Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war jetzt viel von den Staaten und von denen, die sie lenken, die Rede. Ich will über die Menschen sprechen, die unter der Politik zu leiden haben. Als migrationspolitischer Sprecher meiner Fraktion möchte ich darüber sprechen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung das Land jetzt schon verlassen musste oder im Land versprengt ist.

Stellen Sie sich bitte alle einmal diese Dimension vor. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn 40 Millionen Menschen aus Deutschland unterwegs wären. Ich denke, das macht deutlich, in welcher dramatischen Lage wir uns befinden. Was brauchen diese Menschen? Sie brauchen drei Dinge: Sicherheit, Versorgung und Perspektiven. Wir sind nur sehr unterschiedlich erfolgreich, diese Dinge zu gewährleisten und sicherzustellen.

Der erste Punkt ist die Sicherheit. Wenn jemand flieht, dann ist es unsere erste Aufgabe, den Schutz und die Sicherheit zu gewähren. Genau das steht auch in der EU-Türkei-Vereinbarung, und genau das wird nicht erreicht; denn die Menschen stehen vor den Zäunen und den Mauern. Lieber Herr Wadephul, Sie haben gesagt: Ohne die UN ist diese Sicherheit nicht zu gewährleisten. – Aber das muss man an die Außenpolitiker zurückgeben: Mit der UN scheint es auch nicht zu gehen. – Deswegen ist folgende Frage offen – und ich glaube, wir müssen uns ihr neu stellen –: Wer muss wo welche Verantwortung übernehmen, damit diese Sicherheit künftig gewährleistet werden kann?

Der zweite Punkt ist die Versorgung. Hier muss ich einmal ausdrücklich sagen: Wir erinnern uns alle an 2015. Als die Fluchtbewegung stark einsetzte, hat das Welternährungsprogramm Alarm geschlagen und gesagt: Wir können die Menschen in den Flüchtlingscamps nicht ausreichend versorgen. – Heute wissen wir, dass Deutschland der zweitgrößte Geber des Welternährungsprogramms ist. Wir müssen auch an dieser Stelle sagen: Wir tun viel; die Regierung tut viel. Wir dürfen nicht immer nur das Elend beschreiben, sondern wir müssen auch einmal klar sagen, was seitens unserer Regierung getan wird, damit wir daraus auch die Kraft ziehen, noch mehr zu tun; denn das ist sicherlich auch nötig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der dritte Punkt sind die Perspektiven. Ich war zuletzt auf Lesbos in einem Flüchtlingscamp. Niemand sollte unter solchen Bedingungen überhaupt, geschweige denn länger leben müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen heißt „Perspektive“, dass man die Menschen rausholen muss. Herr Kollege Frei, wenn Sie sagen, wir hätten die EU-Türkei-Vereinbarung erfüllt, dann bitte ich Sie, den Punkt 4 dieser Vereinbarung noch einmal zu lesen. Dort steht: Sobald die irreguläre Migration abnimmt – das hat sie in den letzten zwei Jahren eindeutig getan –, eröffnen wir humanitäre Aufnahmeprogramme auf freiwilliger Basis in Europa. – Das hat nicht stattgefunden. Auch in diesem Punkt müssen wir nachlegen. Was wir an Resettlement in der Welt als internationale Staatengemeinschaft zur Verfügung stellen, ist unbefriedigend. Das betrifft leider auch Deutschland; das muss ich in dieser Deutlichkeit hier so sagen. Resettlement-Angebote müssen gestärkt werden; der UNHCR ruft uns dazu mit aller Deutlichkeit auf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will aber anschließend an die Debatte von gestern noch einmal sagen: Resettlement erfordert auch geordnete Verhältnisse. Die Chancen für Resettlement-Programme steigen, wenn es an den Grenzen geordnet zugeht. Deswegen möchte ich an dieser Stelle die Kolleginnen und Kollegen von den Linken und von den Grünen ansprechen. Wenn es um Grenzsicherung geht, wenn es darum geht, dass das Innenministerium auf Farsi oder auf Arabisch twittert und über die Verhältnisse an den Grenzen informiert, bitte ich Sie, dass Sie das nicht immer nur als Abwehr skandalisieren, sondern auch als einen Beitrag zu diesen ordentlichen Verhältnissen sehen. Es geht nicht darum, Ulla Jelpke, erst das eine und dann das andere zu tun. Menschlichkeit und geordnete Verhältnisse, ein handlungsfähiger Staat, der für geordnete Verhältnisse an den Grenzen sorgt, das muss zusammengehen, und es geht auch zusammen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Ordnung schließt selbstverständlich ein, dass an diesen Grenzen niemand zuschanden kommt. Wir haben gestern entsprechende Meldungen gehört. Die Menschenrechte müssen geachtet werden; sie müssen angewendet werden. Aber das heißt eben auch: Bei aller Verzweiflung muss Grenzbeamten gegenüber Respekt aufgebracht werden. Es gibt Regeln, nach denen man Grenzen übertritt, und diese sind zu jeder Zeit einzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Für diesen Dreiklang – Sicherheit, Versorgung und Perspektiven – bleibt noch viel zu tun; das wird auch noch Zeit brauchen. So lange müssen wir uns diplomatisch bemühen, wie es der Staatsminister eindrucksvoll beschrieben hat. Ich habe Hochachtung vor allen, die dabei tätig sind. Wir hier lenken den Scheinwerfer immer nur darauf, wenn wieder irgendwo eine dramatische Situation entsteht. In den Sälen und Konferenzen dieser Welt wird Tag für Tag, Monat für Monat und teilweise Jahr für Jahr darum gerungen. Vielen Dank und alles Gute für diese wichtige Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt sorgen wir dafür, dass die humanitäre Hilfe nicht nur auf den Weg gebracht wird, sondern bei den Menschen auch ankommen kann. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)