Die SPD setzt sich dafür ein, dass alle Menschen eine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Die Praxis zeigt jedoch: Menschen mit ausländischem Namen haben bei Bewerbungen weniger Chancen. Bewerber mit türkischem Namen erhalten bei Stellen für hochqualifizierte Bewerber 14 % weniger positive Antworten als Personen mit deutsch klingenden Namen. Mehrere hunderttausend Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten unter ihrer Qualifikation, weil ihre Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden. Wir müssen die Chancen für Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt verbessern. Unter der schwarz-gelben Bundesregierung herrscht hier trotz der seit Jahren bekannten Probleme Stillstand.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir hier über Integration debattieren, sind das oft eher abstrakte Debatten, wie zum Beispiel zum Jubiläum des Anwerbeabkommens mit der Türkei. Genauso oft reden wir über Integration im Zusammenhang mit Sprache und Bildung. Integration ist jedoch viel mehr. Wir müssen konkret werden und sagen, was Integration tatsächlich bedeutet. Integration fängt immer mit einem Zugehörigkeitsgefühl an. Man muss ganz konkret erleben, dass man dazu gehört und dass man in der Gesellschaft akzeptiert, respektiert und gebraucht wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Daher ist Integration immer etwas, was von beiden Seiten geleistet werden muss: von denen, die zu uns kommen, aber auch von der Aufnahmegesellschaft. Aus meiner Zeit am Fließband weiß ich, wie wichtig der Arbeitsplatz ist, damit Integration gelingt. Wir haben mit Kollegen aus mehr als 50 Nationen zusammengearbeitet. Viele von meinen Kollegen haben am Fließband Deutsch gelernt. Durch unsere gemeinsamen Aufgaben und unsere gemeinsamen Ziele haben wir uns als Team gefühlt. Wir haben uns mit unserem Betrieb identifiziert und hatten ein Zugehörigkeitsgefühl. Unser Ziel muss sein, dass sich alle Menschen in unserem Land ob mit oder ohne Migrationshintergrund mit unserem Land und seiner Vielfalt identifizieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, dass wir eine gute und funktionierende Integration in den Arbeitsmarkt brauchen, um Integration in der gesamten Gesellschaft erfolgreich gestalten zu können. Vor diesem Hintergrund beraten wir heute einen Antrag der SPD-Fraktion zu neuen Chancen für Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt. Denn leider hat die Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht überall so erfolgreich geklappt wie bei mir im Betrieb. Das beweisen zahlreiche Statistiken und Studien. Seit Jahren ist die Arbeitslosigkeit unter Ausländern, also Menschen ohne deutschen Pass, doppelt so hoch wie bei Deutschen. Im Jahr 2008 hatten 37,5 Prozent der 25- bis 34-Jährigen mit Migrationshintergrund keinen beruflichen Abschluss. Bei den jungen Menschen ohne Migrationshintergrund waren das „nur“ 10,8 Prozent. Jugendliche mit Migrationshintergrund haben bei gleichen Qualifikationen geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz als deutschstämmige Jugendliche. In der Weiterbildung werden weniger Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt mehrere Gründe, warum wir daran etwas ändern müssen. Erstens. Natürlich muss jeder Einzelne, der hier bei uns lebt, eine Chance auf Integration haben. Dazu gehört vor allem die Integration auf dem Arbeitsmarkt. Das ist auch eine entscheidende Frage der Würde jedes Einzelnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn niemand will auf staatliche Almosen angewiesen sein. Zweitens. Für unseren Staat ist es aus ganz rationalen Gründen wichtig, dass möglichst alle Menschen in den Arbeitsmarkt integriert sind. Es gibt eine Studie, die die Kosten der Nichtintegration berechnet hat. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat dazu die fehlenden Einnahmen durch Steuern und Abgaben sowie die höheren Ausgaben der sozialen Sicherungssysteme berechnet. Diese Studie zeigt: Es lohnt sich auch finanziell, sich für die Integration in den Arbeitsmarkt einzusetzen; denn dadurch kann der Staat später eine ganze Menge Geld sparen. Drittens. Für unsere Wirtschaft ist es wichtig, dass Menschen mit Migrationshintergrund auf unserem Arbeitsmarkt aktiv sind. Wir diskutieren hier seit langem über die Fachkräfteentwicklung in unserem Land. Wir alle wissen, dass wir nur dann genügend Fachkräfte haben, wenn wir alle Menschen in unserem Land in den Arbeitsmarkt integrieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unsere Wirtschaft kann es sich nicht leisten, hier eine große Gruppe an Menschen auszuschließen. Deshalb zähle ich darauf, bei der Integration in den Arbeitsmarkt auch tatkräftige Unterstützung aus der Wirtschaft zu bekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gespräch vor allem mit Jugendlichen, die einen ausländisch klingenden Namen haben, erfahre ich immer wieder von Diskriminierungen. Die Uni Konstanz hat in einer Studie nachgewiesen, dass Menschen mit ausländisch klingendem Namen bei Bewerbungen diskriminiert werden. Deswegen ist es eine zentrale Forderung in unserem Antrag, Diskriminierungen abzubauen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein entscheidender Punkt dafür sind anonyme Bewerbungen. Wenn die Personalabteilung am Anfang ausschließlich die Qualifikation begutachtet, sortiert sie nicht bewusst oder unbewusst die Menschen mit ausländisch klingendem Namen aus. In einem Modellprojekt hat sich gezeigt, dass anonyme Bewerbungen denjenigen Menschen nutzen, die derzeit am Arbeitsmarkt nicht so viele Chancen haben, vor allem älteren Arbeitnehmern und Menschen mit Migrationshintergrund. Vom Ergebnis des Modellprojekts waren auch die Arbeitgeber selbst überrascht. Sie haben zugegeben, dass unterschwellig Diskriminierung stattfand, die durch anonyme Bewerbungen verhindert wird. Diese Studie sollte uns Ansporn genug sein, bundesweit anonyme Bewerbungen einzuführen.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Arbeitsmarktpolitik stärker darauf ausrichten, dass Menschen mit Migrationshintergrund von den Maßnahmen erreicht werden. Bei der Arbeitsförderung muss die Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund zum Schwerpunkt werden. Wir brauchen ein Arbeitsmarktprogramm „Perspektive MigraPlus“ ähnlich der „Perspektive 50plus“.
Mir persönlich ist es besonders wichtig, auch das Schicksal derjenigen zu betonen, die in Deutschland nur mit Duldung leben. Dahinter stehen viele persönliche Schicksale, die die Menschen in ihren Heimatländern durchgemacht haben. Hier in Deutschland wir ihnen zu lange der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen eine gesetzliche Klarstellung, dass Geduldete mit Arbeitserlaubnis von den Agenturen für Arbeit und Jobcentern beraten werden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur einige der Forderungen, die in unserem Antrag enthalten sind. Wir haben sorgfältig und durchdacht aufgelistet, welche Änderungen wir brauchen, damit Menschen mit Migrationshintergrund mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Leider herrscht vonseiten der Bundesregierung ziemlicher Stillstand, was konkrete Maßnahmen angeht. Es reicht nicht aus, nur anlässlich von Migrationsgipfeln schöne Worte zu finden; vielmehr müssen wir endlich konkret handeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Integration ist ein gegenseitiger Prozess, ein Geben und ein Nehmen. Zu Recht erwarten wir von den Migranten, dass sie sich bemühen und uns etwas geben. Aber gerade wir von der Politik müssen auch etwas geben, nämlich reale Chancen auf unserem Arbeitsmarkt. Schließlich sind all die Menschen, von denen ich hier spreche, Steuerzahler, wenn auch oft ohne Stimmrecht bei Wahlen. Wir müssen Integration leben und sie im Alltag und im Arbeitsmarkt umsetzen. Dazu brauchen wir die Maßnahmen aus unserem SPD-Antrag. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)