Die Unterstützung der Länder im Kaukasus selbstverständlich wie auch politisch geboten.

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Die Staaten des Südkaukasus, Georgien, Armenien und Aserbaidschan, haben seit ihrer Unabhängigkeit 1991 schwierige Prozesse im Zuge der Konsolidierung ihrer Staatlichkeit durchlaufen. Zwischenstaatliche Auseinandersetzungen und Nationalitätenkonflikte spielten hierbei ebenso eine Rolle wie wirtschaftliche Not, Flüchtlingselend und innenpolitische Instabilität. Und auch wenn alle drei Länder mittlerweile ihre Staatlichkeit konsolidiert haben und Mitglied im Europarat und Partnerländer der Europäischen Nachbarschaftsinitiative geworden sind, ist es richtig sich auch weiterhin intensiv mit diesen Länder zu beschäftigen und Hilfe bei der Weiterentwicklung von Demokratie und Menschenrechten anzubieten.

Denn nach wie vor ist die Menschenrechtslage in allen drei Ländern problematisch.
Insofern ist der Antrag zu begrüßen. Lassen Sie uns die einzelnen Länder ein wenig genauer betrachten: In Armenien harrt die Aufklärung der gewaltsamen Niederschlagung der Massenproteste gegen die umstrittene Präsidentenwahl 2008 weiterhin der Aufklärung. Der regierungskritische Sender „Gala TV“ hat unlängst seine Sendelizenz verloren. Auch wird das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht eingehalten, obwohl es in der Verfassung verankert ist. Besonders die Situation der WSK-Rechte hat sich in Armenien verschärft: 34% der armenischen Bevölkerung leben in Armut, weitere 20% gelten als unmittelbar armutsgefährdet. Ein weiteres gravierendes Problem stellt die geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen dar: Häusliche Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor stark verbreitet, wobei es für betroffenen Frauen kaum Schutzräume gibt.

In Georgien hat sich die Menschenrechtslage nach dem Kaukasuskrieg 2008 weiter verschlechtert. Auch hier gibt es bislang keine Aufklärung zu der Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte während der Proteste gegen Präsident Saakaschwili.
Auch die Aufklärung möglicher Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht während des Kaukasuskrieges ist bislang unterblieben. Umso mehr freut es, dass in Georgien mit den Präsidentschaftswahlen 2012 ein demokratischer Wechsel an der Spitze geglückt scheint:
Der Herausforderer Saakaschwilis, der Milliardär Iwanischwili, hat die Präsidentschaftswahlen vom Oktober 2012 nicht nur klar für sich entschieden, sondern er wurde auch durch den unterlegenen amtierenden Präsidenten anerkannt, der damit gleichzeitig sein Niederlage einräumte.Der neue Präsident sieht sich allerdings großen Erwartungen und Herausforderungen gegenüber: Das Land benötigt dringend Sozialprogramme, besonders die medizinische Versorgung muss verbessert werden.
Auch die Versorgung der Bevölkerung, von der 40% in Armut lebt, gilt als große und entscheidende Herausforderung für den neuen Präsidenten. Dabei gilt es auch die besonders schlechte Situation der Binnenflüchtlinge im Auge zu behalten.
Desweiteren müssen der Minderheitenschutz verbessert und die Korruptionsbekämpfung vorangebracht werden. Auch die Medienfreiheit muss weiter verbessert werden, damit regierungskritische Journalisten nicht weiter Repressalien oder wirtschaftlichen Schikanen ausgesetzt werden.

In Aserbaidschan bleibt vor allem die Lage bei den bürgerlichen und politischen Menschenrechten weiter angespannt. Noch immer werden Demonstrationen der Opposition in der Hauptstadt Baku verboten, werden regierungskritische Medien stark eingeschränkt und regierungskritische Journalisten und Blogger verfolgt und mit Haftstrafen bedroht. Daneben ist die Korruption weit verbreitet.
Von den 200.000 Kriegsflüchtlingen aus Armenien und den 800.000 Binnenvertriebenen als Folge des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts um Berg-Karabach leben noch etwa 20% in unzureichenden Wohnverhältnissen und es gibt insgesamt Probleme mit ihrer Integration. Positiv lässt sich die Toleranz gegenüber Minderheiten und die religiöse Toleranz hervorheben. Anders als in Armenien und Georgien sind Erfolge bei der Armutsbekämpfung in Aserbaidschan erkennbar: Der Armutsanteil konnte von knapp 50% 2001, auf nunmehr 9% gesenkt werden. Die wirtschaftliche Dynamik des Landes, die vor allem von der Erdöl- und Gasindustrie getragen wird, machte Sozialprogramme möglich, die zusammen mit staatlicher Umverteilungspolitik den Armutsanteil senken konnten. Dieses ist  - auch im Sinne der WSK-Rechte – zu begrüßen.
Es darf jedoch nicht zu dem Schluss führen, dass die Menschenrechtslage allein dadurch in Aserbaidschan um ein vielfaches besser sei als in den anderen Ländern des Südkaukasus. Gerade mit Blick auf die bürgerlichen und politischen Rechte ist die Lage in Aserbaidschan sicherlich schlechter als in Georgien, wo zum ersten Mal Wahlen nach demokratischen Standards stattgefunden und damit zu einem demokratisch-legitimierten Wechsel an der Staatsspitze geführt haben. Auch wäre der Schluss falsch, die WSK-Rechte höher als die bürgerlichen und politischen Rechte anzusetzen.
Ebenso ist es falsch die bürgerlichen und politischen den WSK-Rechten vorzuziehen.
Menschenrechte können immer nur in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden, da sie einander unmittelbar bedingen und unmittelbar von einander abhängen.
Die Darstellung der Situation in Aserbaidschan ist daher im Antrag eindeutig zu positiv und teilweise falsch, auch wenn – und das möchte ich hier ausdrücklich betonen – eine Verminderung von Armut natürlich immer zu begrüßen ist.
Ein ausschließliches Fokussieren auf staatliche Umverteilung und Sozialprogramme und die generelle Absage an Privatisierungen helfen nicht in allen Situationen weiter.
Häufig benötigen Länder zur Verbesserung der Durchsetzung der WSK-Rechte ein Bündel von Maßnahmen und hierbei können Privatinvestitionen und private Initiativen durchaus ihren Beitrag leisten.

In diesem Sinne ist der Antrag, der teilweise richtige Analysen und Forderungen enthält, nicht mitzutragen. Die Unterstützung der einzelnen Länder selber ist aber gleichwohl selbstverständlich wie auch politisch geboten.

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!