In der Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich des Antrages der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zur Jemenpolitik unterstützt Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Außenminister Sigmar Gabriel in dessen Streben nach einer politischen Lösung im Jemen und weist auf das wichtige Engagement der Bundesrepublik als drittgrößter humanitärer Geber hin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist ganz legitim im politischen Meinungsstreit, dass man aus Sicht der Opposition die Koalitionsfraktionen, die Bundesregierung auch einmal ordentlich attackiert. Dagegen hat niemand etwas.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber?)

Ich habe dennoch den Eindruck, dass Sie sich das falsche Thema ausgesucht haben. Ich will gerne versuchen, nach dem Beitrag der Kollegin Dağdelen wieder zu den Fakten zurückzukehren und etwas zu dem zu sagen, was im Antrag der Grünen steht.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben einen Antrag präsentiert, in dem Sie – das sagt der Titel – einen radikalen Kurswechsel in der Jemenpolitik verlangen, und eine Vielzahl von Forderungen formuliert, die die Bundesregierung und gerade auch das Auswärtige Amt schon längst umsetzen. Ich will das einmal ein bisschen zuspitzen: Wenn das die neue Radikalität der Grünen ist, dann sitzen im Auswärtigen Amt nur Extremisten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Eines ist allerdings richtig – darin sind wir uns in diesem Hause hoffentlich einig –: Der Krieg im Jemen genießt viel zu wenig Aufmerksamkeit in unserem Land und in der Weltöffentlichkeit. Dafür gibt es Gründe. So gibt es bedauerlicherweise auch andere bewaffnete Konflikte, um die wir uns in diesem Hause kümmern. Trotzdem ist das eine Aussage, die, glaube ich, von allen hier geteilt werden kann. Insofern hat Ihr Antrag – bei aller Fehlerhaftigkeit seiner Stoßrichtung – auch etwas Gutes, nämlich dass wir heute über dieses Thema diskutieren. Eines will ich ganz klar und deutlich festhalten: Frau Dağdelen, wir kennen dieses Spiel von Ihnen ja schon aus anderen Debatten.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Spiel?)

Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken – leider versucht auch der Kollege Nouripour, diesen Eindruck zu erwecken –, dass wir in Deutschland Verantwortung dafür tragen, dass Saudi-Arabien den Jemen bombardiert. Deswegen will ich hier festhalten: Deutschland beteiligt sich nicht an der Militärkoalition im Jemen,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sondern liefert die Waffen!)

und Deutschland strebt eine solche Beteiligung auch nicht an.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das nennt man „Mitverantwortung“!)

Die Bundesregierung

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Bewaffnet die eine Seite!)

ist überzeugt – das ist öffentlichen Äußerungen und Dokumenten zu entnehmen –, dass keine militärische Lösung für diesen Konflikt anzustreben ist, sondern – im Gegenteil – dass wir eine Befriedung nur dann erreichen können, wenn wir eine politische Lösung erzielen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Warum dann die Rüstungsexporte?)

Es wurde eben von Herrn Nouripour so dargestellt, als würden wir nur zuschauen, als würden wir nichts tun,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein! Ich habe für die Initiative gedankt! –
Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Doch, Sie tun schon etwas! Aber das Falsche!)

als würde uns der Konflikt nicht interessieren. Außenminister Sigmar Gabriel

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Reden Sie jetzt für die Regierung oder für Ihre Fraktion?)

hat erst vorgestern den Premierminister der jemenitischen Regierung getroffen und die Position der Bundesregierung ganz deutlich unterstrichen.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Der Pressesprecher des Auswärtigen Amts spricht hier oder ein Abgeordneter?)

Die Bundesregierung – das könnten Sie wissen, wenn Sie sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt hätten und nicht nur versuchen würden, hier einen PR-Effekt zu erzielen –

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ach, nur Sie beschäftigen sich ernsthaft mit diesen Themen?
Exportieren Sie mal weiter Waffen!)

unterstützt aktiv die Vermittlungsbemühungen des Sondergesandten der Vereinten Nationen; das hat der Kollege Wadephul eben zu Recht erwähnt. Die Bundesregierung ist einer Bitte der Vereinten Nationen nachgekommen und hat angeboten, diesen fragilen politischen Prozess mit einer aktiveren Rolle und mit ihren eigenen Ressourcen stärker zu unterstützen.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die Bundesregierung aber nicht von selbst gemacht, sondern das waren die VN!)

Ich darf noch sagen: Just in dieser Woche, in der Sie in einer interessanten Koalition in der Opposition versucht haben, den Eindruck zu erwecken, wir würden uns nicht interessieren und die Bundesregierung sei quasi passiv, hatten wir ein Treffen von hochrangigen Vertretern der Konfliktparteien aus dem Jemen,

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Oh! Super! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke! Aber reicht das?)

die in Form eines „Track II“, also eines informellen Dialogs, versucht haben, durch das Gespräch und den politischen Dialog Lösungen für diesen Konflikt zu erzielen. Das unterstützen wir. Ich denke, das sollte auch vonseiten des Parlaments unterstützt werden. Das ist auch die Politik der Bundesregierung.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die humanitäre Lage im Jemen muss angesprochen werden, wenn man über diesen Konflikt miteinander diskutiert.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Und die Verantwortung dafür!)

Ich bin dankbar dafür, dass das auch geschehen ist. Die humanitäre Lage im Jemen ist katastrophal. 17 Millionen Menschen sind von Nahrungsunsicherheit direkt betroffen. Weit über 3 Millionen Menschen sind mangelernährt. Wir hatten vor kurzem – darauf ist hingewiesen worden – den Ausbruch der Cholera zu beklagen. Das bedeutet, es ist in der Tat an der Zeit, dass wir nicht nur hier im Deutschen Bundestag darüber diskutieren, wie wir die Initiativen unserer Regierung noch stärker unterstützen können,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sondern dass Sie dieses Thema tatsächlich auch an sie adressieren!)

sondern dass wir auch darüber sprechen, wie wir die internationale Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken können. Ich darf darauf hinweisen – auch das steht in scharfem Kontrast zu der Art und Weise, wie die Dinge von der Opposition dargestellt werden –, dass das Auswärtige Amt die Mittel für die humanitäre Hilfe für den Jemen bereits 2016 erhöht hat. Dieses Jahr belaufen sie sich auf 125 Millionen Euro. Deutschland ist damit der drittgrößte Geber für den Jemen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und liefert gleichzeitig Waffen!)

Ich möchte auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Alle Kriegsverbrechen – ganz gleich, von welcher Seite sie begangen werden; das gilt natürlich auch für die saudische Regierung, die hier die größte Verantwortung trägt, weil sie mit der Luftwaffe und ihren übrigen Wirkmitteln eine ganz andere Eskalationsdynamik entwickeln kann – müssen untersucht werden. Das ist die Politik dieser Regierung, der Großen Koalition, nicht nur im Jemen-Konflikt, sondern, wie Sie wissen, auch im Syrien-Konflikt.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt noch ein Wort zu den Rüstungsexporten und ein Wort zu den Verantwortlichkeiten! Dann kommen wir zusammen!) –

Sie können so viel schreien, wie Sie möchten. Ich trage Ihnen hier die Fakten vor. Vielleicht trägt das ja ein bisschen dazu bei, dass wir eine sachliche Debatte miteinander führen.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sachlichkeit gehört die Erwähnung der Rüstungsexporte!) –

Ich weiß, dass das Zuhören nicht zu Ihren Stärken gehört,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei solchen Reden ist das wahr! Das geht einfach nicht! Das ist kaum zu ertragen!)

aber ich will das trotzdem vortragen. – Deshalb hat sich die Bundesregierung in Genf immer dafür eingesetzt, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine unabhängige Kommission einsetzt.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wie viele Waffen haben Sie denn heute schon vertickt?)

Wir wissen, an wem das gescheitert ist. Es lag, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht an der Bundesregierung. Ich möchte Sie gerne einladen, weil Sie das in Ihrem Antrag erwähnt haben, sich noch einmal die Schlussfolgerungen des Rates der EU dazu anzuschauen, mit der Stimme und der Unterstützung der Bundesregierung. Es sind zum Teil exakt die Forderungen, die Sie uns hier zur Beschlussfassung vorlegen. Viele Punkte finden sich dort wieder. Deswegen wäre es, glaube ich, nur fair gewesen, wenn man das zumindest erwähnt hätte,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist fair, wenn jetzt noch ein Satz zu den Rüstungsexporten kommt! Ein einziger! Komm, gib ihn mir!)

anstatt hier den Eindruck zu erwecken, wir würden nur zuschauen. Die Europäische Union verurteilt die Angriffe auf Zivilisten und äußert sich ausgesprochen besorgt zum Einsatz unter anderem von Streumunition. Die EU fordert einen sicheren Zugang für humanitäre Helfer, eine Frage, die wir nicht nur für den Jemen miteinander zu diskutieren haben, sondern die wir beispielsweise auch aus dem Krieg in Syrien kennen. Da die Redezeit jetzt quasi abgelaufen ist,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleiben die Rüstungsexporte? Wo bleibt das Wort „Saudi-Arabien“? Wo bleibt die Sozialdemokratie im Europäischen Parlament?)

will ich Ihnen das gerne noch einmal zur Lektüre empfehlen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wir betreiben, was den Jemen-Konflikt angeht, eine ausgewogene Politik, sowohl was die humanitäre Hilfe angeht, als auch was die politischen Initiativen angeht.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausblenden der Fakten!)

Im Übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, dass es der ehemalige Wirtschaftsminister und noch amtierende Vizekanzler Sigmar Gabriel gewesen ist, der beispielsweise nach von einer vorherigen Regierung genehmigten Exporten und Lizenzverträgen für die Errichtung einer Fabrik zur Herstellung von Sturmgewehren des Typs G36 die Produktion dadurch gestoppt hat, dass die zentralen Komponenten bis heute nicht geliefert worden sind, was in gewisser Weise sogar vertragswidrig ist, aber aus politischen Gründen die richtige Entscheidung war. Also tun Sie hier nicht so, als würden wir auch an dieser Stelle nicht aktiv werden! Das Gegenteil ist der Fall. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Salman und Erdogan werden es danken!)