Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem wir vor wenigen Wochen bereits über den vorliegenden Antrag diskutiert und ihn in die zuständigen Ausschüsse verwiesen hatten, beraten wir heute über deren Beschlussempfehlung. Ich will die große Überraschung gleich vorweg nehmen: Ich werde Ihnen am Ende meines Beitrags nahelegen, der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu folgen. Sehr geehrte Damen und Herren, schauen wir uns den ursprünglichen Antrag noch einmal an.

Drei Forderungen stellen die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN darin auf:
Zunächst fordern Sie, den Bündnisfall auf Ebene der NATO-Mitgliedsstaaten und des Rates zu beenden. Das ist, mehr als zwölf Jahre nach dessen Erklärung, sicher nachvollziehbar. Es ist im Übrigen auch schon länger sozialdemokratische Position, das deutsche Engagement in NATO-Missionen auf eine andere Grundlage als den Bündnisfall zu stellen. Dies hat auch die Bundesregierung anerkannt und festgestellt, dass der Bündnisfall nicht mehr die richtige Grundlage für laufende Operationen darstellt. Deswegen hat sie ja im vergangenen Jahr zum Beispiel konkrete Änderungsvorschläge zum Operationsplan der Operation Active Endeavour eingebracht. Im April wird dies in die Beratungen zur Einsatzüberprüfung eingehen, die Beschlussfassung voraussichtlich im Herbst vorliegen. Die deutschen Vorschläge an die NATO spiegeln im Übrigen auch die Beschlusslage hier im Hause wieder. Getragen von einer großen Mehrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vor wenigen Wochen haben wir hier und in den entsprechenden Ausschüssen erst über OAE und eine Änderung der Operationsgrundlage diskutiert. Teil der im Antrag beschlossenen Neuausrichtung war, dass sich die deutsche Beteiligung auf die ständigen maritimen Verbände der NATO im Mittelmeer, auf Aufklärungs- und Frühwarnflüge, sowie den Austausch von Lagedaten beschränken wird. Der damalige Antrag führte weiter an, dass Deutschland sich „im Bündnis kontinuierlich dafür ein[setzt], die Einsatzgrundlagen von OAE auch konzeptionell an die tatsächlichen Einsatzrealitäten anzupassen. Auf deutsche Initiative hat der Nordatlantikrat im April 2013 die Option eröffnet, OAE perspektivisch in eine Operation zu überführen, die sich nicht mehr auf Artikel 5 des Nordatlantikvertrages stützt.“ Die LINKE hat übrigens gegen den damaligen Antrag gestimmt. Nicht sehr überraschend, natürlich oder besser leider…

Sie sehen aber, Kolleginnen und Kollegen der LINKEN: Grundsätzlich ließe sich ihrem Antrag bis hierhin durchaus etwas abgewinnen. Sie haben es allerdings nicht bei einer Forderung belassen, sondern sind noch weiter gegangen. So fordern Sie, dass Deutschland den Bündnisfall zur Not dann eben auch unilateral für beendet erklären soll. Das ist eine - nennen wir es mal kreative - Idee. Eine Möglichkeit der einseitigen Entscheidung, den Bündnisfall nach Artikel 5 für beendet zu erklären, gibt es bei der NATO nämlich nicht. Eine solche Entscheidung muss im Konsens mit den übrigen Mitgliedern in den Gremien des NATO-Rates getroffen werden. Mehrere Partner, etwa die USA und die Türkei, wollen das OAE-Mandat in seiner derzeitigen Form fortsetzen.
Hier muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, was natürlich noch etwas dauern wird. Aber: Durch unilaterale Erklärungen wird da gar nichts erreicht werden.

Ein einseitiges Vorgehen Deutschlands liefe dem Konzept eines Verteidigungsbündnisses auch grundsätzlich zuwider. Ein Bündnis, gerade eines zur Verteidigung, funktioniert durch Einigkeit und durch Geschlossenheit, wohlgemerkt, nicht kritikfrei. Der Bündnisfall wurde gemeinsam festgestellt, folglich sollte er auch gemeinsam für beendet erklärt werden. Alles andere würde das Bündnis schwächen und Vertrauen unter den Mitgliedern unterminieren. Die Tatsache, dass Sie im Begründungsteil des Antrags bestreiten, dass der Bündnisfall je vorgelegen habe, ändert daran nichts.

Die dritte Forderung im Antrag führt diesen Gedanken sogar noch weiter. Laut ihr soll die Bundesregierung sämtliches Engagement in Missionen, die auf Grundlage des Bündnisfalls begonnen wurden, umgehend einstellen. Werte Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier über Operationspläne, die mit monatelangem Vorlauf ausgearbeitet werden. Operationen dieser Größenordnung setzen Verlässlichkeit der Bündnispartner voraus.

Der Antrag, über dessen Beschlussempfehlung wir heute hier abstimmen, drückt das Gegenteil davon aus: Er impliziert einen Mangel an Wertschätzung gegenüber den Bündnispartnern und dem Bündnis. Diese Haltung überrascht aber wenig. Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, Ihre grundsätzlich ablehnende Haltung zur NATO ist lange bekannt und oft Thema in diesem Hause gewesen. Ich hoffe sehr, dass irgendwann die Zeit kommt, in der Pazifismus, wie Sie ihn vertreten, realistisch sein wird. Diesen Zeitpunkt haben wir aber gegenwärtig noch nicht erreicht.

Meine Damen und Herren, die aktuellen Ereignisse haben gezeigt, dass Bündnisse, wie die NATO eines ist, sich leider noch nicht überlebt haben. Ein unilaterales Vorgehen, wie es in dem ursprünglichen Antrag gefordert wird, ist aber definitiv kein Weg, den wir einschlagen können oder sollten. Wir müssen unsere Allianzen wertschätzen und Partnerschaften pflegen. Denn die Zeiten sind offensichtlich leider noch nicht so weit, wie wir das lange gehofft haben. Nach einer Phase, in der ideologisch motivierte nichtstaatliche Akteure bestehende Sicherheitsstrukturen herausgefordert haben, deutet sich derzeit eine Rückkehr zu klassischeren Szenarien an: Staaten und Bündnisse werden anscheinend sicherheitspolitisch wieder eine zentrale Rolle einnehmen. Leider! Aus diesem Grund werden wir uns auf absehbare Zeit weiter in der NATO engagieren. Dazu gehört es, Strukturen und Partner zu respektieren. Unsere Verbündeten müssen sich darauf verlassen können, dass Deutschland gegebene Zusagen einhält und übernommene Aufgaben erfüllt. Mit dem Beitritt zu einem Bündnis bekennt man sich zu den Werten, für die dieses Bündnis steht. Die NATO ist aus dem Bedürfnis demokratischer Staaten entstanden, sich gegenseitig zu schützen. Und zu unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aktuelle Entwicklungen lassen es so aussehen, dass sie dieses Bedürfnis auch künftig erfüllen muss.

Die Mitgliedschaft in der NATO war für die Bundesrepublik auch eine Möglichkeit, einer Demokratie angemessene militärische Strukturen zu etablieren, die mit Verbänden anderer Nationen zusammenarbeiten können. Diese Kooperation über Landesgrenzen hinweg und die Vertrauensbasis, die daraus gewachsen ist, die seit Jahrzehnten besteht, ist eine große Errungenschaft der NATO. Aus diesen Gründen werden wir die NATO-Mitgliedschaft auch weiterhin achten. Und aus diesen Gründen werden wir auch weiterhin vermeidbare Alleingänge unterlassen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie – wie bereits angekündigt - bitten, der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu folgen.

Vielen Dank.