Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Aktuelle Stunde beantragt, weil wir eben in einer Fragestunde zu der Personalpolitik von Minister Dirk Niebel keine Antwort darauf bekommen haben, nach welchen Kriterien – außer dem FDP Parteibuch – dieser Minister einstellt. Wir sagen: Das Maß ist voll. Es ist längst voll. Das Fass ist übergelaufen. Wir werden nicht mehr länger hinnehmen, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Versorgungswerk für FDP-Funktionäre verkommt.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vom ersten Tage seiner Amtszeit an hat Minister Niebel eine Vetternwirtschaft betrieben, die ohne Beispiel in der Geschichte dieser Bundesrepublik ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Vorsichtig! – Zuruf der Abg. Judith Skudelny [FDP])
Der Personalrat hat bereits im Januar 2010, wenige Wochen nach dem Amtsantritt von Minister Niebel, gesagt, dass die Bevorzugung von Parteifreunden seitens des Ministers weit über das übliche Maß hinausgeht. Sie werden erkennen, dass sich das wie ein roter Faden durch alle Stellungnahmen des Personalrates zieht.
Der Minister hat damit nicht aufgehört; es wurde immer schlimmer: Nachdem Herr Niebel zunächst das Ministerium abschaffen wollte, hat er die Zahl der Abteilungen von drei auf fünf erhöht. Er ist ganz kreativ, leider nicht bei der Lösung der Armutsprobleme, sondern bei der Schaffung neuer Organisationen und neuer Leitungsposten, die er dann wiederum mit FDP-Funktionären besetzt. Sein jüngstes Gesellenstück ist die Schaffung der Abteilung „Planung und Kommunikation“; so etwas hat es vorher noch nie in solch einem Ministerium gegeben. Dazu sagt der Personalrat: Das ist eine Abteilung für den Wahlkampf 2013. – Wir sagen: Wir lassen nicht zu, dass Sie mit Steuergeldern, die für die Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern vorgesehen sind, eine Propagandaabteilung zur Versorgung Ihrer Parteifreunde aufbauen, Herr Minister.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der FDP: Buh! – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Sie haben eine blühende Fantasie!)
Wir haben in der Fragestunde erfahren, dass das Personal im Ministerium, bis hinunter in die Unterabteilungen und hin zu der Stelle, die bei Ihnen die Personalentscheidungen trifft – Leitung des Personalreferats –, mit FDP-Parteifreunden durchsetzt ist. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Ihre Personalpolitik als „abstoßend“ kommentiert, und das ist sie auch. Früher waren Sie Arbeitsvermittler in Heidelberg; heute sind Sie Jobvermittler für FDP-Funktionäre im Ministerium.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine Beleidigung! Was waren Sie denn? – Michaela Noll [CDU/CSU]: Sehr witzig!)
Sie hätten lieber Arbeitsminister werden sollen. Dann hätten wir wenigstens bei den FDP-Mitgliedern in Deutschland Vollbeschäftigung.
Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur abstoßend; Sie schaden damit auch der Glaubwürdigkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in aller Welt. Wenn man, wie Sie, in anderen Ländern eine gute Regierungsführung einfordert – das tun wir auch –, ist das nur glaubwürdig, sofern man nicht im eigenen Hause selbst Vetternwirtschaft nach Autokratenart betreibt. Sie schaden damit unserem Ruf in der Welt und auch dem deutschen Steuerzahler.
(Judith Skudelny [FDP]: Quatsch!)
Wir müssen dem ein Ende setzen.
(Beifall bei der SPD)
Ich komme jetzt zu etwas, das über den politischen Vorwurf der Vetternwirtschaft hinausgeht. Ich würde Sie bitten, da einmal ganz genau aufzupassen; denn hier kommen wir in einen Bereich, der auch juristisch sehr heikel ist. Wir wissen, dass Gabriela Büssemaker am 16. Oktober in einem Interview gesagt hat, dass sie als ehemalige Bürgermeisterin von Ettlingen
(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Oberbürgermeisterin!)
– Oberbürgermeisterin – bereits eine Stelle zugesichert bekommen hat und der Arbeitgeber dies „Ende des Jahres“ bekanntgeben wird. Da geht es um die hochdotierte
Leitung der neuen Servicestelle. Der Minister hat in einer Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Stelle gesagt, er habe von keiner Bewerbung gewusst. Frau Staatssekretärin hat es heute schon korrigiert und gesagt: Na ja, er könnte doch etwas von der Bewerbung gewusst haben.
(Harald Leibrecht [FDP]: Das hat sie nicht gesagt! – Gegenruf von der SPD: Das haben doch alle gehört! – Iris Gleicke [SPD]: Wahrscheinlich, hat sie gesagt, hat er es gewusst!)
Frau Büssemaker ist anscheinend schon am 16. Oktober fest davon ausgegangen, dass sie diese Stelle bekommt. Wir haben heute in der Fragestunde erfahren: Das Bewerbungsverfahren hat erst im November, Dezember richtig angefangen; die letzten Gespräche fanden am 21. Dezember statt; das Ergebnis wurde erst danach bekannt gegeben. Es drängt sich der Anfangsverdacht auf, dass hier ein Bewerbungsverfahren von einem externen Personalberatungsbüro durchgeführt wurde, nur um den Anschein eines gesetzeskonformen Auswahlverfahrens zu erwecken.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wovon träumen Sie nachts?)
Herr Minister, uns ist gerade gesagt worden, dass dabei Kosten in Höhe von knapp 60 000 Euro entstanden sind. Ich sage Ihnen: Wenn es zutrifft, dass Sie zum Schein ein Bewerbungsverfahren durchgeführt haben, über 130 Bewerberinnen und Bewerbern Hoffnung gemacht haben, knapp 60 000 Euro Steuergelder dafür verwendet haben, dann ist das ganz nah am Tatbestand der Untreue nach dem Strafgesetzbuch.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vorsicht, Vorsicht mit solchen Vorwürfen!)
Wenn sich das bewahrheitet, dann hätten Sie Steuergelder missbraucht; dann würde Ihnen nur bleiben, vom Amt zurückzutreten.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“! Bleiben Sie mal bei den Fakten!)
Wir wissen bereits, dass sich der Minister politisch vom Amt des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entfernt hat und zum Minister für Vetternwirtschaft und Abwicklung geworden ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber wenn der Vorwurf zutrifft – wir werden das aufklären, weil Frau Staatssekretärin das nicht aufklären wollte oder konnte –, dann kann ich Ihnen, Herr Minister, nur raten: Treffen Sie am Ende einmal in Ihrem Leben eine richtige Personalentscheidung und gehen Sie!
(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Gehen Sie mal vom Pult!)
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Niema
Movassat [DIE LINKE])