Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Am 18. April 2013 haben wir die erste Plenardebatte des Entwurfes der SPD für Änderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz geführt. In meiner Einbringungsrede habe ich für die SPD-Fraktion festgehalten, dass wir nicht der Meinung sind, wir hätten die perfekte Lösung der Probleme für die Beschäftigten in der Wissenschaft gefunden. Vielmehr habe ich ausdrücklich auch und gerade die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP zum konstruktiven Gespräch eingeladen, zumal just in der Ausschusssitzung am Tag zuvor der Sprecher der Unionsfraktion, Kollege Rupprecht, in unserem Gespräch mit Professor Strohschneider – früher Wissenschaftsrat, jetzt Deutsche Forschungsgemeinschaft – sehr vernünftig auf das Thema eingegangen ist.
Wir hatten eine – zugegeben geringe, aber doch vorhandene – Hoffnung, dass sich die Koalition auf ein solches Gespräch einlassen, sich bewegen würde. Schließlich haben wir die Situation gerade des wissenschaftlichen Nachwuchses praktisch über die gesamte Legislaturperiode hinweg immer wieder neu besprochen, sei es anhand der Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, von Berichten der Bundesregierung oder diversen Anträgen. Jetzt, gewissermaßen zum guten Abschluss der Debatten, wollten wir mit der Vorlage eines konkreten Gesetzentwurfes Nägel mit Köpfen machen. Denn im Grundsatz, bei der Problemanalyse, sind wir uns doch alle einig: Der wissenschaftliche Nachwuchs benötigt verbesserte Perspektiven, die Befristungspraxis in der Wissenschaft hat überhandgenommen. Das ist wichtig für die Betroffenen, wichtig für die Lehre an den Hochschulen, wichtig für die Forschung, wichtig für die Gesellschaft, damit uns Talente nicht verloren gehen.
Dann haben wir im Ausschuss eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Ich zähle einmal auf, wer daran teilgenommen hat: Karin Bordasch, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Max-Planck-Gesellschaft; Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der DFG; Professor Dr. Thomas Hofmann, Vizepräsident der TU München; Dr. Georg Jongmanns, Hochschul-Informations-System; Dr. Andreas Keller, Vorstand der GEW; Matthias Neis, Verdi-Bundesverwaltung; Professor Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin; Dr. Heike Wolke, Vizepräsidentin der Helmholtz-Gemeinschaft. Es war eine wahrlich kompetente Versammlung von Persönlichkeiten, die an den unterschiedlichen Stellen mit wissenschaftlichem Nachwuchs und Beschäftigten in der Wissenschaft einschlägige Erfahrungen haben. Das Ergebnis war: Kein einziger Sachverständiger und keine einzige Sachverständige hat unseren Gesetzentwurf abgelehnt. Es gab Verbesserungsvorschläge – gut so! Es gab auch Hinweise, dass dieser Gesetzentwurf nicht alle Probleme löst – sehr richtig! Aber doch gab es auch die vollkommen klare Ansage, dass dieser Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht.
Was hat die Koalition in allen Beratungen bisher deutlich gemacht? Von Anfang an, schon bei der ersten Plenardebatte? Dass sie diese Initiative ablehnen wird und noch nicht einmal eine eigene dem entgegensetzen wird! Es ist sogar, sehr bitter, vor der Anhörung aus Reihen der Koalition der Satz gefallen: Wir kennen das Ergebnis der Anhörung schon. – Was für eine Missachtung der Sachverständigen, was für eine Missachtung letztlich der parlamentarischen Debatte!
Zwei Hauptargumente – besser sollte ich sagen: Hauptvorwände – bringt die Koalition gegen den Gesetzentwurf vor. Erstens: Die Länder sind für die Problemlösung zuständig. Zweitens: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz löst nicht alle Probleme. Beide Argumente greifen nicht. Denn natürlich ist ein ganzes Bündel – im Ausschuss habe ich gesagt: ein Strauß von Maßnahmen – nötig, um die bestehenden Probleme zu lösen. Eine Blume aus diesem Strauß ist eben das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, und das liegt nun einmal ganz klar in der Kompetenz des Bundes. Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, Länder und eben der Bund müssen jeweils im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln. Der Bund hat diese Möglichkeit und muss sie aktiv nutzen. Das löst nicht alle Probleme, ist aber für die Problemlösung nötig. Auch das wurde in der Sachverständigenanhörung bestätigt.
Wir haben, offenbar im Gegensatz zur Koalition, den Sachverständigen zugehört und gegenüber der Einbringung gemeinsam mit den Grünen noch zwei Veränderungen vorgeschlagen. Unsere gemeinsamen Vorschläge sehen nun wie folgt aus:
Wir wollen in der Promotionsphase Befristungen nur dann erlauben, wenn entsprechende Betreuungsvereinbarungen abgeschlossen werden. Darin sind Rechte und Pflichten der Promovierenden festzulegen, und es ist insbesondere das Qualifizierungsziel zu gewährleisten.
In der Phase nach der Promotion sollen die Vertragslaufzeiten regelmäßig mindestens zwei Jahre betragen.
Bei Drittmittelbefristungen schlagen wir vor, die Laufzeiten an die Dauer der Mittelbewilligung anzugleichen. Die ursprünglich von uns vorgesehene Auffangregelung, wonach bei Bewilligungen von über zwei Jahren die Verträge mindestens 24 Monate laufen sollen, wollen wir gemeinsam mit den Grünen streichen. Die Beschäftigten sollen ohne Wenn und Aber bei längerfristigen Projekten an der gegebenen Planungssicherheit beteiligt werden.
Zusätzlich – auch das ist eine Ergänzung, die wir gemeinsam mit den Grünen vornehmen wollen – sollen Drittmittelbefristungen erst dann möglich sein, wenn bei den jeweiligen Mitarbeitern die Höchstgrenzen der sachgrundlosen Befristungen erreicht sind. Es soll also einen Vorrang der sachgrundlosen Befristung vor Drittmittelbefristungen geben. Das stärkt die Rechte der Betroffenen, etwa bei den Rechtsansprüchen auf Verlängerung der Arbeitsverträge bei Pflege, Elternzeit, Mutterschutz und Personalvertretung.
In unserem Gesetzentwurf enthalten ist auch der bessere Schutz des nichtwissenschaftlichen Personals, also etwa technischer Mitarbeiter. Diese Gruppe darf mit Blick auf den Wissenschaftsbereich keinesfalls vergessen werden.
Die bisher unterschiedliche Auslegungspraxis bei der Anrechnung studentischer Arbeitszeiten wollen wir studierendenfreundlich vereinheitlichen, und wir wollen bei der Anrechnung von Eltern-, Betreuungs- oder Pflegezeiten Verbesserungen ins Gesetz schreiben.
Schließlich wollen wir die Tarifsperre abschaffen. Die gesetzliche Festlegung, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber hier nichts zu sagen haben, ist falsch und gehört abgeschafft.
Es gibt teilweise die Wahrnehmung, dass klarere arbeitsrechtliche Regelungen solcher Art ein Problem für die Wissenschaftseinrichtungen darstellen. Wir glauben aber, dass diese Vorschläge mit Augenmaß ausgestaltet sind. Die Wissenschaft ist und bleibt arbeitsrechtlich privilegiert, weil ihr eine besondere Dynamik innewohnt und sie diese auch braucht. Aber mit diesem Privileg muss auch verantwortungsvoll umgegangen werden; davon kann man angesichts eines Befristungsanteils von 90 Prozent nicht sprechen. Letztlich wird es der Wissenschaft und den einzelnen Wissenschaftseinrichtungen helfen, wenn mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besser umgegangen wird. Spitzenleistungen sind nur erhältlich bei guten und fairen Arbeitsbedingungen.
Zum Schluss bleibt festzuhalten: Man kann sagen, dass diese Vorschläge zu weit gehen. Man kann auch sagen, dass sie nicht weit genug gehen. Doch es ist ernsthaft kaum möglich, zu sagen, dass das alles Quatsch ist. Die Sachverständigen jedenfalls haben es nicht so gesehen. Dennoch: Die Koalition von CDU/CSU und FDP wischt das alles vom Tisch, ohne eigene Vorschläge zu machen. Die vielgepriesene Grundgesetzänderung in der Koalitionsvariante hilft dabei nicht, da die Änderung von Art. 91 b lediglich Verbesserungen für eine Handvoll überregional bedeutender Forschungseinrichtungen brächte.
Anders herum wird ein Schuh daraus: Die Grundgesetzänderung für den gesamten Bildungs- und Wissenschaftsbereich, so wie wir es mit dem Kooperationsartikel 104 c vorgeschlagen haben, brächte Möglichkeiten, an weiteren Stellen gemeinsam mit Ländern, Hochschulen und Forschungseinrichtungen Verbesserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu erreichen. Doch erstens blockiert die Koalition auch das, und zweitens würde selbst das die Frage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nicht beantworten.
So bleibt als Bilanz dieser vier Jahre Schwarz-Gelb in dem Bereich der Politik für den wissenschaftlichen Nachwuchs am Ende ein Beschluss auf Antrag der Koalitionsfraktionen, der alle anderen auffordert, etwas zu tun – nur die Bundesregierung nicht. Das ist ein Armutszeugnis!