Der Bundestag hat am 24. April dem Völkermord an den Armeniern gedacht. Aus diesem Anlass hat die Koalition einen Antrag in das Parlament eingebracht, der die Bundesregierung auffordert, sich für die Aufarbeitung der Verbrechen an den Armeniern und die Versöhnung Armeniens und der Türkei einzusetzen.
„Am heutigen 24. April, dem hundertsten Jahrestag des Beginns der Vertreibung der und den Massakern an den im osmanischen Reich lebenden Armeniern, verneigen wir uns vor den Opfern und wir trauern mit ihren Nachkommen“, sagte der Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der östlichen Partnerschaft, Gernot Erler (SPD). „Im gleichen Atemzug bekennen wir uns auch zur deutschen Mitverantwortung für das Geschehene. Und Mitverantwortung heißt hier auch historische Mitschuld.“ Denn die deutsche Reichsregierung habe mit Rücksicht auf die Türkei als Weltkriegsverbündeter „keinerlei Einwände gegen die genozidale Vertreibungspolitik geltend gemacht, sondern ihr durch Wegschauen und Stillschweigen Deckung verschafft“, unterstrich Erler. Der Gedenktag mahne, sich um eine bessere Zukunft zu bemühen. Deshalb müsse das „Ringen um die Völkermordfrage in einen auf armenischer und türkischer Seite ehrlich geführten Versöhnungsprozess münden“.
Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Schwabe, sagte: „Wir können niemandem das Leben zurückgeben, aber wir können versuchen, ein Stück der Würde zurückzugeben und vielleicht auch eine Chance für die Familien und das armenische Volk eröffnen, das Erlittene zu verarbeiten“. Es gehe nicht um individuelle Schuld, sondern um die Gesamtverantwortung der Türkei gegenüber den Armeniern. Und deshalb sei es gut, nach intensiver Debatte den Völkermord zu benennen.
Dietmar Nietan, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss für die SPD-Fraktion, stellte klar, dass die Benennung des Völkermordes durch alle vier Fraktionen im Bundestag nicht dazu diene, „Hass zu säen oder ein befreundetes Land wie die Türkei belehren oder gar beleidigen zu wollen. Vielmehr wollen wir heute deutlich machen, dass wir uns nicht dazu herbeilassen wollen, die Erinnerung an die Opfer zu verdunkeln“, betonte er. Den Völkermord auszusprechen, sei notwendig, „weil die Wahrheit die Grundlage der Versöhnung sein muss.“
Ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen (Drs. 18/4684) weist darauf hin, dass im Auftrag des damaligen jungtürkischen Regimes am 24. April 1915 im osmanischen Konstantinopel die planmäßige Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischer Armenier begann. Ihr Schicksal steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen und der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist.
Mit dem Antrag erinnern die Koalitionsfraktionen nicht nur an das Schicksal der Armenier, sondern würdigen darüber hinaus die Initiativen und Beitrage in den Bereichen von Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur auch in der Türkei. Diese haben über die Aufarbeitung der Verbrechen an den Armeniern hinaus die Versöhnung zwischen Armeniern und Türken zum Ziel.
Deutschland hat nicht zuletzt aufgrund der unrühmlichen Rolle des Deutschen Reiches im Zusammenhang mit der Vertreibung und Ermordung von Armeniern eine besondere Verantwortung. Daher setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür ein, dass die Bundesregierung sich weiterhin politisch engagiert. Nur so kann der stagnierende Prozess der historischen Aufarbeitung zwischen der Türkei und Armenien wieder in Gang kommen. Das ist Voraussetzung für eine Annäherung, Versöhnung und Verzeihen zwischen beiden Völkern. Das liegt nicht nur im deutschen und europäischen Interesse. Vor allem liegt es im Interesse der Menschen beider Länder.
Die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion wollen mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass die seit 2005 unternommenen Versuche der Annäherung von türkischer und armenischer Seite wieder aufgenommen werden. Sie fordern die Bundesregierung dazu auf, auch weiterhin den Prozess der Annäherung und Aussöhnung zwischen beiden Ländern trotz aller Hindernisse zu unterstützen.