Doch dann kamen die Bundestagswahl und die Koalitionsverhandlung zwischen SPD und Union. Die SPD-Fraktion setzte die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren im Koalitionsvertrag durch. Hallmann musste nicht lange nachdenken, denn für ihn bedeutete dies zwar drei Monate länger zu arbeiten, aber dafür eine Rente ohne Abschläge. Sein Rentenantrag war bereits gestellt. Er erkundigte sich, ob er ihn rückgängig machen konnte. Ja – es ging. Hallmann zog den Antrag zurück.
Eine Rose zum Dank für eine SPD-Bundestagsabgeordnete
„Für mich bedeutete es Bangen und Zittern, ob die SPD die Rente ab 63 auch wirklich durchbekommt“, berichtet Hallmann. Da sei Spannung drin gewesen, und am Ende war die Freude groß. Kurz nachdem der Bundestag das Rentenpaket im Mai 2014 beschlossen hatte, feierte er gemeinsam mit der Familie und Bekannten aus der Nachbarschaft in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt den Geburtstag seiner Frau. Unter den Gästen war auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Waltraud Wolff. „Natürlich habe ich erst meiner Frau gratuliert. Aber danach habe ich Frau Wolff eine Rose überreicht – als Dankeschön“, erzählt Jürgen Hallmann.
Seit 01. Juli 2014 ist Hallmann mit 63 Jahren in Rente. An seinem letzten Arbeitstag nach seiner Verabschiedung im Betrieb kamen ihm die Tränen. „Warum weiß ich nicht. Es hat mich einfach emotional gepackt, dass mein Arbeitsleben beendet ist und eine neue Lebensphase beginnt“, sagt er gut vier Monate später.
Mit harter Arbeit viel geschafft
Hinter ihm liegt ein langes Arbeitsleben: 47 Jahre. Angefangen hat es 1967 nach der zehnten Klasse. Hallmann war 17 und machte eine Lehre im Stahlbau für landtechnische Anlagen. „Wir haben Hühnerställe und Schweineställe für die LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in der DDR, die Red.) gebaut“, erzählt Hallmann. Bis zur Wende. Dann wussten die LPGs nicht mehr, wie es weitergeht und vergaben keine Aufträge mehr. Es folgten zwei Wochen Kurzarbeit und Hallmann hatte, wenn auch nur kurz, Sorge um die Zukunft. „Ich war damals 40 und da ist man schon wer und will zeigen, was man kann und beruflich was darstellen“, sagt Hallmann rückblickend. Er hatte mehr Glück als Millionen andere in dieser Zeit in Ostdeutschland: Der frühere Chef machte sich selbstständig, fand einen Partner im Westen, der wichtig war, um den Einstieg zu schaffen. Der Betrieb überlebte und hat heute 25 Beschäftigte. Für die gab und gibt es immer wieder neue Aufgaben, je nachdem, was im Stahlbau gerade gefragt ist. Nach der Wende wurden Autohäuser gebaut, es folgten Stahlkonstruktionen für Supermärkte und Wartungsarbeiten für einen Kalibetrieb. Hallmann war viel auf Montage. Er ist stolz auf das, was er in der Firma geschafft hat, z. B. auf das Haus in Magdeburg, das für seine Stahlbauarchitektur ausgezeichnet wurde. „Da bleibt was“, fügt Hallmann hinzu. Seine beiden Hüftoperationen waren ein Einschnitt, aber alles ging gut, und er konnte danach wieder arbeiten.
„Ich habe mir meine Rente mit 63 verdient“
„Ich habe mehr als 45 Jahre gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt. Ich habe mir meine Rente mit 63 verdient“, betont Hallmann. Er sagt auch, dass in der Stahlbaubranche und generell auf dem Bau häufig gar nicht so lange gearbeitet werden könne, weil es körperlich nicht auszuhalten sei.
Als ungerecht empfindet Hallmann, dass die Union darauf bestanden hat, Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor dem Eintritt in die frühere abschlagsfreie Rente nur dann anzuerkennen, wenn der Arbeitgeber in Insolvenz gegangen ist oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers vorliegt. Unter dieser Regelung habe ein Bekannter von ihm zu leiden, berichtet Hallmann. Der sei Jahrgang 1952, habe immer gearbeitet und sei nun von seinem Arbeitgeber entlassen worden, weil Stellen abgebaut werden mussten. „Wo soll der mit über 60 und mit gesundheitlichen Problemen noch Arbeit finden“, fragt er sich.
Aktiv und fit bleiben ist wichtig
Jürgen Hallmann genießt seinen Ruhestand. Gesund und fit zu bleiben ist ihm wichtig, deshalb geht er dreimal in der Woche ins Fitness-Studio. „Ich will aktiv bleiben und nicht vor der Glotze sitzen“, bekräftigt er. Außerdem unterstützt Hallmann seine Tochter beim Hausbau. Seine Frau ist sieben Jahre jünger als er und arbeitet im Landratsamt. Auch, wenn er jetzt Zeit hat, an die Hausarbeit kann sich Hallmann nur schwer gewöhnen. Da greift er lieber zum Werkzeug und werkelt an Haus und Garten.