Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ob ein Mann mir seinen Platz in der Straßenbahn anbietet, das ist mir egal, er soll mir einen Platz in seinemAufsichtsrat anbieten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Carola, sitzt der in der Straßenbahn? Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Nicht jeder in der Straßenbahn hat einen Aufsichtsrat!)
Mit diesem Appell hat die erste Präsidentin des heutigen Verbandes deutscher Unternehmerinnen die gleiche Teilhabe von Frauen in Führungspositionen eingefordert. Sie heißt Käte Ahlmann, und das war vor mehr als 50 Jahren.
Seitdem hat sich unsereWelt spürbar verändert. Menschen sind zum Mond geflogen. Die Berliner Mauer ist eingerissen, und das Internet hat unser Leben erheblich verändert. Unverändert ist, dass Frauen in den Chefetagen deutscher Unternehmen eine sehr seltene Spezies sind, und das, obwohl Frauen selbst durch beste Studienabschlüsse und enorme Leistungsbereitschaft auf sich aufmerksam gemacht haben, und das, obwohl Studien belegen das ist schon angeklungen , dass gemischte Teams besser sind, und das, obwohl die Politik seit nahezu 14 Jahren den Unternehmen die Chance eingeräumt hat, mit freiwilligen Selbstverpflichtungen selber für faire Chancen für Frauen zu sorgen.
Bis heute herrscht in den Führungszirkeln renommierter deutscher Unternehmen eine männliche Monokultur, mit fatalen Auswirkungen. Wenn Frauen es bis nach ganz oben schaffen, sind sie nach wie vor mit Vorurteilen, Ressentiments und Hürden konfrontiert, die allein für Frauen gelten. Das beginnt beim firmeneigenen Fahrer, der die Vorstandsfrau nicht fährt, weil er sich nicht vorstellen kann, dass eine Frau im Vorstand ist. Da sind vor allem die vielen Führungsfrauen, die im krassen Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen ihre steile Karriere mit dem Verzicht auf Mann und Kinder bezahlen.
Mit all diesen Relikten aus den 50er-Jahren räumen wir nun auf. Mit dem Gesetz von Manuela Schwesig und Heiko Maas werden Frauen zu dem, was sie nach ihrer Eignung und nach ihrer Qualifikation längst sein sollten: eine Selbstverständlichkeit in Toppositionen.
(Beifall bei der SPD)
Mit dem Gesetz machen wir den Weg frei für einen Modernisierungsschub bei Volkswagen, Thyssen und Co. Das ist auch gut so, auch für die Unternehmen selbst; denn all das Gerede von Frauen als Belastung ist auf empörende und beleidigende Art und Weise unverschämt, aber auch dumm. Von der gesetzlichen Verpflichtung, Frauen bei der Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen in verstärktemMaße zu berücksichtigen, werden zuallererst die Unternehmen selbst profitieren. Die Unternehmen werden ihre Nachwuchs- und Führungskräfte künftig aus allen Talenten auswählen können und nicht mehr nur aus einer Hälfte. Sie werden sich bemühen, für Frauen und auch für viele moderne Männer attraktiver zu werden, indem sie verstärkt familientaugliche Arrangements und Karrierewege anbieten. Die Unternehmen werden dabei feststellen, dass die Arbeitsproduktivität wächst, dass sie sich im Wettbewerb um die so begehrten Fachkräfte besser behaupten können und dass sie durch Produkt- und Prozessinnovationen noch stärker und konkurrenzfähiger werden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])
Darum geht es aber heute in erster Linie nicht. Dass die Quote auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht Sinn macht, ist schön. Entscheidend ist allerdings, dass sie für mehr Gerechtigkeit sorgt. Für Frauen stehen dieWege in höchste Positionen jetzt deutlich weiter offen. Damit erfüllen wir ein Versprechen unseres Grundgesetzes ein wenig mehr, nämlich das Versprechen, dass Chancen nicht nach dem Geschlecht verteilt werden, das Versprechen unseres Grundgesetzes, dass alle Menschen unabhängig davon, ob sie als Frauen oder Männer geboren werden, in unserem Land aus dem gleichen Pool von Lebensmöglichkeiten wählen können.
Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen ist nicht irgendein Gesetz. Es stellt eine historische Zäsur dar. Geschafft haben das die Parteien nicht allein, erst recht nicht eine einzelne Partei. Geholfen haben dabei Frauen und Männer aus allen politischen Lagern. Geholfen haben Frauen und Männer aus unzähligen Verbänden und Gewerkschaften; die Kollegin hat sie vorhin genannt. Geholfen haben aber auch Tausende Bürgerinnen und Bürger aus der Zivilgesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nur im gemeinsamen Schulterschluss und deshalb, weil wir uns trotz parteipolitischer Unterschiede nicht haben auseinanderdividieren lassen, wurde es ermöglicht, dass die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen Gesetzesrang bekommt. Dafür danke ich allen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Solidarität hat sich bewährt. Vielleicht ist das ein gutes Politikmodell, das wir fortsetzen sollten; denn bei der Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch viel auf der politischen Agenda. Danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)