Dumpinglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen in den Häfen, die am Ende zu Lasten von Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit und Arbeitsqualität und auf Kosten der Beschäftigten gehen, können wir uns nicht leisten.
Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach zwei vergeblichen Anläufen startet die Europäische Kommission jetzt – entgegen ihrer bisherigen Bekundungen – erneut eine Initiative zur Liberalisierung der Hafendienste in Europa – obwohl Port Package I und II in den Jahren 2003 und 2006 am vereinten Widerstand von Hafenwirtschaft, Gewerkschaften und SPD kläglich gescheitert sind.
Auch im dritten Anlauf hält die Kommission an ihrem Ziel fest:
Wettbewerb, Qualität und Flexibilität fördern – und nebenbei auch noch Kosten senken.
Doch mit der angekündigten Initiative wird Brüssel nur das Gegenteil erreichen:
Wettbewerbsverzerrungen, Qualitätseinbußen, mangelnde Planbarkeit und erhöhte Kosten.
Mit der erneuten Initiative der Generaldirektion Mobilität und Verkehr sowie Wettbewerb soll unter anderem der Marktzugang für die Hafenarbeit sowie die technisch-nautischen Dienste neu geregelt werden: Konzessionen für den Hafenumschlag, für Lotsendienste oder Schlepper könnten damit künftig nur noch befristet vergeben werden. Entsprechende Vorschläge sollen noch in diesem Jahr auf dem Tisch liegen.
Dabei gibt es keinen Regelungsbedarf, weder im Umschlagsbereich noch bei den Lotsdiensten – das ist auch das Ergebnis einer Fragebogenaktion der Kommission unter Vertretern der Hafenwirtschaft.
Mehr noch: Die Kommissionspläne sind schädlich, stellen sie doch einen massiven Eingriff in bewährte Strukturen dar.
Die Wertschöpfung in den Seehäfen hängt ganz wesentlich von der Ausbildung und Qualifizierung der Arbeitskräfte in der Hafenwirtschaft ab.
Dazu leisten in Deutschland die Gesamthafenbetriebsvereine einen wichtigen Beitrag –
moderne Personaldienstleister, die mit gut ausgebildetem Personal alle im Hafen anfallenden Tätigkeiten übernehmen, die Situation vor Ort genau kennen und Beschäftigte je nach Bedarf qualifizieren.
Noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war es üblich, dass die Stauer erst beim Einlaufen eines Schiffes stunden- oder tageweise für die Arbeit im Hafen anheuerten. Die Folge: Einige Schiffe mussten warten, weil sich alle Stauer zunächst auf ein oder zwei Schiffe konzentrierten.
Diese Unsicherheit auf beiden Seiten ist längst Vergangenheit. An die Stelle der ungelernten Hafenarbeiter sind längst Hafenfacharbeiter getreten, und der Wandel im Hafenumschlag und die Einrichtung der Hafenbetriebsvereine hat auch dazu geführt, dass die Unfallgefahren bei der Hafenarbeit – traditionell eine der unfallträchtigsten Tätigkeiten – deutlich gesunken sind.
Diese Errungenschaften gilt es zu bewahren.
Wenn die Kommission künftig die Selbstabfertigung durch Land- und Bordpersonal der Reeder zulassen will, heißt das nichts anderes als das Monopol von Hafenarbeitern auf das Be- und Entladen von Schiffen abzuschaffen.
Die Pläne der Europäischen Kommission würden dazu führen, dass die Zahl der Hafendienste-Anbieter in Europa abnimmt und verstärkt Dienstleister aus Häfen außerhalb der EU in die Märkte eindringen. Die Folge: ein knallharter Verdrängungskampf durch Monopolisten, in dem die europäischen Seehäfen und vor allem die Beschäftigten der Hafenwirtschaft das Nachsehen hätten.
Doch Dumpinglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen in den Häfen, die am Ende zu Lasten von Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit und Arbeitsqualität und auf Kosten der Beschäftigten gehen, können wir uns nicht leisten.
Teuer könnten am Ende auch die Kommissionspläne zur Öffnung der Lotsdienste werden.
Die Einführung von Wettbewerb in diesem sensiblen Bereich würde die Lotsen dazu zwingen, ihre Aufgaben künftig allein unter kommerziellen Aspekten zu erledigen. Das kann nicht im Interesse der maritimen Sicherheit und des Meeresschutzes sein.
Der Nutzen der Seelotsen lässt sich nur schwer bemessen. Klar ist jedoch: Die Kosten einer maritimen Katastrophe wären immens.
Gerade die Revierfahrt im sensiblen Küstengewässer macht die Begleitung durch gut ausgebildete, ortskundige Lotsen unverzichtbar. Sie bilden ein wichtiges Glied der Sicherheitskette in unserem Verkehrssystem.
Eine Kommerzialisierung der Lotsdienste und eine Ausschreibung und Vergabe der Dienste an private Unternehmen würde diese Sicherheitsarchitektur infrage stellen.
Sicherheit auf See darf aber nicht einem vermeintlichen Kostendruck zum Opfer fallen.
Eine Politik der uneingeschränkten Privatisierung, wie sie die Kommission offenbar verfolgt, ist der falsche Weg.
Für eine zukunftsgerichtete maritime Politik gibt es aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion klare Leitlinien – und daran muss sich auch die Europäische Kommission bei ihren weiteren Schritten messen lassen:
Öffnung des Marktes ja, aber kein Ausverkauf des europäischen Standortes.
Wettbewerb ja, aber nur dort, wo er ökonomisch sinnvoll, sozial verträglich und sicherheitspolitisch vertretbar ist.
Die Bundesregierung muss auf europäischer Ebene darauf hinwirken, dass eine entsprechende Initiative der Kommission diese Kriterien berücksichtigt – im Interesse des maritimen Standorts und der Beschäftigung in den deutschen Häfen.
Hinweis: Diese Rede wurde zu Protokoll gegeben.