Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich finde es gut und ich bin über jede Debatte dankbar, in der wir über diejenigen sprechen, die einerseits hart von der Pandemie getroffen sind und andererseits auch noch wenig Geld haben. Ich glaube, dass es uns allen guttut, wenn wir genau hinschauen und viel darüber reden und an die Friseurinnen und Friseure nicht nur deshalb denken, weil wir sie schmerzlich vermissen, sondern auch, weil sie zu Hause sitzen und eine harte Zeit durchmachen, und uns an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gastro- und im Hotelgewerbe nicht nur erinnern, weil sie uns viele schöne Abende beschert und dazu beigetragen haben, dass wir uns wohlgefühlt haben, sondern auch wahrnehmen, dass sie und ihre Familien gerade eine echt schwere Zeit durchmachen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])
Natürlich habe auch ich den Brief von NGG und Verdi wahrgenommen und eine sehr starke Grundsympathie empfunden; denn, ja, jeder Beschäftigte sollte ein vernünftiges Einkommen haben, und zwar auch in Krisenzeiten. Deswegen setzen wir uns als SPD dafür ein, dass es endlich einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro gibt, und dafür, dass es endlich mehr Tariflöhne gibt, gerade in diesen Branchen.
(Beifall bei der SPD)
Offensichtlich ist es so, dass mit dem aktuellen Kurzarbeitergeld alleine viele Menschen in den erwähnten Branchen nicht über die Runden kommen. Wie kann also eine gute Regelung aussehen, die nützt, funktioniert, nicht zu kompliziert ist und dann auch noch keine neuen Ungerechtigkeiten schafft? Das ist eine sehr schwierige Frage; das ist hier in der Debatte durchaus klar geworden. Ich fürchte nur, dass die Antwort nicht ganz so einfach ausfallen kann, wie das in dem Brief von NGG und Verdi skizziert wird. Aber noch mal von vorne: Das Kurzarbeitergeld in Deutschland ist ein riesiges Erfolgskonzept, erfunden übrigens von Olaf Scholz; das so nebenher.
(Beifall bei der SPD)
Es ist vielfach kopiert worden, glücklicherweise; denn es hilft dabei, ganze Volkswirtschaften davor zu bewahren, zu kollabieren, und auch wir haben etwas davon, wenn andere Volkswirtschaften nicht kollabieren. Wir als SPD mit Hubertus Heil haben uns angestrengt, die Bezugsdauer zu verlängern. Andere haben uns noch gesagt, wir würden die Lage schlechtreden, als wir die Dauer des Bezugs des Kurzarbeitergeldes verlängert und auch die Rahmenbedingungen verbessert haben. Die SPD hat sich für massive Verbesserungen des Kurzarbeitergeldes eingesetzt und nach echt zähen Verhandlungen bis in den Koalitionsausschuss hinein – nur mal als Erinnerung – (Beifall bei Abgeordneten der SPD) eine ordentliche Anhebung für all diejenigen erreicht, die lange Kurzarbeitergeld beziehen. Es ist erwähnt worden: ab dem vierten Monat 70 Prozent bzw. 77 Prozent vom Netto, und ab dem siebten Monat 80 Prozent bzw. 87 Prozent des Netto.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ja, wenn Sie uns fragen: Es wäre mehr denkbar gewesen. Und ja, wir hätten uns das durchaus unbürokratischer – um das Thema noch mal anzuschneiden – vorstellen können. Trotzdem: Erst mal ist das Kurzarbeitergeld ein großer Erfolg. Es kostet viel Versichertengeld; das ist aber gut angelegt. Ich möchte an dieser Stelle den Mitarbeitenden der Bundesagentur für Arbeit (BA) ganz herzlich danken, die einen Hammerjob machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich möchte auch denjenigen Unternehmen danken, die das Kurzarbeitergeld für ihre Beschäftigten aufstocken. Ich glaube, dass die Unternehmer dabei gerade auf diejenigen Beschäftigten achten sollten, die wenig Einkommen haben, und prüfen sollten, ob nicht noch eine Aufstockung möglich ist. Aber für manche reicht das nicht. Das gilt für die Kurzarbeitenden, aber es gilt eben auch für viele Freelancer, Unternehmerinnen und Unternehmer, und es gilt – von denen ist noch gar nicht so richtig die Rede gewesen – für die geringfügig Beschäftigten. In ganzen Branchen hat man ja gesehen: Von einem Tag auf den anderen Tag war die geringfügige Beschäftigung weg, all die Beschäftigten natürlich nicht. Diese profitieren auch nicht vom Kurzarbeitergeld. Dann stellt sich die Frage: Wie geht man in einem so komplexen Sozialsystem an das Thema ran? Schafft man für jede Gruppe ein eigenes System – es geht darum, nicht gleichzumachen, was nicht gleich ist – und verursacht damit ganz automatisch gravierende Ungerechtigkeiten? Oder versucht man, es halbwegs einfach und durchschaubar zu machen? Und das ist das, worauf sich die Bundesregierung im Moment hat einigen können. Wir haben gesagt: Innerhalb dieses bestehenden Systems wollen wir erst mal alle, die jetzt in gravierende finanzielle Probleme gekommen sind, auf das System der Grundsicherung verweisen, aber nicht in Form eines gängelnden, kleinmachenden Systems – das wollen wir sowieso nicht mehr; wir als Sozialdemokraten wollen ein Sozialsystem auf Augenhöhe –, sondern als ein Zeichen der ausgestreckten Hand: Leute, es kommen wieder bessere Zeiten. Leute, wir versuchen, euch eine Brücke zu bauen und euch die schlimmsten Sorgen zu nehmen, nämlich umziehen zu müssen, sich die Wohnung nicht mehr leisten zu können, an das Ersparte ranzumüssen. – Deswegen haben wir den Zugang zur Grundsicherung massiv vereinfacht. Die Vermögensprüfung ist de facto ausgesetzt. Vermögen unter 60 000 Euro plus 30 000 Euro für jede weitere Person im Haushalt wird nicht berücksichtigt. Altersvorsorgeanlagen werden nicht berücksichtigt, und es wird nicht nach den Kosten der Unterkunft gefragt. Das ist eine ausgestreckte Hand, und ich finde, darüber müssen wir positiv reden; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) denn was ich nicht möchte, ist, dass Menschen aus falscher Scham keine Grundsicherung beantragen. Ich sehe, wie meine Partei auch, die Probleme, dass Partnereinkommen dazu führen können, dass jemand keinen Zugang zu Leistungen gemäß SGB II hat, aber aufgrund sehr hoher Fixkosten sicherlich Hilfe bräuchte. Deswegen sage ich: Wir freuen uns auf die Debatte im Ausschuss darüber, wie man das Sozialsystem besser machen kann. Wir glauben nicht, dass es einfach mit einem Mindestkurzarbeitergeld getan ist. Aber glauben Sie uns: Wenn es darum geht, die Situation von Menschen zu verbessern, die gerade wenig Geld haben, dann sind wir an der Seite dieser Menschen. Das sehen Sie auch daran, dass wir den Kinderbonus auflegen. Das sehen Sie an den 150 Euro, die wir für Leistungsbezieher, und zwar möglichst viele, wollen. Das sehen Sie an den FFP2-Masken, die jetzt dank Hubertus Heil zur Verfügung gestellt werden, und das sehen Sie an den Laptops, Tablets usw., die für Menschen in der Grundsicherung, für die Kinder, jetzt zur Verfügung gestellt werden.
(Beifall bei der SPD)
Also: Wir sind an der Seite dieser Menschen, und wir freuen uns auf diese wirklich komplizierte, aber notwendige Diskussion. Vielen Dank.