich das Revisionsprotokoll – „so bald wie möglich" erfolgen. Doch die Regierungen nehmen diese Selbstverpflichtung erkennbar nicht ernst. Auf Seiten der Schweiz dürfte die Verzögerung auf die öffentliche Kritik zurückzuführen sein, die innerstaatlich an der Unterzeichnung des Abkommens vor einer Einigung mit Deutschland über eine sogenannte „Altfallregelung" geübt wurde. Die Schweizer Banken sind unverändert nicht gewillt, die deutschen Steuerbehörden bei der Sachverhaltsermittlung bisheriger Steuerhinterziehungen zu unterstützen. Deshalb verhandeln Vertreter der beiden Staaten seit Jahresbeginn über eine pauschale Abgeltung der deutschen Steueransprüche.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat gegenüber der Bundesregierung gravierende verfassungs-rechtliche Bedenken gegen eine solche Amnestieregelung exklusiv für Schwarzgeldanlagen in der Schweiz geltend gemacht. Von Bundesfinanzminister Schäuble wurden diese Warnungen bisher ignoriert. Und die Koalitionsfraktionen lehnten heute auch den Antrag der SPD ab, der die deutsche Regierung auffordert, im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit der Schweiz über die Zusammenarbeit im Steuerbereich keiner Regelung zuzustimmen, die an eine Straffreiheit bei Steuerhinterziehung geringere Anforderungen stellt als der heute geänderte Paragraph 371 Abgabenordnung.