Im Kern hat die Regierung beschlossen, dass sich der Beitragssatz für die Pflegeversicherung ab 2013 um 0,1 Prozentpunkte erhöht. Dadurch nehmen die Pflegekassen rund 1,1, Milliarden Euro mehr ein. Daraus sollen die Leistungen für Demenzkranke und für pflegende Angehörige beglichen werden. Des Weiteren soll es eine private Zusatzversicherung geben, um das Lebensrisiko Pflege abzusichern.
Dem Pflegesystem fehlen bis zu fünf Milliarden Euro
Die Verbesserungen durch die „Skizze eines Pflegereförmchens” seien minimal und die private Zusatzversicherung werde mit Sicherheit ein Flop, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach. Die Sozialdemokraten würden diese „Rumpf-Reform” nicht unterstützen. Die geplante Beitragssatzerhöhung würde nicht ausreichen, denn im Pflegesystem fehlen bis zu fünf Milliarden Euro.
Pflegebedürftigkeitsbegriff auf Kosten der Demenzkranken vertagt
Die stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, sagte, die Eckpunkte von Gesundheitsminister Bahr seien eine Katastrophe für die 1,4 Millionen Demenzkranken. Denn der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, den der Beirat 2009 vorgelegt hat, wird nicht umgesetzt. Damit wird die Pflegebedürftigkeit weiterhin nur nach körperlichen Indikationen bemessen und die geistigen sowie psychosozialen Einschränkungen werden weiterhin nicht berücksichtigt. Zudem bliebe Bahr ein Gesamtkonzept schuldig, sagte Mattheis. Dafür soll sich der Pflegebeirat erneut damit befassen und den Pflegebedürftigkeitsbegriff überprüfen. Damals wurde das Konzept des Pflegebeirats, das von allen Seiten mitgetragen wurde, aufgrund des Regierungswechsels nicht realisiert.
Der Vorsitzende des Pflegebeirats Jürgen Gohde und Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe hat bislang auch noch keine Zustimmung gegeben, weil die Rahmenbedingungen nicht geklärt sind. Für Gohde habe die Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs absolute Priorität.
Private Zusatzversicherung lässt Geringverdiener und Arbeitslose außen vor
Der Präsident der Diakonie, Johannes Stockmeier, befürchtet, dass durch die geplante private Zusatzversicherung Geringverdiener und Arbeitslose benachteilige. Ohne staatliche Hilfe hätten sie keine Möglichkeit, private Vorsorge zu treffen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Menschen mit erhöhtem Pflegerisiko von privaten Versicherungsunternehmen abgelehnt würden oder aber nur zu hohen Beiträgen versichert würden.
Auch der DGB kritisierte die private Pflege-Zusatzversicherung. Dies sei eine weitere Subvention an die private Versicherungswirtschaft. Ein “Pflege-Bahr” würde wieder nur die Versicherten belasten. Geringverdiener würden auch von einer staatlichen Förderung nichts haben.
Pflegekräfte achten und besser bezahlen
Der Präsident des Pflegerats Andreas Westerfellhaus kritisierte, dass die 1,1 Milliarden Mehreinnahmen der Pflegekassen durch die Beitragssatzerhöhung nicht ausreichen, um die Pflege zu verbessern. Er verlangte auch, mehr gesellschaftliche Anerkennung und eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte. Es dürfe nicht sein, dass ein Pfleger mit 1 800 Euro brutto entlohnt werde. Bereits jetzt fehlen 150.000 Pflegekräfte. Am Ende unseres Jahrzehnts könnten es doppelt so viele sein. Deshalb sei eine dauerhaft gesicherte Finanzierung der Pflege nötig, unabhängig von der Kassenlage.
Bürgerversicherung Pflege sorgt für sichere Finanzierung
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Einführung einer Bürgerversicherung Pflege, darin wird sie unter anderem vom DGB unterstützt. Die SPD-Fraktion hatte im Sommer ein umfangreiches Orientierungspapier Pflege vorgelegt, dass sie augenblicklich mit Gewerkschaften, Verbänden, und Pflegeeinrichtungen diskutiert.