Er halte es für erforderlich, wie im Jahr 2002 einen Hilfsfonds für die Flutschäden einzurichten. Dieser Hilfsfonds werde mit mehreren Milliarden Euro ausgestattet werden müssen. Die unbürokratische und schnelle Auszahlung der Hilfen wie 2002 müsse der Maßstab für die Hilfen in diesem Jahr sein, sagte Thomas Oppermann. Des Weiteren machte er deutlich, was die durch Schwarz-Gelb ausgebluteten Kommunen jetzt brauchen.
Herr Präsident,
ich möchte Ihnen für die einfühlsamen und richtigen Worte danken, die Sie zur Flutkatastrophe gefunden haben. In der Tat: Das ist kein Thema für parteipolitische Auseinandersetzungen. In diesem Moment sollte der Bundestag insgesamt zusammenstehen und klarmachen, dass wir die Flutopfer nicht alleine lassen, dass wir alle möglichen Hilfen gewähren, die jetzt benötigt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Hochwasser wird schwerste Schäden hinterlassen. Für jeden Einzelnen kann eine Überschwemmung eine existenzvernichtende Katastrophe sein, für einige zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre. Wir dürfen die Menschen, die Unternehmen und die Kommunen in diesem Unglück nicht allein lassen.
Mich ermutigt die große Solidarität, die überall Platz greift, die große Hilfsbereitschaft der Menschen. Wir sollten mit Respekt und Hochachtung den Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz danken. Das Zusammenstehen in der Not zeigt, wie viel Gemeinsinn in unserer Gesellschaft steckt. Daran müssen wir uns in der Politik ein Beispiel nehmen. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Wenn es um die Finanzierung der Hilfen in Milliardenhöhe geht, wird sich die sozialdemokratische Fraktion absolut konstruktiv verhalten.
Es ist gut, dass bereits erste Gelder zugesagt sind, aber das reicht natürlich bei weitem nicht aus. Ich halte es für erforderlich, wie im Jahr 2002 einen Hilfsfonds einzurichten. Dieser Hilfsfonds wird mit mehreren Milliarden Euro ausgestattet werden müssen. Die unbürokratische und schnelle Auszahlung der Hilfen 2002 muss der Maßstab für die Hilfen in diesem Jahr sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Darauf haben die betroffenen Kommunen einen Anspruch.
Damit komme ich zu einem Thema, Herr Schäuble, was wir etwas kritischer diskutieren müssen: die Lage der Kommunen. Den Kommunen in Deutschland ist es in den letzten vier Jahren schlecht gegangen. Da bin ich anderer Meinung als Sie.
Sie lenken den Blick gerne auf Nordrhein-Westfalen. Ich will Ihnen ein Beispiel aus Hessen geben. In Hessen hat die schwarz-gelbe Landesregierung mit Landtagsmehrheit den kommunalen Finanzausgleich um 340 Millionen Euro gekürzt. Man hat den Kommunen 340 Millionen Euro weggenommen, um den Landeshaushalt zu sanieren, Herr Jung. Dafür hat sie vom Staatsgerichtshof eine Ohrfeige bekommen. Das war verfassungswidrig,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
und das ist kein Umgang mit den Kommunen.
Sie haben vier Jahre lang Politik zulasten der Kommunen gemacht. Ihre Klientelpolitik hat immer dazu geführt, dass private Taschen gefüllt wurden, und das Gegenstück dazu waren Schulden und Steuerausfälle bei den Kommunen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Kommunen rund 1,6 Milliarden Euro gekostet.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Quatsch!)
Die Änderung bei der Unternehmensbesteuerung hat zu Ausfällen in Höhe von 650 Millionen Euro geführt. Das gescheiterte Gesetz zum Abbau der kalten Progression hätte die Kommunen weitere 600 Millionen Euro gekostet. Meine Damen und Herren, das ist Politik zulasten Dritter.
(Beifall bei der SPD)
Ihre Klientelgeschenke werden durch steigende Gebühren in den Kommunen und durch steigende kommunale Schulden bezahlt. Die deutschen Kommunen haben Kassenkredite in der unvorstellbaren Höhe von 48 Milliarden Euro. Das können sie kaum noch verkraften. Wahr ist: Einige Kommunen haben sich in den letzten Jahren sanieren können. Wahr ist aber auch: Es gibt sehr viele Kommunen, die immer weiter in den Schuldenstrudel hineingetrieben werden. Deshalb brauchen wir eine grundlegend andere Politik auf Bundes- und Landesebene gegenüber den Kommunen.
(Beifall bei der SPD)
Wir treten für einen Investitions- und Entschuldungspakt ein. Dazu gehört erstens die Unterstützung der Kommunen bei den Sozialausgaben. Da haben wir über den Vermittlungsausschuss bei den Hartz-IV-Verhandlungen erreicht, dass die Lasten, die sich aus der Grundsicherung im Alter ergeben, Schritt für Schritt vom Bund übernommen werden. Auf die Idee wären Sie nicht gekommen, und ohne den von uns angerufenen Vermittlungsausschuss wäre das nicht passiert. Der nächste Schritt ist, sich jetzt die Kosten der Eingliederungshilfe, unter denen die Kommunen besonders stark leiden, genauer anzuschauen.
Zweitens werden wir einen Investitionspakt von Bund und Ländern auf den Weg bringen, von dem insbesondere die finanzschwachen Kommunen profitieren sollen.
Schließlich brauchen wir drittens einen Entschuldungspakt zugunsten der Kommunen, bei dem wir vornehmlich die Einnahmebasis der Kommunen verstärken. Die Kommunen werden von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes angemessen profitieren, und wir wollen auch die Gewerbesteuer weiterentwickeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In dem Zusammenhang müssen wir auch über die Städtebauförderung reden. Die Koalition hat die Städtebauförderung als zentrales Instrument für die zukunftsfähige Entwicklung der Städte und Gemeinden in den vergangenen vier Jahren systematisch gekürzt und vernachlässigt. Trotz eines unstreitig anerkannten Bedarfes in Höhe von 700 Millionen Euro stehen nur 455 Millionen Euro zur Verfügung ‑ und das, obwohl ein von Ihnen selbst vorgelegtes Gutachten belegt, dass die Städtebauförderung eine enorme Investitionsanreizwirkung hat. Auf einen Euro öffentliche Gelder kommen 7 Euro private Gelder, die investiert werden. Das ist eine optimale Relation.
Ihnen fehlt aber nicht nur das Verständnis für eine angemessene Finanzausstattung, sondern auch für die inhaltliche Ausrichtung der Strukturförderung des Bundes an den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Kommunen. Dazu gehört vor allem, das Programm „Soziale Stadt“ wieder vernünftig auszustatten. Es war falsch, dieses Programm 2010 um fast 70 Prozent zu kürzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das war ein absoluter Fehlgriff, Herr Schäuble. Da verwundert es auch nicht, dass in den 20 größten Städten Deutschlands nur noch drei CDU-Oberbürgermeister regieren. Auch die sind nicht mehr sicher ‑ jedenfalls wenn Sie diese Politik nicht grundlegend korrigieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit dem Programm „Soziale Stadt“ konnten in der Vergangenheit in vielen Stadtquartieren drohende Abwärtsentwicklungen gestoppt werden. Wir wollen sichtbare städtebauliche Erneuerungen im Wohnumfeld sowie im Bereich der sozialen und kulturellen Infrastruktur. Diese sind Voraussetzung dafür, dass das soziale Miteinander, der nachbarschaftliche Zusammenhalt und die Integration gelebt werden können.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. ‑ Das Ziel der SPD sind starke Kommunen. Wir wollen die Kommunen wieder stärken. Von starken Kommunen hängt es ab, ob unsere Kinder gute Kindergärten und Schulen vorfinden. Von starken Kommunen hängt es ab, wie Menschen aufwachsen und leben. Von starken Kommunen hängt es ab, ob Integration, ob das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft gelingt, und davon hängt auch ab, ob sich die Menschen in unseren Gemeinden und Städten sicher fühlen. Das ist der zentrale Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir wollen, dass es allen besser geht. Das ist das Gegenteil von Klientelpolitik für einige wenige. In den Kommunen fangen wir damit an.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)