Swen Schulz (Spandau) (SPD): Die Fraktion Die Linke spricht in ihrem Antrag vollkommen zu Recht Missstände der Hochschulpolitik dieser Regierungskoalition an. Die Vergabeverfahren von Studienplätzen sind vollkommen unzulänglich, belasten die Studieninteressierten und führen zu tausendfach unbesetzten Studienplätzen. Gleichwohl stehen viel zu wenige Studienplätze – zunehmend auch im Masterstudium – zur Verfügung. Die Bundesregierung aber handelt nur spät und halbherzig.
Aber das ist ja nichts Neues: Ministerin Schavan müssen wir immer wieder zum Jagen tragen. Langsam wird es lästig.
Das fing vor Jahren bei der Föderalismusreform an. Es war die SPD-Bundestagsfraktion, die auf den letzten Drücker erstritten hat, dass Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern ins Grundgesetz geschrieben werden. Das war ein echter Kampf mit den Ländern. Und Frau Schavan hat – bestenfalls – die Hände in den Schoß gelegt. Aber erst auf dieser Grundlage wurde der Hochschulpakt überhaupt möglich!
Dann wurde die Wehrpflicht abgeschafft. Das hatte zur Folge, dass natürlich viele Studieninteressierte früher als geplant an die Tore der Hochschulen klopften. Wir haben sofort eine entsprechende Aufstockung des Hochschulpaktes gefordert. Was hat Frau Schavan gemacht? Nichts! Sie hat sogar noch abgestritten, dass es einen Handlungsbedarf gebe – und die Abgeordneten der Koalition haben dieses Blockadespiel noch im Bundestag und im Ausschuss mitgespielt, bis die Bundesregierung endlich unter den unbestreitbaren Sachargumenten der Ministerpräsidenten beidrehte und eine Aufstockung vornahm.
Dann ist schon vor einiger Zeit deutlich geworden, dass der Hochschulpakt so erfolgreich ist, dass er gar nicht ausreicht. Dass er deutlich aufgestockt werden muss! Wir von der SPD haben darum vor genau einem Jahr einen „Hochschulpakt plus“ beantragt. Wie zu diesem Semesterbeginn waren schon vor einem Jahr die Zeitungen voll von Schlagzeilen; ich erinnere nur an die Überschriften: „Stresstest für Hochschulen“, „Universitäten sind knüppeldicke voll“, „Hörsäle sind überfüllt“, „Die Invasion“, „Unis schotten sich mit Numerus clausus ab“, Platzangst im Hörsaal“, „Flickwerk an deutschen Unis“ usw. Und die Schweiz etwa hat es satt, dass immer mehr Deutsche zu ihnen zum Studieren kommen, weil sie in Deutschland keinen Studienplatz finden.
Eine verantwortungsvolle Bundesregierung macht in einer solchen Situation den Ländern ein Angebot und setzt ein klares und starkes Signal zur Ausfinanzierung der notwendigen Studienplätze in den nächsten Jahren. Was aber macht diese Bundesregierung? Immerhin: Sie haben Mittel aus der mittelfristigen Finanzplanung ins Jahr 2013 vorgezogen, damit Sie den akuten Bedarf im Hochschulpakt decken können. Das erkennen wir an.
Doch das bleibt letztlich Flickschusterei. Denn nötig sind erstens die kräftige Anhebung des aktuell laufenden Hochschulpaktes II und zweitens die schnelle Vereinbarung des nächsten Hochschulpaktes III, damit die Länder,die Hochschulen und die Studierwilligen Planungssicherheit und Perspektiven erhalten. Denn Studienplätze, die dafür nötigen Investitionen und Personalkapazitäten lassen sich nicht von heute auf morgen schaffen.
Aber Frau Schavan bewegt sich nicht. Und dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Sie darf nicht! Weil sie das nötige Geld dafür nicht erhält. Weil die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung zwar noch für 2013 ein kräftiges Plus bei Bildung und Forschung vorsieht. Doch ab 2014 – also nach den Bundestagswahlen – sind sogar Kürzungen im Bildungshaushalt vorgesehen. Weil sich die Regierung Merkel im Wahlkampf damit brüsten will, die Schulden zurückzufahren. Gegen dieses Ziel haben wir ja auch nichts. Aber doch nicht auf Kosten der Bildung, auf Kosten der jungen Leute, auf Kosten der Zukunft!
Und so spielt die Bundesregierung schon seit Monaten auf Zeit. Da werden Daten und Erhebungen gefordert, obwohl die Dinge doch auf der Hand liegen. Was da herausgekommen ist, haben wir Ihnen schon mindestens ein Jahr zuvor vorhergesagt. Und dann ist da das aktuelle Lieblingszeitspiel der Ministerin Schavan: das Thema Verwendung der Mittel und Gegenfinanzierung durch die Länder. Natürlich muss der Bund darauf achten, dass die Länder ihre eingegangenen Verpflichtungen einhalten. Dafür muss es auch entsprechende Verfahren geben.
Doch erstens darf das doch nicht zu Verzögerungen zulasten der Hochschulen gehen; das kann auch später geklärt werden. Zweitens aber haben Sie gar keine Grundlage für Ihre Verdächtigungen. Jedenfalls hat die Bundesregierung mir ganz offiziell auf eine Anfrage geantwortet, dass alle Bundesländer ihre Verpflichtungen aus dem Hochschulpakt sogar übererfüllt haben. Die Bundesregierung demaskiert das Gerede von Ministerin Schavan als Täuschungsmanöver!
Und in ebendieser Antwort vom 1. März 2012 auf meine Anfrage hat die Bundesregierung übrigens auch festgestellt – ich zitiere –: „Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für weitere Verhandlungen über den Hochschulpakt.“ Das allerdings schlägt dem Fass den Boden aus. Keine Notwendigkeit? Wenn Sie wenigstens ehrlich wären und sagen würden: „Verzeihung, aber das nötige Geld wird nicht zur Verfügung gestellt.“ Doch diese Antwort ist der Hohn.
Die aktuellen, auch von der Bundesregierung angeforderten Zahlen, sprechen eine ganz andere, eindeutige Sprache: Gegenüber den alten Prognosen, auf denen der Hochschulpakt basiert, müssen wir von einem Zusatzbedarf von 357 000 Studienplätzen bis 2015 und von 749 000 Studienplätzen bis 2020 ausgehen. Das sind die amtlichen Zahlen der Kultusministerkonferenz, und die haben sich bisher immer noch als zu vorsichtig herausgestellt. Und da will die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf erkennen? Sie versündigen sich an der Zukunft dieses Landes!
Lassen Sie mich noch kurz die Gelegenheit nutzen, ein wenig zu unserem Konzept eines neuen Hochschulpaktes sagen. Wir wollen ihn nämlich nicht nur aufstocken – übrigens auch mit Blick auf die Masterstudienplätze –, sondern wir wollen auch eine neue, qualitative Ebene hineinbringen, indem wir einen Abschlussbonus einführen. Dahinter steht folgende Überlegung: Mit dem Hochschulpakt wird bisher die Aufnahme des Studiums, der Studienbeginn gefördert. Doch was ist mit dem weiteren Verlauf des Studiums? Die Hochschulen müssen gefördert und angereizt werden, die Lehre zu verbessern, sich während des Studiums um die erfolgreiche Lehre zu kümmern. Darum wollen wir, dass alle erfolgreichen Studienabschlüsse mit einem Bonus versehen werden. Auf diese Art und Weise können wir dem Hochschulpakt ein starkes, zweites Standbein verleihen.
Es wäre noch viel Weiteres zu sagen, etwa über das Trauerspiel der Hochschulzulassung. Wir danken der Fraktion Die Linke für den Impuls, aktuell darüber zu debattieren. Das werden wir im Ausschuss und – wie ich hoffe – auch bei nächster Gelegenheit im Plenum machen. Ob das jedoch bei der Regierungskoalition zur Einsicht führt, bleibt abzuwarten.