Carola Reimann riet Union und FDP, das Kopfpauschalenchaos zu beenden und sich endlich um die wirklichen Probleme und Herausforderungen im Gesundheitswesen zu kümmern, statt sich krampfhaft aus Angst vor Gesichtsverlust an ihrer Kopfpauschalenideologie festzuklammern.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich erinnere mich, dass wir vor wenigen Wochen eine Aktuelle Stunde zur schwarz-gelben Gesundheitspolitik hatten.
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Zur christlich-liberalen!)
Damals dachte ich, dass das Erscheinungsbild der Regierung insbesondere im Bereich der Gesundheitspolitik nicht schlimmer werden kann. Aber ich muss feststellen: Ich habe die Söders, Seehofers, Röslers und Kubickis unterschätzt; sie können noch schlimmer.
(Ulrike Flach [FDP]: Kubicki hat noch gar nicht dazu gesprochen!)
Während die CSU keine Gelegenheit auslässt, die Kopfpauschale zu kritisieren, womit sie ja recht hat, lässt Minister Rösler einen Testballon nach dem anderen aufsteigen: Einmal ist es eine Kopfpauschale von 29 Euro, einmal kostet der Sozialausgleich 10 Milliarden Euro im Jahr, dann wieder nur 5 Milliarden. Ich nehme an, demnächst gibt es einen Vorschlag, dass er gar nichts mehr kostet, weil er einfach gestrichen wird.
(Elke Ferner [SPD]: Das bringt noch Geld rein! – Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
Ab und an verkündet dann der Minister via BILD-Zeitung, dass man bald oder demnächst, auf jeden Fall ziemlich schnell und unmittelbar in den nächsten Wochen, direkt vor Ostern oder später, etwas zu den Arzneimitteln vorlegen wolle; aber von der Regierungskommission dürfe man erst einmal keine Ergebnisse erwarten.
Wer jetzt dachte, dass angesichts dieser Ankündigungen nun die große Ruhe und Besonnenheit aufkommt, der kennt die schwarz-gelben Koalitionäre schlecht: Kubicki will auf die CSU einhauen – O-Ton –, bis die Schwarte kracht, und Herr Söder sorgt gleich einmal am Anfang der Woche dafür, dass Herrn Kubickis Gewaltfantasien weiter Nahrung finden.
(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)
Während sich die Regierungskommission gerade noch vom anstrengenden Fototermin letzte Woche erholt, prescht Söder mit einem Bayern-Konzept vor. Den Grund dafür liefert er wieder via Presse – O-Ton –, die FDP-Kopfpauschale sei nicht umsetzbar,
(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt!)
und es sei – ein weiteres Zitat – „falsch, wenn man 80 Millionen Deutsche sozusagen zu Versuchskaninchen von Gesundheitsideologie macht“.
(Elke Ferner [SPD]: Auch da hat er recht! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wo er recht hat, hat er recht!)
Einen Tag später ist es aber gar kein Bayern-Konzept mehr, sondern – so Landesgruppenchef Friedrich – nur noch eine „Ideenskizze“ von Söder. Diese, so beklagt dann der Kollege Straubinger in der Thüringer Allgemeinen,
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Danke!)
hätte besser in der Kommission besprochen werden sollen. Gemeint ist aber nicht die Regierungskommission, um das eben schnell klarzustellen, sondern die CSU-Gesundheitskommission. Die gibt es auch noch, und ihr Vorsitzender ist Söder.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich bin ganz verwirrt!
– Elke Ferner [SPD]: Das ist sehr verwirrend bei Ihnen!)
– Ja, das stiftet Verwirrung.
Heute hören wir von Herrn Singhammer, dass er dem Söder-Vorschlag noch zu Teilen zustimmt.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Wenn Sie so viel lesen, kommen Sie gar nicht mehr zum Arbeiten an Ihrem eigenen Konzept, Frau Reimann!)
Dieses ganze „Kasperletheater“ – so nennt es ja Herr Zöller – könnte ganz amüsant sein, ginge es dabei nicht um die Zukunft der Krankenversicherung von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, und da hört der Spaß dann doch auf.
(Beifall bei der SPD)
Das scheint auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung so zu sehen, der eben mit diesem „Kasperletheater“ zitiert wird, ebenso mit den Worten, die hier auch schon gefallen sind, dass er davon „die Schnauze voll“ hat.
Wenn ein so ruhiger und besonnener Mensch wie Kollege Zöller solche Ausdrücke verwendet, was sollen dann die Menschen, die Millionen von Versicherten denken? Ich bin mir sicher – das sind nicht meine Worte; ich bleibe bei den Worten von Herrn Zöller –, dass sie ebenfalls die Schnauze voll haben: von den immer neuen Ankündigungen und von endlosen Debatten in immer schrilleren Tönen, bei denen am Ende nichts, aber auch gar nichts herauskommt.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb kann ich Ihnen nur raten: Beenden Sie dieses Kopfpauschalenchaos und kümmern Sie sich endlich um die wirklichen Probleme und Herausforderungen im Gesundheitswesen, statt sich krampfhaft aus Angst vor Gesichtsverlust an Ihrer Kopfpauschalenideologie festzuklammern. Schon jetzt ist der Schaden groß, den diese Kopfpauschalendebatte angerichtet hat. Sie verunsichert die Versicherten und raubt den Verantwortlichen die Zeit, sich wirklich um die drängenden Fragen zu kümmern.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Da sind Sie ja schon einsichtig!)
Zu zentralen Aufgabenfeldern der Gesundheitspolitik hören wir nichts, weil die schwarz-gelben Entscheidungsträger mit sich selbst und mit der Kopfpauschale beschäftigt sind.
(Heinz Lanfermann [FDP]: Nein, wir sitzen hier, weil Sie dauernd Debatten beantragen! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sonst wären wir schon fertig!)
Ein Konzept zur drängenden Frage der Gesundheitsversorgung auf dem Land? – Fehlanzeige. Ideen zur Stärkung der Prävention, die laut Ihrem Koalitionsvertrag ein Schwerpunkt sein sollte? – Fehlanzeige. Ich kann die Liste problemlos weiter fortsetzen: Krankenhäuser, Drogen- und Suchtpolitik, Patientenrechte, Pflege? – Fehlanzeige. Weiterentwicklung der Honorarreform? Das haben wir heute erlebt: Fehlanzeige. Bei den Arzneimitteln reden wir schon seit Ende letzten Jahres über den Handlungsbedarf, und noch immer haben wir aus dem Ministerium kein Konzept vorgelegt bekommen. Ihre Debatten lähmen die Gesundheitspolitik, und das Schlimme ist: Bei all dem Gezänk merken Sie nicht einmal, dass Ihnen das komplett aus dem Ruder läuft.
Das Gesundheitssystem wartet nicht, bis Sie mit Ihrem Kopfpauschalen-Klein-Klein zu Ende sind. Beenden Sie das Kasperletheater und packen Sie die wirklichen Probleme an.
Danke.