Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der Ehescheidungen in Deutschland liegt Jahr für Jahr im sechsstelligen Bereich. 2013 waren es rund 170 000 Paare, die ihre Ehe beendeten. Das bedeutet, dass jedes Jahr Hunderttausende Menschen unmittelbar von einer Scheidung betroffen sind. Wir reden dabei nicht nur über die persönlichen Enttäuschungen und Verletzungen, wir reden nicht nur über die vielen Veränderungen für das Familienleben. Als Gesetzgeber geht es uns natürlich primär um die rechtlichen Folgen.

Wir debattieren heute über die Fragen des Umgangs mit den erworbenen Anwartschaften für die Altersvorsorge. Es geht uns Sozialdemokraten natürlich darum, dass es eine gerechte Verteilung der Vermögenswerte zwischen den Geschiedenen gibt. Uns ist auch klar: Wir dürfen nicht akzeptieren, dass 65 Jahre nach Verkündung des Grundgesetzes die Gleichstellung zwischen Mann und Frau immer noch nicht überall Alltag zu sein scheint. Heute geht es um die Frage des externen Verteilungsverfahrens bei Betriebsrenten auf die jeweiligen Ansprüche der Geschiedenen und darum, wie sich das auswirkt, dass dabei Ungerechtigkeiten durchaus möglich sind. Frau Keul, wir sind in der Analyse ganz bei Ihnen. – Aber der Reihe nach.

Die betriebliche Altersvorsorge wird allgemein als die zweite Säule der Altersvorsorge bezeichnet. Etwa 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gehen diesen Weg, um ihre Rente aufzubessern. Der Betriebsrente kommt also mit Blick auf die Zukunft eine herausgehobene Rolle in Bezug auf das Einkommen im Alter zu, einem Einkommen, von dem man auch leben können muss. Ich möchte an dieser Stelle mit Blick auf die kommenden Beratungen auch deutlich machen: Wir sollten das im Hinterkopf haben und sicherstellen, dasswir die Akzeptanz der Betriebsrenten am Ende nicht gefährden; denn genau mit dieser Intention hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Versorgungsausgleichs in der vorletzten Wahlperiode, also auch durch die Große Koalition, eine besondere Ausnahme für die betriebliche Altersvorsorge geschaffen, die dieser Herausforderung gerecht werden soll. So werden im Falle einer Ehescheidung oder Trennung normalerweise die Versorgungsanrechte, die die Partner während der Ehe erworben haben, intern geteilt. Das heißt, der Versorgungsträger, sei es eine Kasse oder der Arbeitgeber, nimmt den Ex-Partner – das ist in der Regel oftmals noch die Frau – als Versicherten auf, wobei jeder der Partner die Hälfte der erworbenen Ansprüche erhält. Externe Teilung hingegen bedeutet, dass der Versorgungsträger den Kapitalwert des Anrechts an einen anderen Versicherer übergibt, den die ausgleichsberechtigte Person auswählt. Das geschieht im Normalfall nur bei kleinen Beträgen oder im beidseitigen Einvernehmen.

Anders ist es jedoch bei den Betriebsrenten. Bei der betrieblichen Altersvorsorge hat der Versorgungsträger, in der Regel also der Arbeitgeber, das Recht, einseitig die externe Teilung zu beantragen und so zu verhindern, dass er eine neue Versicherte oder einen neuen Versicherten bekommt und insofern keine zusätzlichen Kosten, zum Beispiel für die Verwaltung, entstehen; das wurde eben schon genannt.

Das führt derzeit zu folgendem Problem: Um den Kapitalwert eines Rentenanspruchs zu bestimmen, wird zumeist ein Zinssatz herangezogen, der momentan bei gut 4,6 Prozent liegt. Wenn ich diesen Maßstab zur Berechnung zugrunde lege und weiß, dass zum Beispiel der Garantiezins bei Lebensversicherungen derzeit bei nur 1,25 Prozent liegt, weil sich die Zinsen allerorts im Keller
befinden, dann wird das Problem schnell deutlich: Die externe Teilung kann zu einer Minderung der Altersvorsorge führen, insbesondere von Frauen, die überproportional oft hiervon betroffen sind.

Der Deutsche Anwaltverein hat in Beispielrechnungen angeführt, dass die am Ende ausgezahlte Rente um mehr als 50 Prozent niedriger sein könnte, als sie es bei Anwendung der internen Teilung gewesen wäre. Das ist also eine deutliche Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes. Allerdings ist dieser Zahl gegenüber – das hat die Kollegin Sütterlin-Waack gerade schon gesagt – eine gewisse Skepsis angebracht. Hier wird, zumindest in den dramatischen Fällen, von einer Zeitspanne von über 40 Jahren zwischen Scheidung und Rente und einem ebenso lange anhaltenden Niedrigzinsumfeld ausgegangen. Das eine darf man wohl als nicht die Regel und das andere als nicht gottgegeben bezeichnen. Tatsächlich fehlt es uns an belastbarem und aussagefähigem Zahlenmaterial.

Ich meine, eine einfache Streichung des § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes wird der Komplexität unseres Problems nicht gerecht. Der Gesetzgeber hat die Ausnahme für Betriebsrenten aus den genannten Gründen ganz bewusst geschaffen. Wir sollten Belastungen der betrieblichen Altersvorsorge vermeiden, wenn wir sie letztlich vermeiden können. Dabei sollten wir Folgendes im Auge behalten: Das Problem ist nicht die externe Teilung selbst, sondern die im Vergleich zur betrieblichen Altersvorsorge zurückhaltende Wertentwicklung bei anderen kapitalgedeckten Vorsorgeformen, von denen insbesondere die Arbeitgeber, also die Firmen profitieren. Wir befinden uns seit Jahren in einer andauernden Niedrigzinsphase. Hier ist keine Lösung in Sicht. Hier ist kein Ende absehbar.

Hätten wir andere Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt gehabt, hätten wir das heutige Problem nicht. Es geht uns zwar darum, das Problem anzugehen, aber dabei nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Konkret bedeutet das für uns: Zunächst sollten wir die anstehenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in mehreren Fällen abwarten, die sich um die Frage der Festlegung eines angemessenen Zinssatzes bei entsprechenden Berechnungen drehen. Dann wissen wir mehr. Dann ist es Zeit, zu prüfen, ob hier gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht oder ob das Problem auch durch eine einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung aufgelöst werden kann. Ansonsten hat – auch das wurde schon gesagt – beispielsweise der Deutsche Familiengerichtstag im letzten Jahr alternative Vorschläge für eine Reform des § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes gemacht.

Es muss uns letztlich um eine Lösung gehen, die das politische Ziel der Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge wie auch die Interessen der Versicherten berücksichtigt. Wir brauchen eine tragfähige Lösung, die beiden Ansinnen gerecht wird. Lassen Sie uns die Thematik in der kommenden Zeit – da sind wir ganz bei Ihnen – mit Sachverständigen beraten! Lassen Sie uns die Zeit bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht untätig verstreichen lassen! Lassen Sie uns die Thematik intensiv beleuchten und schauen, je nachdem, wie die Entscheidung des BGH ausfällt, ob wir am Ende eventuell gesetzgeberisch tätig werden müssen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)