In der Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich der Verlängerung des Mandats zur Entsendung der Bundeswehr an die UN-Mission UNIFIL im Libanon betont Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, die hohe Bedeutung dieser stabilisierenden Maßnahme in dieser unruhigen Region. Er erinnert daran, dass die Bundesrepublik dieses ausgedehnte Mandat bereits seit der massiven Eskalation des Konfliktes im Jahr 2006 unterstützt, um die Einhaltung des errungenen Waffenstillstandes zu sichern. Zudem unterstreicht er, dass weiterhin Gespräche zwischen den beiden sich miteinander im Krieg befindlichen Parteien gefördert werden müssen, um nachhaltig an der Stabilisierung und Konfliktbeseitigung in der Region arbeiten zu können.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Verlängerung des Mandats zur Entsendung deutscher bewaffneter Streitkräfte an die UN-Mission UNIFIL im Libanon. Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen. Das, was wir dort leisten, ist ein kleiner Beitrag, aber ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung eines Landes, aber auch einer Region, die, wie wir alle wissen, ausgesprochen unruhig ist, die ausgesprochen fragil ist.

Ich will noch einmal daran erinnern, warum sich eigentlich deutsche Soldatinnen und Soldaten an dieser Mission beteiligen. Wir müssen in das Jahr 2006 zurückgehen. Der eine oder andere von Ihnen erinnert sich vielleicht daran, dass es einen kurzen, aber sehr intensiven und dramatischen Krieg zwischen Israel und dem Libanon bzw., da man das eigentlich gar nicht sagen kann, der Hisbollah-Miliz im Libanon gegeben hat. Das hatte Auswirkungen auf die ohnehin schon fragile Infrastruktur eines kleinen und bürgerkriegsgeplagten Landes. Es gab massive Angriffe der IDF, der israelischen Streitkräfte, aber ebenso massive Angriffe der Hisbollah-Miliz auf die israelische Zivilbevölkerung.

Diese Mission ist, glaube ich, ein Beispiel dafür, dass die politische Initiative, der Wille, mit den unterschiedlichen Parteien dieses Konfliktes ins Gespräch zu kommen, auch aus einer Situation der geografisch großen Distanz - das kann man ja gar nicht anders beschreiben -, dank der Politik unseres heutigen Bundespräsidenten und des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier dazu geführt hat, dass man einen Beitrag leisten konnte, zwar nicht dazu, dass ein Friede geschlossen worden ist - wir alle wissen, dass zwischen Israel und dem Libanon seit vielen Jahren Kriegszustand herrscht -, aber dass es zu einem Waffenstillstand gekommen ist. Wir unterstützen seit 2006 mit einem ausgedehnten UNIFIL-Mandat die Einhaltung und Stabilisierung dieses Waffenstillstands mit heute etwas mehr als 130 Soldatinnen und Soldaten und mit einem Mandat, das dort eine vernünftige, eine ausgewogene Politik verfolgt und vor Ort auch umsetzen kann.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, in welcher politischen und geografischen Umgebung diese Mission eigentlich stattfindet. Der Libanon hat ja nicht nur die Probleme zu bewältigen, die es nach 15 Jahren Bürgerkrieg gibt. Der Libanon ist ein Land, von dem wir eigentlich alle sagen müssen: Es ist quasi ein Wunder, dass die staatlichen Strukturen heute trotz der Aufnahme von über 1 Million Flüchtlingen aus Syrien überhaupt noch intakt sind. Der Libanon ist indirekt, auch wenn die offizielle Politik des Landes etwas anderes suggeriert, an dem schrecklichen Krieg in Syrien beteiligt - mit der eben schon erwähnten Hisbollah-Miliz, die den Süden des Landes heute de facto kontrolliert.

Wir leisten mit den deutschen Soldatinnen und Soldaten nicht nur einen Beitrag durch die derzeitige Beteiligung mit einer Fregatte, sondern wir leisten auch einen Beitrag, indem die deutschen Soldatinnen und Soldaten die UNO an der sogenannten Blue Line unterstützen - das ist nicht die markierte Grenze, aber das ist sozusagen die vereinbarte Waffenstillstandslinie -, um zwischen dieser Blue Line und dem Litani-Fluss eine demilitarisierte Zone durchzusetzen. Darüber könnte man viel sagen. Die Soldatinnen und Soldaten - ich habe mich selbst davon überzeugen können - leisten dort eine exzellente, eine herausragende Arbeit. Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen

(Unruhe)

- vielleicht interessiert das auch die Kollegen der Union -, geht es auch darum, dass wir einen Mechanismus entwickelt haben, bei dem es zwar oberflächlich darum geht, das Mandat umzusetzen und die Vereinbarung einzuhalten, aber der auch dazu führt, dass zumindest inoffiziell Verantwortliche der libanesischen Armee und der israelischen Armee unter Vermittlung der Vereinten Nationen miteinander sprechen. Das ist die einzige Gelegenheit, bei der offizielle Vertreter dieser beiden, sich miteinander im Krieg befindlichen Parteien treffen und über konkrete Probleme der Stabilisierung und der Konfliktbeseitigung miteinander reden können. Das verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt aber bedauerlicherweise noch mehr Gründe, diesen Einsatz fortzusetzen. Wir reden - ich habe das eben schon erwähnt - über eine Region, die sich im Krieg befindet. Syrien ist nicht weit weg. Und obwohl die Hisbollah-Miliz mit starken Kräften im syrischen Bürgerkrieg aktiv ist, sagen im Grunde genommen übereinstimmend alle Berichte, dass die Hisbollah ihre Stellungen im Süden des Libanon, ihre militärische Kapazität systematisch seit dem Ende des Krieges bzw. der Befriedung 2006 wieder ausgedehnt und aufgebaut hat. Viele Experten, auch unsere Freunde aus Israel, die das mit ihren doch relativ gut entwickelten Instrumenten ziemlich genau beobachten und ein sehr genaues Bild über die Lage im Süden des Libanon haben, weisen darauf hin, dass hochmoderne Waffen in diese Region verbracht werden, dass viele Befestigungsanlagen sozusagen reaktiviert werden und dass es - lassen Sie uns das so aussprechen, wie es ist - Kriegsvorbereitungen in der Zone gibt, in der auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten im Moment ihren Dienst tun.

Jeder von uns weiß doch, dass es nur eines kleinen Vorwands bedarf, um diesen Krieg wieder zu einem heißen Konflikt werden zu lassen, und dass ein Wiederaufflackern dieses Konfliktes sehr wahrscheinlich dazu führen würde, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung in einer Intensität käme, die möglicherweise die Kampfhandlungen von 2006 noch übersteigen würde. 2006 ist dieser Krieg sozusagen bis in die Hauptstadt Beirut getragen worden. Es ist kritische Infrastruktur des Libanon zerstört worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen das nicht zulassen. Deswegen ist die klare Aufforderung an die Hisbollah, aber auch an die Unterstützer dieser Organisation, die vor allem in Teheran sitzen, diese Unterstützung einzustellen und zur Deeskalation beizutragen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aufforderung, ihrer Verantwortung nachzukommen, gilt auch für diejenigen, die damals die Waffenstillstandsvereinbarung unterzeichnet haben. Wenn das geschehen sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann dürfen die Konfliktparteien von uns, die wir uns bereit erklärt haben, diesen Waffenstillstand zu garantieren, erwarten, dass wir weiterhin unseren kleinen, aber wichtigen und substanziellen Beitrag leisten.Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie zu! Es ist eine wichtige Mission. Ich danke an dieser Stelle auch den Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz in einem schwierigen Umfeld und bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)