Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in der Türkei. Derzeit befinden sich auf Bitten der türkischen Regierung etwa 260 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Osten unseres NATO-Partnerlandes als Teil einer NATO-Mission. Auftrag der Bundeswehr ist in erster Linie, die Grenzregion um die Stadt Kahramanmaras mit den bodengestützten Mittelstrecken-Flugabwehrraketen Patriot zu schützen. Im Gegensatz zu den selbsternannten patriotischen Abendlandverteidigern hierzulande sind die Patriot-Systeme der Bundeswehr aufgrund einer realen Bedrohung dort.
Infolge des grauenvollen Bürgerkriegs schossen syrische Regierungstruppen 2012 mehrfach über die gemeinsame Landgrenze in türkisches Gebiet. In der Nähe der Grenze liegt die Region Kahramanmaras. Allein in der Großstadt gleichen Namens leben mehr als eine halbe Million Menschen. Hinzu kommt, dass es unmittelbar vor der Stadt ein großes Flüchtlingslager mit 17 000 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen gibt. Diese Menschen haben in dem Konflikt bereits so gut wie alles verloren. Wir müssen uns etwas vor Augen führen: Im Jahr 2012 verfügte das syrische Regime über ein beträchtliches Arsenal an Chemiewaffen und über Mittel, diese auf die Türkei abzufeuern. Von Kahramanmaras bis zur syrischen Grenze sind es etwa 100 Kilometer. Eine ballistische Rakete fliegt in der Regel mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit und überbrückt diese Distanz in einem Augenblick. Die Menschen in und um Kahramanmaras lebten im Sommer 2012 mit der Situation, dass alles, was sie kannten, ohne Vorwarnung ausgelöscht werden konnte. Daher bat die Regierung des NATO-Mitglieds Türkei im Herbst 2012 um Beistand. Dieser Bitte leisteten wir Folge.

 

Mit den Patriot-Systemen füllt die Bundeswehr gemeinsam mit anderen Partnern eine Fähigkeitslücke der türkischen Streitkräfte, indem sie einen aktiven Schutzschild an der türkisch-syrischen Grenze errichtet. Diese Fähigkeit, die wir als besondere Spezialität in unser gemeinsames Bündnissystem einbringen, kann die Türkei selbst nicht vorweisen. Man muss Hilfe leisten, wenn man darum gebeten wird – das ist etwas, auf das in einer Freundschaft und in einem Bündnis Verlass sein muss. Die Patriot-Systeme der Bundeswehr sind wie die Soldatinnen und Soldaten, die sie bedienen, in diesem Bereich top. Im Militärjargon wird von einer Kill Probability von mehr als 90 Prozent gesprochen. Das bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90 Prozent ein auf die Region Kahramanmaras abgefeuerter Flugkörper abgefangen werden kann. Den Menschen in Kahramanmaras und im gesamten Grenzgebiet wird somit ein Stück weit Sicherheit zurückgegeben. Sie vertrauen auf ihren Bündnispartner Deutschland und damit auch auf uns, liebe Kolleginnen und Kollegen.

 

Vor ein paar Wochen hatte ich die Chance, mir in Ankara und in Kahramanmaras selbst ein Bild von der Lage zu machen. Die türkische Regierung ist dankbar für den deutschen Beitrag und vertraut auf unsere Freundschaft und auf unsere Bündnissolidarität, so wie wir dankbar sein sollten, dass die Türkei insgesamt 1,6 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus humanitären Gründen aufgenommen hat und diese schier unglaubliche Anzahl an Menschen als Gäste willkommen heißt. Auch wenn ich nicht jede innenpolitische Entwicklung in der Türkei begrüße, ja vieles stark kritisiere: In Bezug auf die Flüchtlingsproblematik können wir der Türkei nur herzlich danken. Die Regierung in Ankara weiß aber auch, dass der Konflikt in Syrien noch lange nicht beigelegt ist. Die Gefahr eines erneuten Raketenschlags auf türkischem Boden bleibt also bestehen. Zugegeben: Die Bedrohungslage hat sich für die Türkei etwas verschoben. Die Bitte unseres Partners bleibt aber bestehen, und sie ist auch gerechtfertigt. Daher bitte ich Sie, den Wunsch der türkischen Regierung nach einer Fortsetzung der Bundeswehrmission sehr ernst zu nehmen. Dass es die Türkei mit der Partnerschaft innerhalb der NATO ernst meint, zeigt auch die mittlerweile gute Situation unserer Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Ob Unterbringung, sanitäre Einrichtungen, Verpflegung, Zusammenarbeit mit den türkischen Streitkräften – alles scheint nach meinem Eindruck mittlerweile sehr gut zu laufen. Wir alle wissen, dass das nicht immer so war. Die Soldatinnen und Soldaten vor Ort, von denen manche dreimal oder öfter im Rahmen von Active Fence im Einsatz waren, verdienen ebenfalls den Respekt und die Anerkennung dieses Hauses.

 

Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere noch an die Gelben Bänder der Verbundenheit, die wir alle vor den Feiertagen unterschrieben haben. Diese Geste der Verbundenheit ist vor Ort unglaublich gut angekommen. Ich hatte die Ehre, der Truppe in Kahramanmaras eines dieser Bänder zu übergeben als Zeichen dafür, dass wir die Soldatinnen und Soldaten nicht vergessen, dass wir nicht einsame Entscheidungen treffen und dann einmal sehen, wie sich die Lage entwickelt. Nein, ich habe vor Ort mitgeteilt, dass die Mehrheit des Deutschen Bundestages dankbar ist, wenn Menschen ihrem Land auch über die Feiertage dienen, und sie dann nicht vergessen sind; ganz im Gegenteil. Nutzen wir diese Debatte, um den Soldatinnen und Soldaten vor Ort ein klares Zeichen der Unterstützung für den Einsatz und die gute Arbeit, die sie leisten, zu senden! Nutzen wir die Chance, unseren Freunden in der Türkei zu zeigen, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn sie uns brauchen!

 

Bitte stimmen Sie daher der Verlängerung des Mandats zu.