Augenblicklich sind in Deutschland Menschen mit Behinderungen, die in allen Angelegenheiten einen Betreuer oder eine Betreuerin haben, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Gleiches trifft auf Menschen zu, die aufgrund strafrechtlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Das ist nach geltenden menschenrechtlichen Standards nicht zu rechtfertigen und verstößt gegen Ziele der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die seit 2009 auch in Deutschland geltendes Recht ist. Darin ist vorgesehen, dass Menschen mit Behinderungen ihre politischen Rechte gleichberechtigt mit anderen wahrnehmen können. Außerdem werden die Vertragsstaaten verpflichtet, Menschen mit Behinderungen im Bedarfsfall und auf Wunsch zu erlauben, sich durch eine Person bei der Stimmabgabe unterstützen zu lassen.
Wenn Menschen mit Behinderung rundum betreut werden, lässt das noch lange keine Rückschlüsse auf ihre tatsächliche Einsichts- und Wahlfähigkeit zu. Und bei Menschen, die aus strafrechtlichen Gründen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht sind, bezieht sich die Schuldunfähigkeit auf den Zeitpunkt der Tat. Zudem verlieren Menschen, die mit gleichem Krankheitsbild in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht sind, ohne straffällig geworden zu sein, ihr Wahlrecht nicht. Auch Menschen, die sich in Sicherungsverwahrung befinden, dürfen wählen. Deshalb fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung in einem Antrag (Drs. 17/12380) auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Menschen mit Behinderungen, die in allen Angelegenheiten betreut werden, und Menschen, die aufgrund strafrechtlicher Anordnung in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht sind, nicht mehr von Bundestags- und Europawahlen auszuschließen.
Eine weitere Personengruppe ist bei Wahlen benachteiligt – die Analphabeten. In Deutschland leben etwa 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, die von funktionalem Analphabetismus betroffen sind. Davon können zwei Millionen nur einzelne Wörter lesen und schreiben. Sie haben zwar das Wahlrecht, können es aber häufig ohne fremde Hilfe nicht eigenständig ausüben. Ihnen das Wählen zu erleichtern, ist auch Ziel des Antrages. Deshalb sollen bei künftigen Wahlen zum Bundestag und zum Europäischen Parlament die Stimmzettel neu gestaltet werden. Neben dem Namen des Kandidaten oder der Kandidatin soll ergänzend sein beziehungsweise ihr Bild abgedruckt werden und neben dem Namen der Partei das Parteisymbol.
Außerdem fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, unverzüglich die in ihrem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossene Studie zur aktiven und passiven Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Wahlen zum Abschluss zu bringen und die von ihr angekündigten Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Partizipation vorzulegen.