Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem von uns eingebrachten Antrag möchten wir die Aufmerksamkeit des Plenums, aber auch der Öffentlichkeit auf drei Punkte richten, die uns im Umfeld von Studienfinanzierung und BAföG besonders wichtig sind. Der erste Punkt ist: Wir brauchen noch mehr Schub in Richtung Abschaffung der Studiengebühren. Der zweite Punkt ist: Wir brauchen eine neue Ausrichtung der Stipendienkultur. Der dritte Punkt ist: Wir brauchen eine klare Antwort in Bezug auf die Stärkung des BAföG.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Der erste Punkt. Manchmal geht Bildungspolitik merkwürdige Wege. Wir alle hier im Bundestag und manche außerhalb des Parlaments wissen, dass die Bundesbildungsministerin wie auch die Verantwortlichen in der CDU/CSU- und FDP-Fraktion pro Studiengebühren sind. Wenn man das weiß, wundert man sich, dass in Hessen, wo CDU und FDP mit klarer Mehrheit regieren, keine Studiengebühren existieren. In Hessen haben CDU und FDP nämlich beibehalten, was SPD und Grüne durchgesetzt haben: Weg mit Studiengebühren!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Link zum Video für Apple-Anwendungen
Wir wissen, dass in Nordrhein-Westfalen ein Möchtegern-Ministerpräsident angekündigt hatte, auch er werde dort die Rücknahme der Studiengebühren beibehalten, weil sie keinen Sinn machen. Im Saarland hat die CDU- Ministerpräsidentin nicht darauf gedrungen, Studiengebühren einzuführen. In Berlin hat der stellvertretende Regierende Bürgermeister ebenfalls nicht darauf gedrungen. Und was ist mit Seehofer in Bayern? Das von Einsicht geprägte Südgestirn der deutschen Bildungspolitik hat allen versprochen: Es wird nach der nächsten Landtagswahl, egal wie sie ausgeht, keine Studiengebühren in Bayern geben.
An dieser Stelle wollen wir Klarheit. Wir wollen Klarheit über die Position der bürgerlichen Koalition von CDU/CSU und FDP. Wir wollen Klarheit darüber, wohin sie sich orientiert. Diese Klarheit muss es auch in Bezug auf Niedersachsen geben; denn Niedersachsen, regiert von CDU und FDP, ist offensichtlich das letzte Bundesland ohne Einsicht. In Niedersachsen müssen jetzt die Wählerinnen und Wähler dafür sorgen – so haben sie es auch in anderen Ländern getan –, dass Studiengebühren sozusagen abgewählt werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Besser wäre es allerdings, wenn nicht erst die Wähler dafür sorgen müssten, sondern wenn die Einsicht beim bayerischen Ministerpräsidenten vielleicht schon jetzt dazu führen könnte, Studiengebühren auch in Bayern abzuschaffen. Besser wäre es außerdem, wenn die Einsicht bei allen für Bildungspolitik Verantwortlichen dahin führen könnte, Studiengebühren deshalb abzuschaffen, weil diese Gebühren ein Studium, das sowieso teuer ist und die Familien finanziell beansprucht, noch teurer machen. Deshalb: Studiengebühren weg, damit alle einen Zugang zum Studium haben und es keine Finanzierungsbelastung gibt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir brauchen Studenten aus allen sozialen Schichten. Wir wollen eine positive Weiterentwicklung der Hochschulen, wir wollen, dass Hochschulen attraktiv sind, zu einem Studienabschluss führen und allen eine Bildungs- und Berufsperspektive bieten. Hochschulpolitik für alle sozial gerecht zu gestalten, ist das erste Ansinnen, das wir haben.
Der zweite Punkt bezieht sich auf die neue Ausrichtung der Stipendienkultur. Wir und auch Sie wissen, dass wir in der Großen Koalition vieles getan haben, die Begabtenförderwerke besser auszustatten. Sie wissen, dass wir unterschiedlicher Auffassung über das Deutschlandstipendium sind. Aber es gibt einen Konsens darüber – das wird anscheinend vergessen –, dass auch in der Hochschulbildung soziale Gerechtigkeit der Maßstab ist. Es gibt viele beruflich Qualifizierte ohne Abitur, die gerne ein Aufstiegsstipendium in Anspruch nehmen würden. Sie können das aber nicht tun, weil das Ziel von 10 000 Stipendien, mit dem das Studium von beruflich Qualifizierten unterstützt werden soll, noch nicht erreicht ist. Da sind wir bei 4 200 hängen geblieben.
Wir möchten Ihnen allen empfehlen: Wenn wir die Stipendienkultur in Deutschland gemeinsam neu ausrichten wollen, sollten wir mit den Begabtenförderwerken ins Gespräch kommen, damit diese besonders Studierende aus nicht so guten finanziellen Verhältnissen in den Blick nehmen. Wir sollten uns außerdem darum bemühen und dafür werben, das Aufstiegsstipendium als eine von uns allen getragene Perspektive der Stipendienkultur zu verstärken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mittelfristig müssen wir dafür sorgen, dass es einen Rechtsanspruch darauf gibt und dass es nicht bei einer Stipendienlotterie bleibt. Man sollte sich planerisch darauf einstellen können, unter bestimmten finanziellen oder sozialen Voraussetzungen eine Unterstützung für einen gewählten Bildungsweg zu erhalten. Die mittelfristige Perspektive muss dahin gehen, diese Überlegungen zum Inhalt des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes zu machen.
Damit komme ich zum dritten Punkt, zum BAföG. Auch die Studierendenförderung bietet eine Perspektive für mehr Gerechtigkeit im Hochschulbereich. Es gibt einen Rechtsanspruch auf BAföG. Dieser Rechtsanspruch wurde zwischenzeitlich in Zweifel gezogen. Mittlerweile konnten wir aber erleben – in der Großen Koalition, aber auch in der CDU/CSU-FDP-Koalition –, dass wieder mehr fürs BAföG getan wird.
Wenn das BAföG jedoch wieder die Qualität bekommen soll, die es in den Anfangsjahren, also vor 40 Jahren, einmal hatte, als es von fast 50 Prozent der Berechtigten tatsächlich in Anspruch genommen wurde, dann darf es hinsichtlich der Verbesserungen der Bedingungen für den Erhalt von BAföG zu keinem Stillstand kommen.
Deshalb sagen wir: Wir wollen endlich eine Antwort seitens der Bundesregierung auf die Frage, was sie zusätzlich zur Verstärkung des BaföG tun will. Dieses Spiel zwischen Bund und Ländern, bei dem jeder auf den anderen schaut, zerstört wiederum das Vertrauen in das BAföG, das Studierende mittlerweile gewonnen haben.
Aus unserer Sicht sollte die Perspektive darin bestehen – vielleicht können wir hier gemeinsam handeln –, vor allen Dingen die Freibeträge stärker anzuheben. Denn die Anhebung der Freibeträge hat vielen Studierenden den Zugang zum BAföG überhaupt erst ermöglicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In Klammern sage ich: Wer sich so echauffiert über die kalte Progression im Steuerrecht,
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Daran halten Sie ja fest!)
der darf einen kurzen Moment darüber nachdenken, ob nicht auch beim BAföG das Problem darin besteht, dass manche Familien aus dem Kreis der Berechtigten herausfallen, weil ihr Einkommen gewachsen ist und sie damit nicht mehr anspruchsberechtigt sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da wir in der Hochschulbildungsrepublik etwas ganz Konkretes tun wollen, lautet unser Wunsch: Unternehmen Sie etwas in Bezug auf die Erhöhung der Freibetragsgrenzen, weil dies dafür sorgt, dass mehr Menschen, die eine Hochschule besuchen wollen, einen Rechtsanspruch auf Unterstützung haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte abschließend sagen: Sie von CDU/CSU und FDP haben jetzt die Chance, uns Klarheit zu verschaffen – sei es im Namen Ihrer eigenen Fraktion oder im Namen der Koalition –, wie es denn eigentlich von Bayern bis Niedersachsen um Ihre Position im Hinblick auf Studiengebühren bestellt ist.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: 91 b!)
Sind Sie bei Seehofer, oder wo stehen Sie?
Ich frage weiter: Wie ernst nehmen Sie das, was im Hinblick auf die Aufstiegsstipendien und damit auf den verbesserten Zugang zur Hochschulbildung für beruflich Qualifizierte geplant ist? In Bezug auf das BAföG frage ich: Meinen Sie, Nichtstun macht das BAföG stärker? Gehen Sie mit uns den Weg, das BAföG mehr Familien und mehr Studierenden zugänglich zu machen.
Diese drei Fragen zur Gerechtigkeit sollten Sie heute dem Parlament und der deutschen Öffentlichkeit beantworten.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Mehr Reden und weitere Information zur Arbeit des Kreis Pinneberger Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann im Deutschen Bundestag finden sie hier.