Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Regionen Deutschlands mit Bevölkerungswachstum erleben wir jetzt seit einigen Jahren stark steigende Mieten und stark steigende Kaufpreise für die, die sich Wohneigentum schaffen wollen. Das hat sich längst zu sozialem Sprengstoff entwickelt – zuallererst für die Menschen mit niedrigem Einkommen. Es hat aber auch längst die Mittelschicht erfasst. Nachhaltig werden wir das nur ändern können, wenn wir sehr viel mehr bezahlbare Wohnungen bauen. Aus diesem Grund hat die Koalition seit 2013, also seit dem Regierungswechsel, die Mittel für den Wohnungsbau verdreifacht. Wir sehen natürlich erste Wirkungen. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen hat sich seitdem schon fast verdoppelt. Der Trend geht übrigens weiter. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2016, also von Januar bis Juli, ist die Zahl der genehmigten Wohnungen gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 26 Prozent auf 215 000 Wohnungen gestiegen. Den Auswirkungen dieser Wohnungsnot wollen wir aber auch mit sozialem Mietrecht begegnen.
(Beifall bei der SPD)
Der Entwurf des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums wurde ja von dritter Seite veröffentlicht. Von daher kann jeder sehen, wofür wir uns einsetzen. Dafür brauchen wir dann auch keinen zusätzlichen Bundestagsbeschluss, sondern jeder kann sehen, mit welchen Vorschlägen wir innerhalb der Regierung bzw. innerhalb der Koalition werben.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Dann setzen Sie es durch! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein Vorschlag, aber kein Beschluss!)
Ich will das an Beispielen aus meiner Heimatstadt Bonn deutlich machen. Es kommen Menschen zu mir in die Bürgersprechstunde, die mit ihrer Mietzahlung in Verzug geraten sind, zum Beispiel, weil sie arbeitslos geworden sind und es gedauert hat, bis das Jobcenter die Zahlung in die Wege geleitet hat. Wenn das Geld dann wieder verlässlich fließt, wird die fristlose Kündigung zurückgenommen. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung läuft aber weiter. Das heißt, die Menschen haben nicht nur ihren Job verloren, sondern auch die Wohnung, obwohl sie sie bezahlen könnten. Deswegen wollen wir das Kündigungsrecht angleichen und auch hier helfen, dass in solchen Fällen nicht gekündigt werden kann.
(Beifall bei der SPD)
Wenn ich in den Außenbezirken meiner Stadt – wo es die Hochhäuser gibt – unterwegs bin, treffe ich immer häufiger auf Rentnerinnen und Rentner, die mir erzählen, dass sie früher innenstadtnäher gewohnt haben, sich aber den Umzug in eine kleinere Wohnung dort nicht leisten konnten, weil eben beim Mieterwechsel Aufschläge von 20, 30 oder 40 Prozent genommen werden. Deswegen brauchen wir eine Mietpreisbremse, die so etwas verhindert. Wir wollen nicht, dass die Menschen aus ihren Vierteln wegziehen müssen, sondern wir wollen, dass es dort gute Nachbarschaft gibt.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])
Gerade habe ich gesagt, dass das Problem längst auch die Mittelschicht erfasst hat. Ich unterstütze Anwohnerinitiativen, die erleben, dass modernisiert werden soll, aufgrund dessen ihre Kaltmiete von 8 Euro auf 15 Euro pro Quadratmeter erhöht werden soll. Jedem ist klar: Da soll nicht modernisiert werden, sondern die Leute sollen kündigen, damit dieses Haus danach von dem Eigentü- mer – in diesem Fall eine Kapitalgesellschaft – verkauft werden kann. Damit wollen die ihren Gewinn machen. Deswegen brauchen wir eine Kappungsgrenze für solche Verdrängungsmodernisierungen. Das ist unser Vorschlag, den wir gemacht haben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In der gemeinsamen Heimatzeitung meiner CDU-Kollegin Frau Winkelmeier-Becker und mir stand vor zwei Tagen ein interessanter Bericht über eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern. Es handelt sich bei den Erwachsenen um durchaus schon gut verdienende Akademiker. Die haben berichtet, warum sie jetzt finanziell überfordert sind. Sie müssen einen Studienkredit für ihre Studiengebühren – die wir als SPD jetzt in Nordrhein-Westfalen Gott sei Dank abgeschafft haben – (Beifall bei der SPD) in Höhe von 15 000 Euro zurückzahlen. Weil sie in unserer Heimatstadt Bonn – übrigens schwarz-grün regiert – keinen Platz in einem öffentlichen Kindergarten gefunden haben,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: NRW ist rot-grün regiert!)
zahlen sie jetzt 460 Euro allein für die Betreuung eines Kindes. Und weil es eine leichte Lohnerhöhung gegeben hat, werden sie jetzt noch einmal nachzahlen müssen, weil sie in die nächsthöhere Beitragsklasse gekommen sind. Obwohl sie sich bescheiden und zu viert auf 73 Quadratmeter wohnen, haben sie eine Warmmiete von 1 033 Euro zu bezahlen. Deswegen sind längst auch solche Mittelschichtfamilien überfordert. Das sind die Menschen, denen wir mit den Vorschlä- gen, die wir vorgelegt haben, helfen wollen. Dafür werben wir in der Regierung bzw. in der Koalition. Bitte unterstützen Sie uns.
(Beifall bei der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lay? (Ulli Nissen [SPD]: Da freut er sich doch!) Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Aber selbstverständlich.
Caren Lay (DIE LINKE): Verehrter Herr Kollege Kelber, in Bezug auf die Forderungen, die Sie hier präsentieren, kann ich fast alles unterschreiben. Da kann ich, glaube ich, auch für die Fraktion Die Linke sprechen. Das entspricht ja auch in etwa dem, was wir heute als Antrag vorgelegt haben. Nun haben Sie ja vorhin von Ihrem Koalitionspartner, von Herrn Luczak, gehört, dass es mit ihm eine Nachbesserung der Mietpreisbremse nicht geben wird. Deswegen meine Frage: Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie auch nur eine dieser richtigen Forderungen, die Sie hier heute vorgetragen haben, mit diesem Koalitionspartner in dieser Legislaturperiode noch beschließen können? Oder denken Sie, dass das mit diesem Koalitionspartner wohl nicht zu machen und das wirklich ein Jammer ist? (Beifall bei der LINKEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Frage!)
Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Lay, Sie legen heute einen Antrag vor, mit dem Sie die Regierung auffordern, etwas vorzulegen. Genau das hat das Justiz- und Verbraucherschutzministerium gemacht. Es hat einen Vorschlag vorgelegt.
(Beifall bei der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Hat es eben nicht!)
Selbstverständlich bin ich als Sozialdemokrat immer davon überzeugt, dass ich Menschen mit guten Argumenten zu den richtigen Taten überzeugen kann. (Beifall bei der SPD) Das heißt, ich diskutiere mit Herrn Luczak nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern ich treffe mich mit ihm auch in anderen Räumen und versuche, ihn davon zu überzeugen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie ein Glück!) Ich bin mir sicher: Wir werden auch noch beim Mietrechtspaket II etwas bewegen können. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]) Herr Präsident, Sie hatten mich gefragt, ob ich eine Zwischenfrage zulasse. Mit meinem Appell, uns zu unterstützen und unsere Vorschläge umzusetzen, war ich allerdings am Ende meines Redebeitrags angekommen. Daher war das sozusagen eine Nachfrage. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bitte unterstützen Sie uns, öffnen Sie sich für die richtigen Vorschläge. Die Menschen draußen haben es verdient. (Beifall bei der SPD)