Auch nach Fukushima hält Schwarz-Gelb an Bürgschaft fest

Regierung bürgt für AKW-Bau im brasilianischen Erdbebengebiet

Die Bundesregierung zeigt erneut ihre Doppelzüngigkeit beim Atomausstieg: Die Reaktorkatastrophe ist erst gut ein Jahr her, doch Schwarz-Gelb will weiterhin für den Bau eines Atomkraftwerks in einem brasilianischen Erdbebengebiet – Angra 3 - bürgen.

Dr. Matthias Miersch

Hinter dem Namen Angra 3 verbirgt sich ein Atomkraftwerk (AKW), das vom Stand der Technik her mit dem in den 70er Jahren in Deutschland errichteten Kraftwerk Grafenrheinfeld vergleichbar ist. Bereits seit Monaten wurde von vielen Seiten gefordert, dass die Bundesregierung bei ihren aus Steuergeld finanzierten Deckungszusagen gegenüber dem Ausland keine anderen Maßstäbe anlegen darf als beim Atomausstieg im Inland. Den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis90/die Grünen „Keine Hermensbürgschaften für Atomtechnologien“ hatten Union und FDP bereits im März 2011- unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima - abgelehnt.

Regierung zieht bei Hermesbürgschaft keine Konsequenz aus Fukushima

Bereits kurz nach Ausrufung des Merkelschen Atommoratoriums diskutierte der Haushaltsausschuss mit dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium die Frage, ob im Falle eines Atomausstiegs nicht auch die Deckungszusage für Angra 3 unterbleiben müsse. Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP) sagte dazu damals: „Sollte man bei der Überprüfung der hiesigen Kraftwerke zu dem Ergebnis kommen, dass eine akute Gefährdung bestehe und diese zu einer endgültigen Abschaltung in Deutschland Anlass geben, wäre eine Änderung in der Sach- und Rechtslage gegeben, so dass in der Folge logischerweise auch keine Deckungszusage für ein gleiches Kraftwerk gegeben werden könnte." Obwohl der Atomausstieg seit bald einem Jahr beschlossen ist, will die Bundesregierung nichts mehr von einer solchen Konsequenz wissen. Das ist ein Skandal.
Sollte der Bürgschaftsfall eintreten muss die Bundesregierung dem deutschen Steuerzahler erklären, warum er mit einem Milliardenbetrag den Bau eines Risikoreaktors in Brasilien finanziert.

Schwarz-Gelb hat rot-grüne Hermes-Umweltleitlinien außer Kraft gesetzt

Nach dem Regierungswechsel hatte Schwarz-Gelb die seit 2001 geltenden, rot-grünen Hermes-Umweltleitlinien außer Kraft gesetzt, die die Exportförderung von Nukleartechnologie untersagt haben. Kurz darauf wurde eine Grundzusage über 1,3 Milliarden Euro übernommen und so die Beteiligung der Firma Areva/Siemens am Bau von Angra 3 ermöglicht. Erfahrungen zeigen, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit bei der Absicherung von Atomkraftwerksprojekten nicht gering ist: das argentinischen AKW Atucha hat den deutschen Steuerzahler über 900 Millionen Euro gekostet. Selbst in den USA liegt das Ausfallrisiko bei AKW-Neubauten laut einer Studie des US-amerikanischen Bundesrechnungshofes bei 50 Prozent. Die Motivation der Bundesregierung, die deutsche Atomwirtschaft zu hofieren, scheint größer zu sein als ihre Motivation, den Steuerzahler vor zusätzlichen Lasten zu schützen.

Hinzu kommt, dass die Exportgarantie in Milliardenhöhe einem Unternehmen gewährt wird, das nur zu einem Drittel in deutscher Hand ist und in absehbarer Zeit komplett in französischen Besitz übergeht.

Grundlage für die Bürgschaft ist ein Gefälligkeitsgutachten

Statt den dringend erforderlichen Ausbau Erneuerbarer Energien gerade in Schwellenländern zu fördern, setzt die Bundesregierung weiter auf Atomenergie, und das, obwohl viele Experten vor der bereits heute völlig veralteten Technik des in Bau befindlichen brasilianischen Meilers warnen.

Um die Bürgschaft für das brasilianische AKW zu ermöglichen, bedient man sich ganz einfach unkritischer Gutachten: Das Gutachten der ISTec GmbH zum AKW Angra 3, das als Begründung für die Gewährung der Hermes-Bürgschaft herangezogen wurde, wird von den Atomexperten von Greenpeace als Gefälligkeitsgutachten bezeichnet. Bis auf die Erkenntnis des mangelnden Schutzes gegen Flugzeugabstürze sei das Gutachten bruchstückhaft und oberflächlich. Der Export von Nukleartechnik wird somit auch in Ländern, in denen es wie in Brasilien keine unabhängige Atomaufsicht gibt und die nicht mal das Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrags unterschrieben haben, gefördert.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist bei FDP in schlechten Händen

Die deutsche Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern verkommt unter der Verantwortung der zuständigen FDP-Minister Rösler und Niebel immer mehr zur rein profitorientierten Außenwirtschaftförderung für deutsche Unternehmen.

Laut dem umweltpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, ist der Atomausstieg von Schwarz-Gelb unglaubwürdig. Denn parallel zum deutschen Atomausstieg will die Bundesregierung für den Bau eines Atomkraftwerks im brasilisanischen Erdbebengebiet eine Hermesbürgschaft mit deutschen Steuergeldern übernehmen.

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