Wir regeln, dass auch beruflich Qualifizierte in unser Land kommen können, nicht nur die Höchstqualifizierten und diejenigen, die schon einen hochdotierten Arbeitsvertrag in der Tasche haben. Wir regeln, dass Menschen zur Suche nach Arbeit oder zur Suche nach einer Ausbildung nach Deutschland kommen können. Wir regeln auch, dass Menschen, die sich hier über einen Asylantrag nach Deutschland begeben und festgestellt haben, dass sie kein Asylrecht haben, aber langwierige Verfahren erdulden mussten, die begonnen haben, sich hier zu integrieren, die hier arbeiten, die hier ihren Lebensunterhalt sichern können, hier auch ein Bleiberecht haben. Niemand versteht, dass wir einerseits Menschen aus dem Ausland anwerben, während wir gegenüber Menschen, die sich hier gut integriert haben und arbeiten, eine Abschiebung vollziehen. Es ist gut, dass wir diese Regelung heute hier verabschieden können.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben nun eine gesetzliche Grundlage, Einwanderung nach Deutschland zu steuern. Diese Einwanderung ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Das soll auch so sein. Wir wollen behutsam vorgehen, und wir können nachsteuern, wenn das der Bedarf ergibt. Ich halte das für angemessen. Ich halte es für pragmatisch. Wir können dabei flexibel bleiben. Das nenne ich ein modernes Einwanderungsrecht.
(Beifall bei der SPD)
Seit ich in den Bundestag gewählt wurde, setze ich mich dafür ein, dass wir legale Wege nach Deutschland eröffnen, auch um die irreguläre Migration zurückzudrängen, dass wir Geschäftsmodelle bekämpfen, bei denen Menschen in den Herkunftsländern vorgegaukelt wird, dass sie hier eine gute Zukunft haben und hier willkommen sind, egal ob sie die Voraussetzungen erfüllen. Diese Menschen lassen oft alles zurück und müssen ihr Geld für Schlepperorganisationen ausgeben. Am Ende werden sie auf Boote geschickt, die für die See nicht tauglich sind, und dort werden sie sich selbst überlassen, nur um am Ende, wenn sie es schaffen, festzustellen, dass es vergeblich war.Wir müssen diese Geschäftsmodelle unterbrechen. Das geht nicht mit Abschottung. Das geht, indem wir legale Wege eröffnen. Das tun wir mit diesem Einwanderungsgesetz. Deswegen ist es gut, dass es heute verabschiedet wird.
(Beifall bei der SPD – Abg. Gökay Akbulut [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Vizepräsident Thomas Oppermann: Herr Castellucci, gestatten Sie eine Zwischenfrage von den Linken?
Dr. Lars Castellucci (SPD): Ich würde jetzt gerne am Stück vortragen.
Vizepräsident Thomas Oppermann: Okay.
Dr. Lars Castellucci (SPD):
Das, was wir heute verabschieden, ist noch nicht das Einwanderungsrecht aus einem Guss, es ist noch nicht das Einwanderungsgesetzbuch – ich sage für die SPD-Fraktion zu, dass wir daran weiter arbeiten werden –, aber es ist ein riesengroßer Schritt nach vorne; es ist ein guter Tag für unser Land.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte etwas zum Fachkräftebedarf sagen. Da ist ja von Desinformationen geredet worden. Sie reden immer von Desinformationen, weil Sie sich damit bestens auskennen. Aber wir machen Politik – gestützt auf die Fakten, die wir haben. Hier geht es darum, dass wir in die Zukunft schauen müssen. Niemand kann wissen, wie sich der Bedarf genau entwickelt und was der digitale Wandel genau mit unserer Arbeitswelt macht. Aber was wir wissen können, ist, dass wir heute schon Fachkräftebedarf haben, etwa bei der Pflege oder im Handwerk. Und wir haben verlässliche Prognosen, dass bis zum Jahr 2060 die Zahl der Menschen, die erwerbsfähig sind, zurückgehen wird: von heute 47 Millionen auf dann unter 30 Millionen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland braucht Zuwanderung, und wir ermöglichen mit diesem Gesetz Zuwanderung. Deswegen ist es ein gutes Gesetz für das ganze Land.
(Beifall bei der SPD)
Das „Handelsblatt“ kommentiert: Das Einwanderungsgesetz, das wir heute vorlegen, – ich zitiere – „sichert der GroKo einen Platz in den Geschichtsbüchern“.
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der FDP – Konstantin Kuhle [FDP]: Bitte nicht!)
– Ja, da habe ich jetzt ein paar Reaktionen eingepreist. – Ich will Ihnen als Sozialdemokrat sagen: Wir haben 20 Jahre für dieses Gesetz gestritten und gekämpft. Die Union hat dieses Gesetz in Wahrheit 20 Jahre bekämpft.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Einverstanden!)
Ich erinnere an Roland Koch. Ich erinnere an übelste Kampagnen, an Aussagen wie „Lieber Kinder statt Inder“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das waren Tiefpunkte der politischen Diskussion in unserem Land, und ich will diese nie wieder erleben, schon gar nicht aus Kreisen der demokratischen Parteien.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Unser Koalitionspartner hat in Wahrheit lange gebraucht, um anzuerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist; Rita Süssmuth möchte ich da mal ausnehmen. Aber heute ist es so weit, jetzt ist es geklärt. Und wenn wir uns vor Augen führen, was für ein langer Kampf das war, dann hat der Kommentator des „Handelsblattes“ recht: Heute ist ein Tag für die Geschichtsbücher. Deutschland anerkennt nach außen offen: Wir sind ein Einwanderungsland. – Gut, dass es endlich so weit ist.
(Beifall bei der SPD)
Wir sprechen über Zuwanderung – wir brauchen sie auch –; aber wir alle treffen Menschen, die sagen, sie hätten 80, 90 Bewerbungen verschickt und keine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Deswegen sage ich: Wer in Teilzeit festhängt und eigentlich Vollzeit arbeiten möchte, wer einen prekären Arbeitsplatz hat und einen ordentlichen Arbeitsplatz verdient hat, wer nicht die Kindertageseinrichtung findet, die er braucht, um einem Beruf nachzugehen, wer die Pflege der Eltern nicht organisiert bekommt – wir dürfen nicht nachlassen, für Perspektiven für alle diese Menschen zu sorgen. Deswegen ist es gut, dass wir nicht nur ein Einwanderungsgesetz machen, sondern dass die Bundesregierung auch eine Fachkräftestrategie erarbeitet hat. Beides muss mit Nachdruck verfolgt werden.
(Beifall bei der SPD)
Wir verabschieden heute ein Einwanderungsgesetz, und das klingt so, als wäre das nur gut für Einwanderer. Ich glaube aber, es ist deutlich geworden: Ein Einwanderungsgesetz ist gut für das ganze Land. Wir haben in manchen Branchen und Regionen heute bereits Fachkräftebedarf. Wir steuern auf einen eklatanten Mangel an Arbeitskräften zu. Wir brauchen also Einwanderung. Einwanderung ist gut für alle – wenn man sie ordentlich organisiert, so wie wir das hier tun. Sie kann ein Gewinn für alle sein: für die Menschen, die zu uns kommen, für die Herkunftsländer, in die die Rücküberweisungen stattfinden, und auch für die Bevölkerung hier, die beispielsweise schon unter Arbeitsverdichtung klagt, weil die Arbeitsplätze, die hier im Lande frei sind, nicht für andere zur Verfügung gestellt wurden. Zuwanderung kann uns allen nützen. Das ist die Geschichte unseres Landes – ein Land, in dem bereits heute etwa ein Viertel der Menschen Migrationshintergrund hat. Wir sind stark – nicht trotz dieser Leute, sondern Seite an Seite mit diesen Leuten haben wir dieses Land stark gemacht, und das werden wir auch in Zukunft mit den Menschen tun, die neu zu uns kommen.
(Beifall bei der SPD)
Gleichzeitig kümmern wir uns um Perspektiven für alle, die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben. Das nenne ich „soziale Politik“; das ist Politik für das ganze Land. Ich bitte Sie alle um Zustimmung und die Bundesregierung anschließend um eine engagierte Umsetzung dessen, was wir heute verabschieden. Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)