Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon gute Tradition, dass wir vor den Bologna-Konferenzen, auf denen uns die Regierung vertritt, im Parlament darüber diskutieren, wie wir den Bologna-Prozess unterstützen können und in welchem Geiste das geschehen soll. Ich will drei Punkte herausgreifen, die sich nur im Antrag der Koalitionsfraktionen und nicht in den Anträgen der Linken und der Grünen finden.

Der erste Punkt. Sie erinnern sich, dass 2001 eine erste Bologna-Konferenz in Prag stattfand, 2010 eine weitere in Budapest, 2012 in Bukarest, jetzt in Eriwan. Wir sagen in unserem Antrag: Ja, wir möchten, dass in Eriwan die osteuropäische Orientierung praktisch dokumentiert wird und dass auch Weißrussland eine Chance bekommt, sich dem Bologna-Prozess anzuschließen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn es ist nicht zu erklären, dass die Russische Föderation, ein so „demokratischer“ Staat wie Kasachstan, wenn ich das ironisch sagen darf, sowie Moldau dabei sein sollten, aber Weißrussland 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht. Ich kann es auch anders ausdrücken: Nichts ist hinsichtlich der Schaffung von Demokratie subversiver als ein aufgeklärter Student, der in einem anderen europäischen Land studiert hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das darf man nicht offiziell sagen, aber wir alle dürfen daran denken. Deshalb werben wir dafür, dass die Bundesregierung an dieser Stelle ihr Gewicht einbringt und dazu beiträgt, dass es einen 48. Staat gibt, der sich der europäischen Bildungsidee anschließen kann.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist doch keiner dagegen!)

Der zweite Punkt. Herr Rachel, wir begrüßen es seitens der SPD, aber auch der gesamten Koalition ausdrücklich, dass Sie die Lehrerbildung mit in den Mittelpunkt stellen,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

wofür andere mit überzeugt werden sollen. Wenn man sich die Zahlen vor Augen führt, weiß man, dass nur 25 Prozent der Lehramtsstudierenden – das Lehramt ist eine Königsdisziplin an den Hochschulen – ein Auslandsstudium aufnehmen; bei den übrigen Studierenden sind es schon 35 Prozent. Diese Differenz ist nicht zu erklären und auch nicht zu begründen. Wenn wir tatsächlich Internationalität erreichen und die Selbstverständlichkeit vermitteln wollen, dass man seinen Geist auch im Ausland erweitern und so Weltoffenheit entwickeln kann, dann doch über den Bildungsträger Lehrer, über die Persönlichkeit des Lehrers. Eigentlich müssten wir, wenn es nicht arrogant wäre, sagen: 100 Prozent derjenigen, die ein Lehramtsstudium absolvieren, müssen Auslandserfahrungen sammeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Das ist ein großes Ziel; aber man darf mit dem Bologna-Prozess auch große Ziele verbinden. Wir finden es gut, dass sich auch der DAAD damit auseinandergesetzt hat, dass er 2013 eine Tagung veranstaltet hat und sieben konkrete Punkte entwickelt hat. Wir fühlen uns jetzt bei der Bundesregierung bestens aufgehoben und sind uns sicher, dass sie diese Punkte mit nach Eriwan und zu den Folgekonferenzen trägt.

Der dritte Punkt, der sich auch nur im Antrag von CDU/CSU und SPD findet, ist der Begriff der europäischen Bildungsidee. Es gibt welche, die sagen, dass der ganze Bologna-Prozess ein technokratischer Prozess ist. Es ist aber auch gut, wenn es saubere Strukturen gibt; man darf die Technokratie nicht diffamieren. Aber was ist die europäische Bildungsidee? Ist die europäische Bildungsidee nicht die Idee der Freiheit des Geistes? Geht es nicht darum, die Menschen so zu bilden, dass sie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, die Fähigkeit zur Kritik an Ideologien, entwickeln? Ist es nicht auch die Ganzheitlichkeit der Bildung, eine europäische Bildungsidee? Ist die europäische Bildungsidee nicht von Weltoffenheit geprägt? Wenn der Bologna-Prozess jetzt hinsichtlich der Strukturen auf Internationalität, Vergleichbarkeit, Mobilität und anderes zielt und darüber hinaus angestoßen wird, dass wir uns zukünftig um die Qualität der gemeinsamen universitären hochschulischen Bildung in diesem großen europäischen Bildungsraum bemühen, dann wird es Streit geben; aber schon die Qualität des Streites kann zu einer Qualität des europäischen Bildungsraumes werden.

Ich möchte anerkennen, dass die Grünen und die Linken den Bologna-Prozess technokratisch-strukturell mit optimieren wollen. Nur, das reicht uns nicht.

Wir werben darüber hinaus dafür, die Bundesregierung mit drei klaren Botschaften zur Konferenz zu entsenden: erstens die Osteuropaorientierung komplett machen, sodass auch Weißrussland seine Chance bekommt, zweitens die Lehrerbildung zukünftig in den Mittelpunkt stellen, weil dies ein Treibriemen auf dem Weg zur Vision des Europalehrers ist, und drittens an der europäischen Bildungsidee mitarbeiten. Das hat der Bologna-Prozess verdient. Im Jahr 1119 hat es mit der Gründung der ersten Universität in Europa überhaupt begonnen, 2090 müsste es gut abgeschlossen sein. Danke.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)