Die Betreiber der Atomkraftwerke hatten mit dem rot-grünen Atomkonsens Planungssicherheit, um Entscheidung für die Unternehmen treffen zu können. Ohne die Debatten über Laufzeitverlängerung hätten die Energiekonzerne nach wie vor Planungssicherheit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Rede meines Vorredners im Zusammenhang mit der Rede des Ministers gesehen, zeigt wunderbar die Unstimmigkeiten auf, die bezüglich der Einschätzung der hier anstehenden Frage herrschen. Herr Röttgen sagt, tendenziell müsse man die Länder beteiligen. „Tendenziell“ – das ist für mich ein neuer Rechtsbegriff. Sie sagen: Das ist völlig unproblematisch, man muss die Länder nicht beteiligen. Ich glaube, das zeigt deutlich, was für ein Tohuwabohu bei Ihnen in der Koalition herrscht. Ich finde, das sollten Sie einmal klären.

(Beifall bei der SPD)

Herr Röttgen, Sie haben uns aufgefordert, diese Frage verfassungsrechtlich und nicht politisch zu prüfen. Man muss sich überlegen, wie Sie auf diese für mich als Juristin hochspannende Frage gekommen sind. Haben Sie innerhalb der Koalition ein rechtspolitisches Seminar besucht und sich diese Frage vorgenommen? Das war es doch wohl nicht. Ich glaube, die Frage, ob der Bundesrat an der Entscheidung zu Laufzeitverlängerungen beteiligt werden soll, wird erst seit einem politischen Ereignis intensiv diskutiert, nämlich ab dem Moment, ab dem Sie durch die Wahlschlappe in NRW die Mehrheit im Bundesrat verloren haben. Das ist der Hintergrund und nicht Ihr Interesse am Verfassungsrecht.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist sehr wohl eine politische Fragestellung. Sie sagen, wir alle müssten ein Interesse daran haben, dass eine Laufzeitverlängerung verfassungskonform beschlossen werden muss, um nicht angreifbar zu sein. Ich sage Ihnen: Daran haben wir kein Interesse.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben weder ein Interesse daran, dass eine Laufzeitverlängerung mit Beteiligung des Bundesrates beschlossen wird, noch haben wir ein Interesse an dem Beschluss einer Laufzeitverlängerung ohne Beteiligung des Bundesrates. Wir wollen überhaupt keine Laufzeitverlängerung in diesem Bundestag beschließen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben gesagt: Die Konzerne brauchen Klarheit. Das zeigt, dass Sie noch nicht lange in diesem Ressort tätig sind. Ich komme aus dem Wahlkreis Bergstraße. In der Nähe liegt das Kernkraftwerk Biblis. Es gibt regelmäßig Gespräche über die Kernkraft. Für mich als bekennende AKW-Gegnerin sind das nicht immer vergnügungsteuerpflichtige Veranstaltungen gewesen. Als wir im Deutschen Bundestag den Atomkompromiss verabschiedet haben, war ich dort zu Gast. Ich habe mich auf einiges eingestellt und mich gefragt, was wohl kommen wird. Herr Röttgen, wissen Sie, was passiert ist? Ein Kraftwerksbetreiber hat mir sehr zur Überraschung einiger quer durch den ganzen Saal ausdrücklich dafür gedankt – hören Sie gut zu, das können Sie überall nachlesen –, dass jetzt endlich Klarheit darüber herrsche, wie es mit den Kraftwerken weitergehe, dass sie endlich Planungssicherheit hätten.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Was?)

Dafür hat er mir gedankt. Die Klarheit besteht also längst, und zwar durch den Atomkompromiss. Diese Klarheit heben Sie durch das derzeit von Ihnen veranstaltete Tohuwabohu auf. Wenn Sie Klarheit wollen, dann machen Sie endlich Schluss mit den Debatten über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Dann haben die Kraftwerksbetreiber endlich wieder die  Planungssicherheit, die sie vorher schon hatten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben uns aufgefordert, dass wir bitte nicht geifern sollen. Ich glaube, Sie haben nicht uns gemeint. Das ging eher in eine andere Richtung. Sie haben wohl den CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gemeint, der Sie zum Rücktritt aufgefordert hat. Ich kann mir vorstellen, dass er der Adressat war. Leider sitzt er nicht hier. Er hat sich wahrscheinlich nicht getraut, an der Debatte teilzunehmen. Ich muss Ihnen sagen: Das ist schon ein unglaublicher Vorgang. Ich bin seit elf Jahren in diesem Parlament. Aber damit, dass ein CDU-Ministerpräsident einen CDU-Umweltminister zum Rücktritt auffordert, weil dieser in einer Angelegenheit, die die Länder betrifft, die Länder gerne mit beteiligen möchte, haben Sie zwar keine Verfassungsgeschichte, aber wenigstens Geschichte geschrieben. Das ist schon ein toller Vorgang. Ich muss sagen: Respekt!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man könnte sich in der Opposition eigentlich zurücklehnen und zuschauen, wie Sie sich zerfleischen. Aber das wäre unverantwortlich; denn es geht nicht darum, irgendetwas komisch zu finden – das ist es nämlich schon lange nicht mehr –, sondern es geht unter anderem um das Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Ich habe bereits gesagt, dass in meinem Wahlkreis das Atomkraftwerk Biblis steht. Das ist einer der ältesten Meiler. Die Menschen dort haben sehr große Befürchtungen, was die Sicherheit angeht.

(Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Aber sie sind mehrheitlich dafür!)

Darüber hinaus besteht ein großes Problem in Bezug auf Terrorangriffe. Auch das ist aufgrund der Dicke der Betondecke mittlerweile festgestellt. Dort sehen die Menschen die Verlängerung der Laufzeiten ganz anders. Bei der Großdemonstration am 24. April waren mehr als 20 000 Menschen auf den Beinen, nicht weil sie eine Verlängerung der Laufzeiten wollen, sondern weil sie wollen, dass dieser alte Meiler endlich abgeschaltet wird und nicht noch länger am Netz bleibt, weil diese Unsicherheit nicht noch länger zu akzeptieren ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ichfinde es unglaublich, mit welcher Arroganz Sie über die Interessen der Menschen vor Ort hinweggehen und sie einfach nicht wahrnehmen. Aber das ist anscheinend Ihre Politik. Sie haben aus der Schlappe bei der Wahl in NRW am 9. Mai nichts gelernt. Sie regieren an den Interessen der Menschen vorbei. Dafür werden Sie auch auf Bundesebene die Quittung bekommen.

Vielen Dank.