Am Donnerstagmorgen hat der Bundestag erstmals einen Antrag der Koalitionsfraktionen zur Stärkung der Stahlindustrie debattiert.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat die aktuellen Sorgen der Stahlunternehmen damit auf die Agenda des Deutschen Bundestags gebracht. In dem Antrag formuliert die Koalition Forderungen, um Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegenüber der EU-Kommission den Rücken zu stärken. Denn wenn es um die Zukunft der deutschen Stahlindustrie geht, ist vor allem die europäische Ebene gefragt.
„2016 ist ein Schicksalsjahr für die deutsche Stahlindustrie“, sagt Fraktionsvize Hubertus Heil. Es geht um Überkapazitäten auf dem Weltmarkt, zunehmenden Druck durch subventionierte Stahlimporte vor allem aus China, die Reform des Emissionshandels und offene Fragen im Hinblick auf den Bestandsschutz für Eigenstromerzeugung. Der Wirtschaftsexperte der Fraktion ist sich sicher: „In der Summe können diese Herausforderungen für die Stahlindustrie existenzbedrohlich sein. Wir müssen alles dafür tun, hochqualifizierte Arbeitsplätze in dieser Grundstoffindustrie zu sichern.“
Aus diesem Grund trafen sich bereits im Februar dieses Jahres auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion Spitzenvertreter der deutschen Stahlindustrie und der IG Metall, Wirtschaftsminister aus den Bundesländern mit Stahlproduktion, der zuständige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium sowie SPD-Abgeordnete aus Europäischem Parlament und Bundestag. Alle Beteiligten waren sich einig, gemeinsam für den Erhalt der Stahlindustrie in Deutschland mit ihren nahezu 100.000 Arbeitsplätzen kämpfen zu wollen.
Problem der Überkapazitäten aus China
Auf Initiative der SPD-Fraktion wurde daraufhin der Antrag der Koalitionsfraktionen erarbeitet. Die Kernaussage lautet: Für die von der EU-Kommission angestrebte substanzielle Stärkung der Industrie in Europa („Reindustrialisierung“) ist eine leistungsfähige Stahlindustrie unerlässlich.
Zu den größten Herausforderungen der Stahlbranche gehören Überkapazitäten aus China. Im vergangenen Jahr haben die Stahlausfuhren Chinas mit 112 Millionen Tonnen einen neuen Höchststand erreicht. Zum Vergleich: Die Stahlnachfrage in der gesamten EU beläuft sich auf 152 Millionen Tonnen. Dabei werden in der Volksrepublik Stahlprodukte durch staatliche Maßnahmen verbilligt und teilweise unter den Herstellungskosten angeboten. Auch wenn da-gegen bereits mehrere Anti-Dumping-Verfahren eingeleitet und Strafzölle verhängt werden konnten, hat sich das Instrumentarium der europäischen Außenhandelspolitik teilweise als schwerfällig erwiesen. Daher meint der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Westphal: „Die EU-Kommission muss schneller und effektiver gegen hochsubventionierte Stahlimporte zum Beispiel aus China vorgehen und ihre Handelsschutzinstrumente dringend modernisieren.“ Sollte die EU-Kommission China als Marktwirtschaft anerkennen, würden Antidumpingverfahren hingegen erschwert werden.
Einig sind sich die Koalitionsfraktionen, dass die deutsche und die europäische Stahlindustrie Verantwortung übernehmen müssen, wenn es um die Reduktion von Treibhausgasemissionen geht. Allerdings darf die Reform des Emissionshandels nicht zulasten der Stahlproduktion in Deutschland und Europa gehen. „Dem Weltklima ist nicht geholfen, wenn die besonders CO2-effiziente Stahlproduktion in Länder außerhalb Europas verlagert wird, in denen deutlich mehr CO2 pro erzeugter Tonne Stahl anfällt“, so Bernd Westphal.
Über der Stahlindustrie schwebt zudem das Damoklesschwert der offenen Frage der sogenannten Eigenstromerzeugung. Bislang ist die Verwendung sogenannter Kuppelgase, die im Rahmen der Stahlproduktion entstehen, vollständig von der EEG-Umlage befreit. Es ist unklar, ob die EU-Kommission diese Regelung weiterhin zulassen wird. Dabei wäre das aus Sicht der SPD-Fraktion nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen geboten.
Mit ihrem Antrag senden die Koalitionsfraktionen ein starkes Signal Richtung Brüssel. Die Koalition steht an der Seite der Beschäftigten und der Unternehmen der Stahlindustrie.