Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dr. Carola Reimann betonte, dass die auf den Weg gebrachten Reformen denen zugutekommen sollen, die lange und hart in echten Knochenjobs gearbeitet haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute bereits zum zweiten Mal in dieser noch jungen Legislaturperiode die Gelegenheit haben, die Rentenpläne der Koalition zu diskutieren. Wir haben uns für die kommenden Wochen viel vorgenommen.
Wir werden ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, das unser bestehendes, bewährtes System weiterentwickelt, Gerechtigkeitslücken schließt und gemeinsam mit den Reformen am Arbeitsmarkt dafür sorgen wird, dass wir Altersarmut effektiv bekämpfen können.
Kolleginnen und Kollegen, so sehr ich mich über die Debatte freue, so sehr ärgere ich mich aber über den häufig sehr verengten Blick auf die Rente. Wer nur über die Finanzierung redet, wer nur über Geld redet, verliert die Menschen aus dem Blick, die jahrelang hart gearbeitet haben und die auf eine ordentliche Rente angewiesen sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe über die Leute geredet, die ihr vergessen habt!)
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Genauso ärgere ich mich über die gelegentlich getroffene Wortwahl: Da wird von verprassten Geldern oder gar – der Kollege hat es schon gesagt – vom schamlosen Plündern der Rentenkasse oder Geschenken gesprochen. Ich finde das unangemessen. Es geht darum, Menschen, die lange und hart gearbeitet haben, einen stabilen und sicheren Übergang vom Erwerbsleben in die Rente zu ermöglichen: Menschen, die nach 45 Jahren ehrlicher und harter Arbeit nicht mehr können, und Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen schon früher auf Leistungen aus der Rentenversicherung angewiesen sind. Richtig, es kostet auch eine Menge Geld, und wir können uns gerne über die Finanzierung streiten. Aber es ist nicht in Ordnung, solche Begriffe zu verwenden, wenn es darum geht, Menschen in teilweise sehr schwierigen Lebenslagen zu helfen. Das ist dann angesichts der Arbeitsleben nicht geschenkt, sondern verdient
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind die, die leer ausgehen! Machen Sie den Leuten doch nichts vor!)
Schwierig ist die Lage vieler, die beispielsweise auf die Erwerbsminderungsrente angewiesen sind. Wir alle kennen die Zahlen: Bei den durchschnittlichen Zahlbeträgen gab es zwischen 2000 und 2012 einen Rückgang von bis zu 15 Prozent. Entsprechend gestiegen ist der Anteil der Erwerbsminderungsrentner, die Leistungen der Grundsicherung beziehen. Damit ist nicht mehr gewährleistet, dass diese Rente die Sicherungsfunktion wie geplant erfüllt. Deswegen muss gehandelt werden, und das werden wir tun. Auch das wird Teil des Rentenpakets sein, genauso wie der abschlagsfreie Rentenzugang für langjährig Versicherte. Das ist für die SPD-Bundestagsfraktion ein ganz zentraler Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Weil über die Gruppen geredet wurde, denen das zugutekommt: Die von uns auf den Weg gebrachten Reformen sollen denen zugutekommen, die lange und hart in echten Knochenjobs gearbeitet haben. Einer dieser Knochenjobs – darin werden mir sicherlich Millionen Väter und Mütter recht geben – ist Kindererziehung. Deshalb ist es gut, dass wir auch hier eine Gerechtigkeitslücke schließen und Erziehungsleistungen auch für Mütter und Väter besser anerkennen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden.
Es ist richtig, dass es sich bei der Mütterrente um eine versicherungsfremde Leistung handelt, und ja: Solche Leistungen sollten über Steuern finanziert werden.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Katja Mast [SPD]: Recht hat sie!)
Das ist meine Haltung, und das ist auch die Haltung der SPD-Bundestagsfraktion. Die Ministerin hat deshalb zu Recht in den vergangenen Tagen auf die Notwendigkeit einer steuerlichen Flankierung ab 2018 hingewiesen.
Es wundert mich schon, dass sich einige – leider auch bei unserem Koalitionspartner – fragen, warum sich unsere Ministerin auch Gedanken über die Rentenfinanzierung nach 2017 macht. Gerade das zeichnet doch eine gute Ministerin aus, dass sie eben nicht Politik nur mit Blick auf die nächste Wahl macht, sondern über den Tag hinaus denkt, gerade bei der Sozialversicherung.
(Beifall bei der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass sie für die laufende Legislaturperiode die Probleme ausblendet!)
Deshalb halte ich die Hinweise von Andrea Nahles für richtig und wichtig; denn wir werden nicht darum herumkommen, diese Leistungen auch durch Steuern zu finanzieren. Es ist kein Geheimnis, dass wir diese versicherungsfremden Leistungen auch lieber sofort ganz über Steuern finanziert hätten. Aber wir haben im Koalitionsvertrag einen Kompromiss geschlossen, und den setzen wir jetzt um, auch weil wir in der Rentenkasse zurzeit noch Spielräume dafür haben.
Ohne diesen Kompromiss – das sage ich all denen, die uns das vorwerfen – hätten wir diese Verbesserungen nicht anstoßen können. Leidtragende wären all diejenigen gewesen, über die wir gerade gesprochen haben. Für diese Menschen haben wir diesen Kompromiss geschlossen. Wir sind es ihnen schuldig, das jetzt zügig in Gesetzesform zu bringen.
(Beifall bei der SPD)
Dass wir nicht allein Politik für das Hier und Jetzt machen, sondern auch über den Tag hinaus blicken und denken, zeigt im Übrigen ein Blick in den Koalitionsvertrag. Wir wollen nicht allein die Ungerechtigkeiten am Ende eines Arbeitslebens korrigieren, sondern – darauf sind wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders stolz – wir werden der Altersarmut auch mit der Bekämpfung der Erwerbsarmut begegnen durch eine veränderte, verbesserte Arbeitsmarktpolitik, unter anderem mit einem gesetzlichen Mindestlohn und mit der Stärkung der Tarifbindung. Das alles werden wir jetzt Schritt für Schritt konsequent umsetzen. Ich bin sicher, dass wir noch Gelegenheit haben, darüber intensiv zu diskutieren.
Danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD)