Nach einer monatelangen Blockade durch Schwarz-Gelb hatten SPD, Union und FDP zu Beginn der Woche einen Kompromiss in den Verhandlungen über die Reform der Grundsicherung erzielt. „Wir haben aus dem Bildungspäckchen ein Bildungspaket gemacht. Wir haben Fortschritte beim Mindestlohn erzielt. Und beim Regelsatz konnten wir Korrekturen erreichen. Deshalb wird die SPD heute im Bundestag und im Bundesrat diesem Kompromiss zustimmen,“ sagte die mecklenburgische Sozialministerin und stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Manuela Schwesig am Freitag vor der Abstimmung im Bundestag.
Rede von Manuela Schwesig zur Verabschiedung der Reform der Grundsicherung im Bundestag (25.02.2011)
Bildungspaket verbessert, Kommunen entlastet
Mit dem Bildungspaket werden zusätzliche Leistungen für die Teilhabe bedürftiger Kinder an Kita- und Schulausflügen, an Lernförderung und sowie bei Sport, Musik und Kultur geschaffen. Folgende Verbesserungen hat die SPD in den Verhandlungen durchgesetzt:
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Neben den Kindern in der Grundsicherung erhalten 500.000 Kinder von Geringverdienern zusätzlich einen Anspruch auf die Bildungs- und Teilhabeleistungen. Konkret geht es um 300.000 Kinder von Kinderzuschlagsempfängern und 160.000 bis 200.000 Kinder von Wohngeldempfängern. „Diese 500.000 Kinder hatte die Bundesregierung vergessen“, so Manuela Schwesig im Bundestag.
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3.000 Schulsozialarbeiter werden sich an Schulen direkt um die Kinder und Jugendlichen kümmern können. Der Bund stellt dazu zunächst bis 2013 die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung.
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Die SPD hat durchgesetzt, dass das Bildungspaket dorthin kommt, wo es hingehört: in die Verantwortung der Städte und Gemeinden. Schwarz-Gelb wollte, dass die Bildungsleistungen für Kinder von den Jobcentern verwaltet werden. Manuela Schwesig: „Wir haben erreicht dass die Kinder nicht zum Arbeitsamt gehen müssen und sich dort Essensmarken abholen müssen, sondern dass die Kinder unterstützt werden vor Ort. Die kommunen sind die Experten für die Kinder und nicht das Arbeitsamt.“
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Die SPD hat durchgesetzt, dass die kommunalen Haushalte entlastet werden und die Kosten, die den Kommunen zur Umsetzung des Bildungspakets entstehen, vom Bund verlässlich und bedarfsgerecht erstattet werden. Der Bund übernimmt ohne Vorbedingungen schrittweise bis 2014 die Kosten der Grundsicherung im Alter. Die Kommunen werden dadurch beginnend ab 2012 um 1,2 Milliarden Euro bis zur vollen Summe von 4 Milliarden Euro pro Jahr ab 2014 entlastet. Zusätzlich übernimmt der Bund die tatsächlichen Kosten des Bildungspaketes.
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Die Kosten für das gemeinsame Mittagessen werden nicht nur an Kitas und Schulen, sondern auch an Horten übernommen.
Mindestlöhne durchgesetzt
1,2 Millionen Menschen Beschäftigte in der Zeitarbeit, im Sicherheitsgewerbe und in der Weiterbildungsbranche werden künftig durch Mindestlöhne unterstützt.
„Die Hilfe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die tagtäglich schufften und davon nicht leben können, war uns wichtig. Der Mindestlohn gehört zum Existenzminimum und zur Menschenwürde. Deswegen ist es gut, dass wir uns beim Mindestlohn durchgesetzt haben,“ betonte Manuela Schwesig.
Keine Einigung gab es beim Thema gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Hier hat sich die FDP bis zuletzt allen vernünftigen Lösungen widersetzt. Die SPD war nicht bereit, schlechte Kompromisse auf Kosten der Leiharbeiter einzugehen. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kämpfen deshalb zusammen mit den Gewerkschaften weiter für gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Rede von Elke Ferner (25.02.2011)
Offene Fragen trotz Verbesserungen beim Regelsatz
Als „schwierig“ bezeichnete Manuela Schwesig die Verhandlungen mit der Koalition zum Regelsatz. Hier hat die Bundesregierung auf ihrer juristischen Auffassung beharrt, dass die Berechnung der Regelsätze verfassungskonform sei. Schwesig macht erneut deutlich, dass die Bundesregierung dafür auch die Verantwortung trage. Für die SPD seien die Bedenken beim Regelsatz indes ausgeräumt.
Trotzdem konnten auch hier Verbesserungen erreicht werden. Der Regelsatz für Erwachsene steigt rückwirkend zum 1. Januar 2011 um 5 Euro. Außerdem gibt es neben der regulären Erhöhung um die Preis- und Lohnentwicklung zum 1. Januar 2012 eine Sonderanpassung um weitere 3 Euro.
Schwesig wies in ihrer Rede zudem auf die Verbesserung für Ehrenamtliche hin: Aufwandsentschädigungen für Übungsleiter werden zukünftig bis zu 175 Euro nicht mehr auf den Regelsatz angerechnet. Der SPD sei es wichtig gewesen, „dass ehrenamtlich tätige Hartz-IV-Empfänger nicht bestraft werden“, so die stellvertretende SPD-Vorsitzende.
Außerdem hat sich die Bundesregierung auf Druck der SPD dazu verpflichtet, den Regelsatz mit dem Ziel zu überprüfen, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Lebensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen.
SPD kämpft weiter gegen Armut
„Das Leben für viele Menschen, vor allem für über 2 Millionen Kinder, wird sich wesentlich verbessern“, resümierte Manuela Schwesig mit Blick auf die Verhandlungserfolge.
Gleichwohl: „Sozialpolitische Geschichte wird heute nicht geschrieben,“ räumte Schwesig ein. „Was vorliegt reicht noch nicht, um Armut in Deutschland zu bekämpfen und die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen. Dazu muss es mehr geben: flächendeckende Mindestlöhne, Ganztagskitas und Ganztagsschulen – und viel mehr Investitionen in Bildung.“
Schwesig zeigte sich zuversichtlich, dass diese „große sozialpolitische Reform“ kommen wird – auch gegen die Zustimmung von Union und FDP.