Elke Ferner warf der schwarz-gelben Regierung in ihrer Rede vor, dass mit der Erhöhung der Einkommensgrenzen bei Mini-Jobs mehr Menschen in sozialungeschützte Beschäftigung gedrängt werden. Und dies sei vor dem Hintergrund der Debatten der letzten Wochen um Altersarmut abenteuerlich.
Anrede,
mit diesem Gesetzentwurf zeigen sie Ihr wahres Gesicht.
Sie sind sich selbst für den gröbsten Unfug nicht zu schade.
Wer die Zahlen zur Struktur der Mini-Jobs kennt, kann einen solchen Gesetzentwurf nicht ernsthaft zur Abstimmung stellen. Anstatt prekäre Beschäftigung abzubauen vergrößern sie sie noch.
Mini-Jobs sind weiblich.
Mehr als 2/3 aller Mini-Jobs werden von Frauen ausgeübt. Und wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass zwei Drittel gerne mehr arbeiten würden, aber in den Mini-Jobs gefangen sind.
Mini-Jobs verfestigen in Verbindung mit der beitragsfreien Mitversicherung in der GK, dem Ehegattensplitting und der Steuerklasse V die Rolle der Ehefrauen auf die Zuverdienerinnenrolle.
Knapp 5 Millionen Menschen haben nur einen Mini-Job, ohne eigenständige soziale Absicherung, ohne Existenzsicherndes Einkommen, ohne bzw. ohne nennenswerte Ansprüche bei der Rente.
Besonders alarmierend ist, dass alleine in der Altersgruppe zwischen 40 und 55 Jahren 1,4 Millionen nur einen Mini-Job haben.
Da wird heute die Grundlage für die Altersarmut von morgen gelegt.
Und was machen Sie jetzt? Sie erhöhen die Einkommensgrenzen, bis zu denen Menschen ohne jeglichen sozialen Schutz arbeiten können.
Das ist absurd und das ist vor dem Hintergrund der von Frau von der Leyen angezettelten Debatte um Altersarmut auch scheinheilig.
Frau von der Leyen beklagt in Sonntagsreden die Altersarmut insbesondere von Frauen und werktags liefert sie die Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf, der Erwerbsarmut und damit Altersarmut noch vergrößert.
Das wahre Gesicht von schwarz-gelb und auch der Arbeitsministerin ist: Sie wollen mehr statt weniger ungeschützte Beschäftigung.
Wir wissen alle, dass die sog. Geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse im Alltag der Menschen Beschäftigungsverhältnisse dritter Klasse sind.
Viele Beschäftigte wissen nicht um ihre Rechte:
Um ihr Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Um ihr Recht auf bezahlten Urlaub.
Um Ihr Recht auf gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit.
Viele Arbeitgeber enthalten ihren Beschäftigten diese Rechte vor, denn nur so lohnt sich aus Arbeitgebersicht ein Mini-Job.
Kein Arbeitgeber zahlt freiwillig 30 Prozent statt 20 Prozent Sozialversicherungsabgaben.
Also sparen sie an anderer Stelle.
Sie bezahlen die Mini-JobberInnen einfach schlechter. ¾ aller Mini-JobberInnen erhalten weniger als 8,50 € / Stunde.
Sie erhalten häufig weniger Geld als die Kollegin mit dem Teilzeitjob oder der Kollege mit dem Vollzeit-Job für die gleiche Arbeit.
Wenn sie krank werden erhalten sie kein Geld.
Bezahlten Urlaub gibt es nicht.
Dort wo die Gesetze formal eingehalten werden, werden sie unterlaufen.
Es häufen sich die Klagen darüber, dass Arbeitsverträge mit niedriger Stundenzahl gemacht werden, die Beschäftigten sich für regelmäßige Mehrarbeit bereithalten müssen und im Krankheitsfall oder beim Urlaub dann die Lohnfortzahlung auf Basis der niedrigen Stundenzahl gewährt wird.
Anstatt diesen offenkundigen Missbrauch durch die Arbeitgeber abzustellen, erhöhen sie das Missbrauchspotential auch noch zu Lasten der Beschäftigten.
Von der FDP erwartet man ja nichts anderes, aber wie kann die Union sich für eine derartige Politik zulasten der Beschäftigten und vor allem zulasten der Frauen hergeben?
Anrede,
Sie begründen diesen groben Unfug damit, dass die Mini-JobberInnen endlich mal einen Inflationsausgleich bekommen müssten.
Das ist nun wirklich ziemlich schräg.
Den Inflationsausgleich bekommen die Beschäftigten doch nicht durch die Anhebung einer Verdienstgrenze.
Den Inflationsausgleich bzw. eine Gehaltserhöhung müssten die Beschäftigten durch Lohnerhöhungen wie alle anderen Beschäftigten schon längst bekommen haben.
Und wenn durch eine Erhöhung des Stundenlohns die 400€-Grenze überschritten würde, dann gibt es noch die Möglichkeit, die Stundenanzahl zu reduzieren und das gleiche Geld zu bekommen. Das ist auch eine Gehaltserhöhung.
Sie suggerieren: die Menschen, die heute 400 € bekommen, würden ab dem 1.1 2013 450 € bekommen. Das wird aber bei gleicher Arbeitszeit nicht der Fall sein.
Was Sie bewirken ist, dass mehr Menschen in sozial ungeschützte Beschäftigung gedrängt werden. Und das ist vor dem Hintergrund der Debatten der letzten Wochen um Altersarmut geradezu abenteuerlich.
Diejenigen, die zwischen 400 und 450 € verdienen und heute regulär mit eigenständiger sozialer Absicherung beschäftigt sind, werden auch noch in prekäre Beschäftigung gelockt.
Wer 450 € brutto verdient, erhält heute mit Steuerklasse V nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge netto ca 314 € - in der Gleitzone ca 348 €.
Es ist nicht schwer zu erraten, wie sich Menschen, die jeden Cent 2x umdrehen müssen entscheiden werden, wenn sie stattdessen jeden Monat 450 € netto bekommen können.
Dass es dann keine soziale Absicherung gibt fällt bei vielen dann nicht so ins Gewicht.
Die Ehefrau ist bei dem Ehemann beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mitversichert, die hohen Steuern der Steuerklasse V fallen weg und der Splittingvorteil erhöht sich noch – wer dieser Verlockung widerstehen kann muss schon sehr willensstark sein.
Die Rentenansprüche sind auch bei 450 € nicht wirklich hoch und dass man keinen Zugang zu Reha-Leistungen in der Rentenversicherung hat oder seine Anwartschaftszeiten für den Zugang zur Erwerbsminderungsrente verspielt, entspricht vielleicht sogar Ihrem Kalkül.
Dann feiern Sie sich dafür, dass sie jetzt die Regel umkehren und die Mini-Jobs zwar zunächst rentenversicherungspflichtig machen, aber ein Opting out zulassen. In der Tat eine winzige Verbesserung. Aber Sie selbst gehen nicht davon aus, dass die Beschäftigten dann auch in nennenswerten Umfang auf das Opting out verzichten. Denn Sie gehen selbst nur von ca 10% aus, die rentenversichert bleiben.
Eins ist jedoch sicher: sie vergrößern die prekäre Beschäftigung und sie reduzieren die Einnahmen in den Sozialversicherungen und die Steuereinnahmen beim Bund, den Ländern und den Gemeinden.
Zu welchen Absurditäten Die Mini-Job-Regelung in Verbindung mit der Zuschussrente von Frau von der Leyen führt will ich Ihnen zum Abschluss mal vorrechnen:
Wer 35 Jahre lang einen Mini-Job ausgeübt hat erhält bei 450 € Einkommen pro Monat bei Fortführung der Rentenversicherung einen Rentenanspruch von: 163,45 €
Wenn er oder besser gesagt sie privat vorgesorgt hat, sind die Voraussetzungen für Frau von der Leyens Zuschussrente erfüllt. Sie bekommt dann zusammen mit ihrem eigenen Rentenanspruch und Zuschussrente eine Rente von 245 € wenn kein Kind erzogen wurde.
Um sich eine Rente in gleicher Höhe in 35 Jahren zu erarbeiten, muss man in regulärer Beschäftigung 35 Jahre lang ein monatliches Brutto von 674 € haben. Netto sind das übrigens 480 € mit der Steuerklasse V.
Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich wohin Ihre Politik führt.
Prekäre Beschäftigung lohnt sich vermeintlich mehr als reguläre Beschäftigung und die Frauen insbesondere die verheirateten Frauen werden wieder in die Zuverdienerinnen Rolle hineingedrängt.
Ziehen Sie ihren Gesetzentwurf zurück und richten Sie nicht noch mehr Schaden auf dem Arbeitsmarkt an.