Noch heute leiden Hundertausende unter den Folgen der Reaktorkatastrophe. Weite Landschaften in der Ukraine, Weißrussland und Teilen Russlands sind bis heute belastet. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): „Tschernobyl gab denjenigen Recht, die lange vorher vor der Atomkraft gewarnt hatten“. Hendricks dankte der Anti-Atomkraftbewegung ausdrücklich. Dass es bis Fukushima dauerte, bis alle Bundestagsfraktionen vom Atomausstieg überzeugt waren, sei bekannt. Doch trotz des deutschen Atomausstiegs blieben die Risiken. Radioaktivität mache an den Grenzen nicht halt, stellte Hendricks dar. Besondere Sorgen bereiteten die Atomkraftwerke in Belgien. „Ich erwarte, dass die Nachbarländer die Sorgen der Menschen in den Grenzgebieten ernstnehmen und für ein höchstes Sicherheitsniveau sorgen“, unterstrich die Ministerin.

Die Bundestagsdebatte über die Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima werde in den Ländern als Zeichen der deutschen Solidarität verstanden, betonte der SPD-Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek. Mehr als 200 Veranstaltungen in Europa und das ehrenamtliche Engagement zeigten: „Europa hat Tschernobyl nicht vergessen.“ Angesichts der politischen Schwierigkeiten in der Region mache die Zivilgesellschaft deutlich, dass sie für ein Europa sei, in dem man für einander einstehe.

„Die weiter bestehenden Probleme in Fukushima zeigen, dass die Risiken der Atomenergie nicht in den Griff zu bekommen sind“, beteuerte Marco Bülow, Umweltpolitiker der SPD-Fraktion. Erst ein europa- und weltweiter Ausstieg aus der Atomenergie bringe Sicherheit, das sollten die Jahrestage lehren. In Europa dürfe die Atomenergie nicht weiter ausgebaut werden: „Wir brauchen den Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien“.

Für mehr Sicherheit in Atomanlagen weltweit

Der Antrag der Koalitionsfraktionen würdigt sowohl die humanitäre Hilfe der Ehrenamtlichen für die Betroffenen als auch das deutsche Engagement bei der aktuellen Sicherung des eingestürzten Reaktorgebäudes in Tschernobyl. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, den Atomausstieg gemäß Atomgesetz umzusetzen. Sie soll sich in bilateralen Kommissionen mit Sicherheitsfragen grenznaher Atomkraftwerke (AKW) in Nachbarländern auseinandersetzen und die Verhandlungen mit Belgien über ein Abkommen zur Nuklearen Sicherheit zügig abschließen.

Auf europäischer Ebene soll die Bundesregierung darauf drängen, dass bei Laufzeitverlängerungen für AKW angrenzender Länder eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung Pflicht wird. Zudem soll sie sich für europaweit einheitliche Haftungsregelungen in angemessener Höhe einsetzen. Ein optimaler Katastrophenschutz bei einem nuklearen Unfall soll grenzüberschreitend gewährleistet werden. Ebenso sind Sicherheitsmaßnahmen auf höchstem Niveau gegen terroristische Angriffe auf Atomanlagen vorzusehen. Auf internationaler Ebene soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die laufenden Atomkraftwerke weltweit höchsten Sicherheitsstandards genügen. Damit andere Länder Alternativen zur Atomenergie entwickeln können, soll die Bundesregierung mit ihnen Kooperationen eingehen, um dort unter anderem die erneuerbaren Energien zu fördern. Darüber hinaus fordern die Abgeordneten, den Jugendaustausch mit der Ukraine und Weißrussland zu fördern und zu intensivieren.

SPD-Bundestagsfraktion dankt ehrenamtlichen Initiativen

Als Reaktion auf die Katastrophe von Tschernobyl 1986 entstand eine außergewöhnliche europäische Solidaritätsbewegung, mit dem Ziel, die medizinische Versorgung der Betroffenen zu verbessern und Kinderfreizeiten in Deutschland zu ermöglichen. Bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion am 27. April 2016 haben einige Initiativen ihre Hilfsprojekte vorgestellt. Das große ehrenamtliche Engagement dieser Initiativen, das noch 30 Jahre nach der Katastrophe fortbesteht, wurde damit gewürdigt und den Helfern Dank ausgesprochen.

Das Wichtigste zusammengefasst:

Vor dem Hintergrund der Reaktorkatastrophen von Tschernobyl vor 30 Jahren und Fukushima vor fünf Jahren fordern die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung auf, sich für mehr Sicherheit für die Atomkraftwerke in angrenzenden Ländern einzusetzen und die Betroffenen der Reaktorunglücke weiterhin zu unterstützen.

 

Hintergrund zu Tschernobyl und Fukushima:

Am 26. April 1986 ereignete sich die verheerende Reaktorkatastrophe im Atomkraftwerk von Tschernobyl in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Durch menschliches Fehl-verhalten bei einem Experiment kam es zu einer Explosion, die eine massive Freisetzung von Radioaktivität nach sich zog. Eine Fläche von mehr als 2000.000 Quadratkilometern in ganz Europa wurde kontaminiert. Über 300.000 Menschen verloren ihre Heimat. Über die Zahl der Toten gibt es bisher keine Klarheit. Etwa 600.000 Menschen, so genannte Liquidatoren, waren rund um den Reaktor und in den umliegenden Gebieten im Einsatz, um die Folgen der Katastrophe einzudämmen. Viele von ihnen sind verstorben. Andere leiden noch heute an strahlenbedingten Krankheiten.

Der damals in Tschernobyl errichtete so genannte Sarkophag, der den zerstörten Reaktor einschließt, ist mittlerweile marode. Mit internationaler Hilfe, an der sich Deutschland mit fast 140 Millionen Euro beteiligt, wird augenblicklich ein neues Umhüllungsbauwerk errichtet, das im Jahr 2017 fertiggestellt werden soll. Danach wird mit der Bergung und Sicherung der verstrahlten Reste des Reaktorblicks begonnen.

Fast 25 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 11. März 2011 die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Durch ein Seebeben vor der japanischen Küste und den folgenden Tsunami havarierten vier Reaktorblöcke. In drei der zerstörten Reaktoren kam es zur Kernschmelze. 185.000 Menschen aus den Gebieten rund um das AKW mussten ihre Heimat verlassen, Böden, Gewässer und Wälder und landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden kontaminiert. Auch nach fünf Jahren ist es noch nicht gelungen, die weitere Freisetzung radioaktiver Stoffe zu verhindern. Weiterhin gelangt kontaminiertes Wasser ins Meer.

Bisher hat kein anderes Land so konsequent auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima reagiert wie Deutschland mit dem Atomausstieg. Demgegenüber haben viele andere Länder ihre Atompolitik nicht geändert. In Belgien, Frankreich, der Schweiz und der Tschechischen Republik stehen ältere Reaktoren in direkter Grenznähe zu Deutschland.