Die vielleicht größte Herausforderung wird wohl im Bau und Betrieb der Netze nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa liegen. Dieses Thema ist in den Anträgen zu Recht aufgegriffen worden.

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kotré, ich war im letzten Jahr in Fukushima. Ich habe gesehen, welche Auswirkungen Atomenergie hat, wenn so ein Reaktor havariert. Ich habe die Digitalanzeigen an der Autobahn gesehen, die die aktuelle radioaktive Strahlung angeben. Ich habe die Angst der Menschen gesehen, die nicht nur um ihr Hab und Gut fürchten mussten, sondern auch um ihr Erbgut im weitesten Sinne, die Angst davor hatten, dass ihre Kinder nicht gesund bleiben.

Ich kann mich gut daran erinnern, wie in den 80er-Jahren das Atomkraftwerk in Tschernobyl explodiert ist und die radioaktive Wolke über Deutschland gezogen ist.

(Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jürgen Braun [AfD]: Tsunami in Deutschland, Herr Saathoff!)

Die Menschen hier haben zu Recht entschieden, dass Atomenergie nicht mehr genutzt wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Tsunami-Spezialist!)

Gut ist, dass wir heute eine Debatte zu europäischer Energiepolitik führen. Energiepolitik kann man nämlich nicht mit nationalen Scheuklappen machen, weder in der fossilen Welt noch in der Welt der Erneuerbaren; das muss man sagen. Es hilft auch nichts, sich angesichts des Klimawandels in sein Schneckenhaus zu verkriechen und alles mit ungewöhnlichen Wetterphänomenen erklären zu wollen. Klimawandel, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine globale Herausforderung. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine globale Aufgabe. Der stellt man sich am allerbesten, wenn man das auf dem Kontinent gemeinsam macht.

Gut ist im Antrag der FDP der Ansatz, auch die Bereiche Verkehr und Wärme in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Ich glaube, das kann man begrüßen. Allerdings ist mir Ihr Antrag zu monokausal. Es liegt mir fern, das ETS als Allheilmittel für richtig zu halten. Der Markt wird Klimaschutz allein durch den Emissionshandel nicht regeln; diese Botschaft muss so klar gebracht werden.

(Beifall bei der SPD)

Faktisch wirkt das ETS eher wie eine Bremse. Das liegt zugegebenermaßen nicht am System selber. Das liegt eher an der Ausgestaltung: zu viele Zertifikate – Frau Beer, Sie können ja in Ihrer zukünftigen Verwendung dafür sorgen, dass diese Ausgestaltung ein bisschen innovativer angegangen wird –, zu zögerliche Verknappung der Zertifikate und zu zögerliches Handeln in Brüssel. Nicht wenige halten es schlicht für unrealistisch, dass die notwendige Verschärfung über das ETS im Kampf für das Klima auf der Erde tatsächlich erreicht werden kann.

Europa setzt die Rahmenbedingungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Emissionshandel ist eben nur eines von vielen Instrumenten. Die Mitgliedstaaten müssen die europäischen Rahmenbedingungen ausgestalten. Wir wollen kein Europa mit erhobenem Zeigefinger, sondern wir wollen ein vielfältiges Europa mit vielfältigen Lösungen in der Energiepolitik.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen in Deutschland die Energiewende erfolgreich fortführen: sicher, sauber und bezahlbar. Zur Energiewende gehört, dass es eben nicht nur um Klimapolitik geht, sondern natürlich auch um knallharte Wirtschaftspolitik. Wir müssen den Rahmen dafür setzen, dass in Deutschland die Produkte entwickelt werden, die morgen Exportschlager der erneuerbaren Welt sind. Das ist sozusagen unsere Verantwortung. Wir wollen unseren Nachbarn nichts diktieren, um das klar zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen ihnen zeigen, dass Industriepolitik und Klimaschutz zusammengehen. Dafür reicht das ETS nicht. Das kann man nur mit einem Klimaschutzgesetz machen. Die Akteure brauchen jetzt hinsichtlich des Klimaschutzgesetzes endlich verlässliche Rahmenbedingungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen klare Sektorenziele definieren und klare Maßnahmen zur Erreichung der Reduktion von CO2-Emissionen, auf die sich alle einstellen können. Dafür ist die Einrichtung des Klimakabinetts eine richtige Maßnahme. Wir sollten uns parlamentarisch überlegen, ob wir dieses Klimakabinett nicht parlamentarisch spiegeln müssten, ob wir nicht also auch einen Ausschuss brauchen, der sich ausschließlich mit Klima- und Energiepolitik befasst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Klimaschutzgesetz ist auch notwendig, um die europäischen Rahmenbedingungen umzusetzen. Das „Clean Energy Package for all Europeans“ wird aus meiner Sicht viel zu wenig beachtet. Dort gibt es ein verbindliches EU-Ziel für Erneuerbare bis 2030, nämlich 32 Prozent, Herr Koeppen, und zwar für alle Sektoren. Da müssen Sie uns mal erklären, wie Sie das erreichen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt ein Gesamteinsparungsziel in der Effizienz von 32,5 Prozent. Die Ziele sind ambitioniert. Wir sind von diesen Zielen sektorenübergreifend noch meilenweit entfernt. Wir müssen was tun.

Neben den ambitionierten, aber auch notwendigen Zielen regelt die EU im „Clean Energy Package“ auch das europäische Strommarktdesign neu. Dazu gehört die Anpassung des Strommarktes an den steigenden Anteil der Erneuerbaren, die Erhöhung des grenzüberschreitenden Stromhandels. Die Versorgungssicherheit wird damit zum ersten Mal wirklich zum europäischen Projekt.

Es scheint nicht immer die Sonne, und es weht nicht immer der Wind: Diesen Satz habe ich hier im Hause schon hundertmal gehört. Dieser banale Satz wird immer richtiger, je kleiner die Scholle ist, auf der Sie sich bewegen, und immer falscher, wenn es gelingt, nationale Scheuklappen abzulegen und europäisch zu denken.

Ich will ein Beispiel nennen. Stellen Sie sich vor, ein Tiefdruckgebiet wandert über Europa; das soll ja gelegentlich vorkommen. Dann haben Sie innerhalb der fünf Tage, in denen es von der Biskaya bis über die polnische Grenze wandert, fünf Tage lang Wind und damit fünf Tage lang Windenergie, nicht immer überall, aber wenn Sie das vernetzt denken, haben Sie ausreichend Energie für ganz Europa zur Verfügung. Sie müssen den Mut haben, die nationalen Scheuklappen abzulegen und die Energiewende in Europa grenzübergreifend anzugehen.

Zum „Clean Energy Package“ gehört auch, die Rolle des Verbrauchers im neuen flexiblen Marktdesign zu stärken und aktive Verbraucher in den Fokus zu stellen. Darauf legen auch die Grünen in ihrem Antrag den Fokus, genauso wie auf die dringend notwendige Reform der EEG-Umlage. Ich freue mich auf die Debatte, und ich freue mich auch auf eine intensive Ausschussarbeit in dieser Frage, weil das richtige Ansätze sind, die wir dringend miteinander angehen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Die vielleicht größte Herausforderung wird wohl im Bau und Betrieb der Netze nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa liegen. Dieses Thema ist in den Anträgen zu Recht aufgegriffen worden. Man kann in Ostfriesland sagen: För een gaud Soop bruukst du mehr as bloot Prey. – Man braucht also viele Zutaten für eine gute Suppe. Für eine gute Energiepolitik braucht man eben viele Instrumente: nationale, aber vor allen Dingen auch europäische Instrumente.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)