Swen Schulz (Spandau) (SPD): Alle Fraktionen sind sich im Bundestag einig: Eine Verbesserung im Bereich der Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland iist dringend nötig. Die Zustände heute sind schlecht: Die Leute müssen sich durch einen Behördendschungel durchkämpfen, die Rechtspositionen sind teilweise schwach und unklar, es herrscht ungleiche Behandlung der Anerkennung Suchenden je nach Beruf, Nationalität sowie Herkunft der Abschlüsse. Und nicht zuletzt ist die Praxis in den einzelnen Bundesländern sehr uneinheitlich. Mit einem Wort: Es herrscht Anerkennungschaos. Und das ist nicht akzeptabel, weil die Menschen ihre Fähigkeiten hier nicht einbringen können – das verhindert Integration und das ist vor dem Hintergrund des viel beklagten Fachkräftemangels eine riesige Dummheit. Bis zu 500 000 hier lebenden Menschen wird die Anerkennung verweigert. Ihnen wollen wir Respekt entgegenbringen und eine Anerkennungskultur etablieren.
In der letzten Legislaturperiode hatten wir bereits einen Anlauf für ein Anerkennungsgesetz gemacht. Vor zwei Jahren haben wir dann einen Antrag eingebracht. Erst danach zog die Bundesregierung mit Eckpunkten nach. Und dann: Dann gab es ein langes, langes Warten auf einen Gesetzentwurf. Gut Ding will Weile haben, heißt es, doch das vorliegende Ergebnis ist enttäuschend. Man hat den Eindruck: Je länger die Regierungskoalition über das Thema nachgedacht hat, desto leichtgewichtiger wurde das Gesetz.
Aber zuerst das Positive: Es wird der richtige Weg beschritten, dieses Gesetz bringt Verbesserungen gegenüber der aktuellen Situation, weil ein Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren definiert wird. Aber das ist fast schon alles – CDU/CSU und FDP haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Dabei waren sie schon viel weiter, etwa in ihren Eckpunkten vor zwei Jahren oder im letzten Jahr mit dem Antrag der Koalition zum Thema.
Doch wer wirklich Erfolg haben will, der stellt nicht nur ein Verfahren, sondern auch Beratung, Unterstützung und Förderung sicher. Der baut Brücken, die bis ins Erwerbsleben reichen.
Wir haben darum eine Reihe von Verbesserungen beantragt. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf umfassende Beratung. Der fehlt im Gesetzentwurf. Es reicht nicht aus, ein Internetangebot zu machen, eine Telefonhotline zu schalten und ein Beratungsnetzwerk zu fördern – alle diese Maßnahmen können auch mit dem nächsten Haushalt wieder einkassiert werden.
Wir wollen die Gebühren bundesweit einheitlich regeln und darüber hinaus sicherstellen, dass die Gebühren aufgrund ihrer Höhe nicht zur sozialen Hürde werden. Es können schnell mehrere Tausend Euro auflaufen – viele würden sich das nicht leisten können.
Wir wollen die Fristen klar und einheitlich regeln, nämlich drei Monate für alle, mit der Möglichkeit einer ausnahmsweisen Verlängerung um einen Monat. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Ungleichbehandlung und die unbestimmte Öffnung der Frist sind nicht tragbar.
Wir wollen ein modernes Kompetenzfeststellungsverfahren, damit nicht nur nach Papierlage, sondern nach Fähigkeiten entschieden wird.
Wir wollen für diejenigen, die keine volle Anerkennung erhalten konnten, einen Rechtsanspruch auf sogenannte Anpassungsmaßnahmen, also etwa Lehrgänge,
schaffen. Dazu sind Prüfungsvorbereitungsmaßnahmen und berufsspezifische Sprachkurse nötig, damit die Menschen auch wirklich eine Arbeit finden können. Dafür
müssen auch Förderungen für diejenigen zur Verfügung gestellt werden, die sozial schwach sind und sich Anpassungsmaßnahmen sonst nicht leisten könnten – das könnte etwa über ein Einstiegs-BAföG oder den Ausbau bestehender Förderinstrumente geschehen.
Wir wollen die Bündelung, Vereinheitlichung und Qualitätssicherung der Verfahren. Es darf nicht vom Wohnort abhängen, ob jemand eine Anerkennung erhält oder nicht. Darum müssen wir etwa eine zentrale Agentur für Anerkennungsstandards einrichten.
Die ausgestellten Bescheide müssen einheitlich, klar und transparent sein, damit die Arbeitgeber damit auch etwas anfangen können.
Und die Berufe müssen stärker als im Gesetzentwurf gleichbehandelt werden. Es werden teilweise sehr deutlich von den Grundsätzen des Gesetzentwurfs abweichende
Regelungen für die einzelnen reglementierten Berufe und auch nach Herkunft der Abschlüsse gefunden – das ist jedenfalls in diesem Umfang nicht akzeptabel.
Viele dieser Forderungen finden sich in den eigenen Papieren der Regierungskoalition wieder. Doch unsere Anträge wurden allesamt abgelehnt – CDU/CSU und FDP haben sich damit selbst widersprochen, sie haben die eigenen Forderungen abgelehnt!
Ihre Argumentation muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Zu den Ausgleichsmaßnahmen teilt Staatssekretär Braun etwa mit, dass davon auszugehen
sei, dass der Weiterbildungsmarkt entsprechende Angebote machen werde. Na großartig. Das macht er vielleicht, vielleicht auch nicht – die Bundesregierung kümmert sich nicht darum.
Vor allem stellt sich dann auch die Frage, ob sich die Leute, die ja erst in den Beruf wollen, solche Angebote privat finanzieren können. Was sagt der Staatssekretär dazu? Kein Problem, sagt er, es gebe ja die Instrumente der Arbeitsförderung. Was er dabei mal eben vergisst zu sagen, ist, dass die Förderung von eben dieser Koalition zusammengestrichen wird: von 2011 bis 2015 26,5 Milliarden Euro weniger, dazu 12 Milliarden Kürzungen des Bundes beim Zuschuss! Und dann habe ich gestern in der Fragestunde den Staatssekretär gefragt, wie es denn mit geplanten Mehrausgaben im Bereich der Agentur für Arbeit aussieht. Die Antwort kurz gefasst lautet: Null!

Dann kommt die Koalition immer mit dem Argument Inländerdiskriminierung. Man dürfe für die Antragsteller nach diesem Gesetz keine Bevorzugung beschließen. Dazu ist zu sagen: Erstens haben es immer noch vor allem Migranten schwerer auf dem Arbeitsmarkt. Und zweitens ist doch das Hauptproblem die Kürzungspolitik dieser Koalition. Die Schlussfolgerung kann doch nicht lauten, nichts mehr zu machen, sondern es müssen generelle Verbesserungen her, etwa im Rahmen eines Erwachsenenbildungsfördergesetzes.
Ich betone für die SPD-Fraktion nochmal: Dieses Gesetz ist ein Fortschritt, doch es wird so nicht zu dem erhofften echten Fortschritt führen. Wir wollen nicht, dass nur geguckt wird, ob jemand passt oder nicht – und im Zweifelsfall gibt es ja genug Antragsteller aus dem Ausland. Sondern wir wollen die Menschen, die hier leben, die mittun wollen, unterstützen, ihnen eine Chance geben.

Die Koalition warnt vor einem Vermittlungsverfahren, das durch den Bundesrat beschlossen werden könnte. Dieses Gesetz müsse jetzt endlich schnell in Kraft treten, man habe schon lange genug gewartet. Doch es war diese Koalition, die für die lange Wartezeit verantwortlich ist. Da kann man nicht den anderen Beteiligten sagen: „Jetzt macht mal schneller“. Vor allem aber ist es die schwachbrüstige Ausgestaltung des Gesetzes, die das Risiko erzeugt, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft. Der böte jedenfalls die Chance auf Verbesserungen, zu denen die Koalition trotz Sachverständigenanhörung und trotz unserer Anträge nicht willens oder in der Lage war.